Ein Teppich? Einführung

Wandteppiche sind heute bei uns aus der Mode gekommen.

Im Mittelalter war das anders: Damals gab es keine Tapeten. Man heizte oft nur einen Raum und Teppiche hielten die Wärme.

Der Teppich von Bayeux (die Stadt in der Normandie, in der er bis heute aufbewahrt wird) ist allerdings nicht für normale Räume gedacht - dazu ist er schlicht zu lang - sondern für die Kirche in Bayeux, wo er regelmäßig ausgestellt wurde.

Denn dieser "Teppich" ist alles andere als normal: Fast 70 Meter lang und nur ca. 50 Zentimeter breit stellt er eine riesige fortlaufende Bildergalerie dar. Er erzählt eine Geschichte in Szenen und erinnert von der Art der Darstellung an einen Comic, allerdings ohne Sprechblasen, aber mit erläuterndem Text.

Diese Art der Darstellung war damals modern, wurde von der Kirche unterstützt (seit dem Konzil von Arras 1025) und bot sich auch an: Die wenigsten Menschen konnten lesen, der Teppich muss sich also selbst erklären, ähnlich wie die Glasfenster der mittelalterlichen Kathedralen.

Da es zu aufwändig gewesen wäre einen solch langen Teppich zu knüpfen (also ihn aus Knoten zusammenzusetzen), wurde er aus Leinen gewebt und die Szenen auf die Leinwand gestickt (der Teppich von Bayeux ist also streng genommen gar kein Teppich).

Das hatte auch den Vorteil, dass an mehreren Szenen zugleich gearbeitet werden konnte.

Vermutlich wurden die Szenen von Nonnen eines Klosters in Bayeux gestickt, geschätzte Arbeitszeit: 10 Jahre.

Die Vorgeschichte der Teppich-Handlung

Die englische Thronfolge: Die Kandidaten

Edward:Rex

Als Edward, im Jahr 1064 mit 59 Jahren auf sein Leben zurückblickt, kann er eigentlich recht zufrieden sein. Seit 1042 ist er englischer König und die Jahre seiner Regierung waren friedlich und erfolgreich:
Er hat den englischen Staat nach Vorbild der Normannen neu organisiert - gegen den Widerstand der angelsächsischen Adeligen unter Godwin.

Aber Edward hat ein Problem: Seine Ehe mit Edith, Godwins Tochter, blieb kinderlos.

Da also kein Sohn Edwards da ist, erheben andere Kandidaten Anspruch auf die Nachfolge:

Harold Godwinsson

Edward, sein gleichnamiger Großneffe ist der einzige direkt mit dem König verwandte männliche Nachkomme.
Allerdings hat er das Pech in Ungarn am dortigen Königshof aufgewachsen zu sein, weshalb er in England nahezu unbekannt ist.

Harold Godwinson, der Bruder der Königin rechnet sich da bessere Chancen aus: Er ist mit Edith an den Hof gekommen, dort bekannt und noch jung. Deshalb bringt er sich immer wieder als Nachfolger ins Spiel.

Die Verwandtschaftsbeziehungen: Über den Kanal hinweg

Wilhelm von Normandie

Allerdings darf man (last but not least) Wilhelm nicht vergessen, den Herzog der Normandie (in Frankreich). Seine Großmutter Emma war die Mutter des englischen Königs - Edward ist also sein Cousin 2. Grades. Außerdem hat Edward, bevor er König in England wurde, lange in der Normandie im Exil gelebt - Wilhelm lernte ihn dort kennen und Edward den jungen Mann schätzen.

Deshalb beschließt Edward, den 1035 geborenen Wilhelm zu seinem Nachfolger zu bestimmen.

Edward schickt den Rivalen Harold zu Wilhelm, um ihm seinen Entschluss mitzuteilen.
Und hier beginnt der Teppich zu erzählen:

Ein Teppich erzählt: Die Geschichte um Englands Krone

Herzog Harolds Reise in die Normandie

Zunächst interessiert uns Harolds Reise nach Frankreich zum Normannenherzog Wilhelm, die nicht besonders glücklich verläuft. Aber der Reihe nach:

Harold reist mit seinem Gefolge nach Bosham, einer englischen Hafenstadt, um nach der Normandie überzusetzen.

Eine Reise über den Kanal war im Mittelalter nicht ungefährlich, weshalb Harold in der Kirche (Ecclesia) von Bosham beten geht.

Während man auf die Flut wartet, genießt man noch ein Gastmahl im Herrenhaus.

Doch Harold hat Pech: Er erleidet Schiffbruch und wird außerhalb des Gebiets, das Wilhelm direkt unterstellt ist, angespült.
Der dortige Graf, Guy (Wido), wittert Beute, denn nach altem Recht gehört ihm alles Strandgut.

Nachdem er allerdings merkt, mit wem er es zu tun hat (Harold ist immerhin der Schwager des englischen Königs!) fordert er ein Lösegeld für Harold, das dieser natürlich nicht aus eigener Tasche bezahlen kann.

Einer von Harolds Gefolgsleuten geht daraufhin zu Wilhelm von Normandie und erbittet die Auslöse, die Harold auch gewährt wird, worauf er zu diesem gebracht wird.

Nun ist Harold der willkommene Gast Wilhelms, schließlich bringt er die Kunde von der nahenden englischen Königskrone.

Allerdings unterschätzt Wilhelm nicht die heikle Lage: Auch Harold hat Anrechte auf den englischen Thron: Um ihn günstig zu stimmen, verspricht er ihm seine älteste Tochter Aelfgyva.

In der Folge nimmt Harold an einem Feldzug Wilhelms gegen Conan von Bretagne teil: Man belagert Dinan und erzwingt die Aufgabe.

Harold hat sich bewährt: Er wird von Wilhelm zum normannischen Ritter geschlagen: eine große Ehre, aber zugleich auch Treueverpflichtung Harolds gegenüber dem zukünftigen englischen König!

Doch das reicht Wilhelm noch nicht: Er möchte von Harold einen Eid haben, in dem er auf die englische Krone verzichtet: Harold leistet diesen verhängnisvollen Eid.

Nach seiner Rückreise nach England erstattet Harold seinem König Edward Bericht.

Der Tod König Edwards und die Krönung Harolds zum neuen König

Und schon bald darauf stirbt Edward der Bekenner - die Nachfolgeregelung tritt in Kraft!

Doch Harold hält sich nicht an seinen Eid: Er lässt sich von der Versammlung der Adligen Englands gegen den letzten Willen und gegen sein Versprechen zum König wählen.

Allerdings steht Harolds Herrschaft unter keinem günstigen Stern (im wahren Sinne des Wortes): Am Himmel wird ein Komet gesichtet (entweder der Halleysche Komet oder eine Supernova, von der auch chinesische Quellen der Zeit berichten), der vom Volk als Unheil bringendes Omen gedeutet wird:

Der Zug der Normannenherzogs Wilhelm nach England

Tatsächlich dauert es nicht lange, bis Wilhelm durch seine Boten von Harolds Krönung erfährt.

Er handelt sofort und lässt eine Flotte bauen um England zu erobern.

Kaum sind Pferde, Männer und Ausrüstung von Bord beginnt Wilhelms Krieg gegen Harold auf englischem Boden.

Zunächst baut man in der Nähe von Hastings eine Schanz und ein Feldlager, sodann wird das Schlachtfeld vorbereitet.

Nun beginnt der berühmteste Waffengang der englischen mittelalterlichen Geschichte: Die Schlacht bei Hastings.

Wilhelm ist im Vorteil: Seine Truppen sind ausgeruht, Harolds Armee durch den Anmarsch geschwächt.

Als die beiden Heere aufeinandertreffen, kann Wilhelm nicht sofort eine Entscheidung erreichen - ein erster Vorstoß seiner Reiter scheitert am Widerstand der englischen Truppen.

Auch bei einem zweiten Vorstoß, können die normannischen Reiter nicht siegen - viele versinken im morastigen Boden und fallen.

Doch Odo, der Bischof von Bayeux kann den Normannen neuen Mut einflösen: Die Reiter, die sich auf dem Rückzug befanden, preschen wieder gegen den Feind und fassen neuen Mut, als sich Wilhelm, den viele schon tot glaubten, zu erkennen gibt:

Nun wird der Widerstand der Angelsachsen Harolds gebrochen und Harold von einem normannischen Pfeil ins Auge getroffen und getötet.

Der grauenvolle Tag, an dem viele tausend Männer gestorben sind, geht zu Ende: Die Normannen haben gewonnen, der Rest der englischen Armee flieht.

Bevor es am unteren Bildrand mit einem versteckten Link weitergeht, könnt ihr euch, wenn Zeit bleibt, noch den ganzen Teppich ansehen:

Ein Teppich erzählt: Die ganze Geschichte

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