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Ralf Arndt

Geschichtsunterricht als Vermittlung einer "politischen Religion"

Ideologische, pädagogische und didaktische Grundlagen des Geschichtsunterrichts im "Dritten Reich".

Mit exemplarischer Untersuchung der Verhältnisse im Raum Nürnberg.

1. Einleitung

2. Vom Biologismus zum Mythos - Die Konstruktion des nationalsozialistischen Geschichtsbildes

2. 1. Methodologische Vorüberlegungen zum Begriff Geschichtsbild

2. 2. Zurück zu den Wurzeln - Biologismus und "Rassenhygiene" als Grundlagen des nationalsozialistischen Geschichtsbildes

2. 3. Die Konstruktion des "deutschen Wesens" aus der "nordischen Rasse"

2. 4. "Ausrottung" und "Aufnordung" als grundlegende Methoden nationalsozialistischer Politik

2. 5. Die Unterbrechung der Dialektik - der nationalsozialistische Zukunftstraum als revolutionärer Mythos

2. 6. Methodologische Überlegungen zur Beschreibung der nationalsozialistischen Geschichtsauffassung als neomythisches Geschichtsbild

2. 7. Das nationalsozialistische Geschichtsbild als Grundlage einer "politischen Religion"

2. 8. Das nationalsozialistische Geschichtsbild als Grundlage für den Geschichtsunterricht

3. Rückprojektion und Zukunftstraum - Geschichtsunterricht als Vermittlung mythologischer Geschichte und Vorbereitung auf den Krieg

3. 1. Inhaltliche Konsequenzen und administrative Maßnahmen

3. 1. 1. Die Etablierung des rassischen Geschichtsbildes

3. 1. 2. "Blut und Boden" und "Lebensraum im Osten" — Rückprojektion der Zukunftspläne in die Geschichte

3. 1. 3. "Führer befiehl, wir folgen!" — Führerkult und "soldatischer Geist"

3. 1. 4. "Versailler Diktat" und "nationale Erhebung" — die einheitstiftende Funktion des Revanchismus

3. 1. 5. "Christliche Erziehung" und "Kruzifix-Erlaß" — die Auseinandersetzung mit dem Christentum

3. 1. 6. Erstes Fazit: "Volksgemeinschaft" als Ausgrenzung von "Minderwertigen" und Andersdenkenden

3. 2. "...und sie werden nicht frei ihr ganzes Leben!" - Pädagogische Konsequenzen

3. 2. 1. Totalität in Staat und Erziehung — Das Dreisäulen-Modell

3. 2. 2. Antihumanismus und Antierziehung — Zucht und Auslese: nationalsozialistische 'Erziehung'

3. 2. 3. Zweites Fazit: Nationalsozialistische 'Erziehung' — Dressur zum Krieg

3. 3. "Maßvoller, gebundener Arbeitsunterricht - Geschichtsdidaktische Konzepte

3. 3. 1. Die Lehrziele des nationalsozialistischen Geschichtsunterrichts

3. 3. 2. Begeisterung und Führung — der Lehrer als propagandistischer Manipulator

3. 3. 3. Lehrervortrag, Quellenarbeit und Erzählungen im Geschichtsunterricht — Arbeitsunterricht?

3. 3. 4. Dichtungen und ideologisches Schrifttum im Geschichtsunterricht

3. 3. 5. "Politische Feiern" in Jugendbund und Schule als methodische Vorbilder für den Geschichtsunterricht

3. 3. 6. Drittes Fazit: Geschichtsunterricht als Religionsunterrichtssurrogat

4. Ideal und Realität - War die Schule nationalsozialistisch?

5. Schlußbetrachtung

6. Anhang 1

6. 1. Brief des BSUK an die Direktorate der Höheren Lehranstalten vom 5. Juli 1935

6. 2. Vortrags- und Aufsatzthemen und Schulveranstaltungen am Gymnasium Carolinum, Ansbach

6. 3. W. Zimmermann, Die Feierstunde im Geschichtsunterricht

7. Anhang 2

7. 1. Erläuterungen zu den Graphiken des Geschichtsbildes und des Geschichtsbewußtseins nach Karl-Ernst Jeismann

7. 2. Erläuterung der Graphik des nationalsozialistischen Geschichtsbildes

7. 3. Schema des nationalsozialistischen Geschcihtsbildes von Franz Selmeier

8. Quellen- und Literaturliste

8. 1. Nichtpublizierte Quellen

8. 2. Quellensammlungen

8. 3. Primärliteratur

8. 4. Sekundärliteratur

Abbildung 1: Geschichtsbild nach Karl-Ernst Jeismann

Abbildung 2: Geschichtsbewußtsein nach Karl-Ernst Jeismann

Abbildung 3: Das mythische Geschichtsbild des Nationalsozialismus (in Anlehnung an Jeismann und Selmeier)

Abbildung 4: Richtlinien des Reichsministers des Innern Frick für die Geschichtslehrbücher (schematische Darstellung; Textzitate aus dem Original)

Abbildung 5: Schema des nationalsozialistischen Geschichtsbildes von Franz Selmeier

Sie träumen von nichts anderem, als daß sie die Hauptrolle
in der Weltgeschichte spielen, der deutschen Nation alle im Osten
und Westen verlorenen Stämme wieder einverleiben werden...
Gott weiß, wo sie mit ihren altdeutschen Ansprüchen haltmachen.
Heinrich Heine

1 Einleitung

Der Nationalsozialismus war eine Ideologie des totalitären Staates. Der Staatsapparat umfaßte alle Lebensbereiche seiner Bürger, in deren Biographien er planend und regulierend, dogmatisch und konsequent eingriff. Insofern gleicht er anderen totalitären Regimen seiner Zeit, etwa dem Mussolinis, vor allem aber dem Stalins, der in seiner unerbittlichen Härte gegen Widersacher Hitler am nächsten kommt. Doch endet in der Eigenschaft des Totalitären die Vergleichbarkeit dieser Regime. Der Staat des "Führers" ging einen entscheidenden Schritt weiter als alle vergleichbaren Staaten: Er setzte sich die Vernichtung des von ihm als "jüdisch" definiertenen Teils der europäischen Bevölkerung zum Ziel und begann, sie konsequent und genauestens zu planen, um sie dann unerbittlich in die Tat umzusetzen. Dazu schuf er sich eine industrielle Tötungsmaschinerie, die den Menschen zur Nummer, zu Menschenmaterial degradierte, ihn bis zur körperlichen Erschöpfung ausbeutete, um sich schließlich seiner wie Abfall zu entledigen.

"Volksgemeinschaft" hieß das Motto, das sich der Nationalsozialismus auf die Fahnen geschrieben hatte, Völkermord war die Folge dessen, was seine Ideologen darunter verstanden. Die Bildung "neuer Menschen" hatte er erreichen wollen, zu Inhumanität und Grausamkeit brachte er sie. Doch damit nicht genug. Zugleich führte er einen rassenideologischen Vernichtungskrieg, der die Expansion Deutschlands bis zum Ural und die Dezimierung und Versklavung der Bevölkerung des östlichen Europas zum Ziel hatte - dann einen Weltkrieg, der die letzte Konsequenz einer Ideologie war, die schon sehr früh explizit formuliert hatte, was sie wollte: Weltmachtstellung. Der totale Staat auf einem erweiterten deutschen Reichsgebiet war das Ziel dieser Weltanschauung. Die beanspruchte Totalität wurde zum "totalen Krieg".

Bis zum heutigen Tag steht man als einer der "Nachgeborenen" diesen Ereignissen fassungslos gegenüber. Doch darf diese Fassungslosigkeit nicht zum Postulat der Unerklärbarkeit nationalsozialistischer Verbrechen führen.

Die vorliegende Arbeit setzt sich zum Ziel, einen zentralen Bereich der nationalsozialistischen Ideologie, die Geschichtsauffassung, und den Ort ihrer Vermittlung, den Geschichtsunterricht, genauer zu untersuchen. Dabei interessieren zunächst vor allem die ideologischen Grundlagen des nationalsozialistischen Geschichtsbildes, die ideengeschichtliche Herkunft seiner Ideologeme und sein Konstruktionsprinzip.

Methodologische Überlegungen zum Geschichtsbild-Begriff sollen zum Verständnis des Nationalsozialismus als einer "politischen Religion" beitragen.

Die Schule wurde vom nationalsozialistischen Staat ebenso selbstverständlich für die ideologische Indoktrination vereinnamt, wie alle anderen Institutionen.1 Der Geschichtsunterricht sollte hier die zentrale Rolle spielen. Anhand von wissenschaftlicher Literatur, Lehrbüchern und Dokumenten administrativer Maßnahmen wird der Grad der Ideologisierung demonstrierbar. Gegliedert ist dieser inhaltliche Abschnitt nach einzelnen zentralen Ideologemen: Dem "Rassengedanken", dem "Lebensraumkonzept", dem Führerkult sowie dem Militarismus und Revanchismus. Besonderes Gewicht wird auch auf die Auseinandersetzung mit dem Christentum gelegt, da die christlichen Kirchen das wichtigste Hindernis bei der Etablierung der "politischen Religion" des Nationalsozialismus darstellten.

Wie sich nationalsozialistische Pädagogen die weltanschauliche Erziehung qua (Geschichts)Unterricht vorstellten, soll in einem historisch-erziehungswissenschaftlichen Teil dieser Arbeit näher untersucht werden. Auch hier muß der gedanklichen Entwicklung hin zu einer nationalsozialistischen Pädagogik Platz eingeräumt werden: Am Beispiel des Erziehungswissenschaftlers Ernst Krieck wird sie aufgezeigt.

In einem weiteren Abschnitt setzt sich die Arbeit dann mit den Vorstellungen der linientreuen Didaktiker auseinander. Die im Reichslehrplan von 1938 auftretende Beszeichnung "Arbeitsunterricht" dient hier als Anhaltspunkt. Ebenso wird das Thema des Nationalsozialismus als "politischer Religion" erneut aufgegriffen. Anhand von Beispielen aus der didaktischen und pädagogischen Literatur der Zeit und einer überlieferten Unterrichtsstunde läßt sich zeigen, wie weit die mythologisch-religiösen Denkmuster dieser Ideologie sich auf den Geschichtsunterricht auswirken konnten.

Ein verhältnismäßig kurzer letzter Abschnitt beschäftigt sich mit der Frage nach dem Erfolg der nationalsozialistischen Vereinnahmung des Geschichtsunterrichts als einem Mittel propagandistischer Indoktrination. Die Schlußbetrachtung erweitert diese Fragestellung und geht dem Scheitern des nationalsozialistischen Systems als einem Versuch der Realisierung seiner Ideologie nach.

Vergangenes steht noch bevor,
Und in der Zukunft liegen Leichen.
Rainer Maria Rilke

2 Vom Biologismus zum Mythos -die Konstruktion des nationalsozialistischen Geschichtsbildes

Fast keines der Ideologeme der Hitlerschen "Weltanschauung" ist originär nationalsozialistisch. Vielmehr handelt es sich um eine Vielzahl zeitgenössischer, meist populärer Gedankengebilde und Vorurteile, die zunächst von Hitler, später von den führenden Parteiideologen zu einem Amalgam, einer neuen Weltanschauung zusammengeschmolzen wurden. Dieses Weltbild konstituierte sich primär aus historischen Kategorien, so daß man mit Recht gesagt hat: "Das nationalsozialistische Weltbild war ein Geschichtsbild".2

Aber es war eines aus teils widersprüchlichen, in sich oft wenig konsistenten Bausteinen, die es systematisch aufzuschlüsseln gilt, wenn man sich mit dem Nationalsozialismus wissenschaftlich auseinandersetzen möchte, zumal die ideologische Durchdringung der Gesellschaft ja auch die Schule in allen ihren Unterrichtsfächern, insbesondere aber den Geschichtsunterricht betraf.

2. 1 Methodologische Vorüberlegungen zum Begriff Geschichtsbild

Was aber ist überhaupt ein Geschichtsbild? Eine methodologische Klärung des Begriffes soll hier zu Beginn vorgenommen werden, wobei auf die Terminologie des Geschichtsdidaktikers Karl-Ernst Jeismann zurückgegriffen und versucht wird, seine Definitionen graphisch darzustellen. Jeismann unterscheidet Geschichtsverlangen, Geschichtsbild, historisches Verstehen und Geschichtsbewußtsein.

Die Termini lassen sich hierarchisch, beziehungsweise als aufeinander aufbauend verstehen.

Geht man von Geschichte als der Erfahrung einer soziologisch umreißbaren Gruppe aus, so steht zu Beginn eines Prozesses hin zu einem Geschichtsbewußtsein das Geschichtsverlangen. Es ist dies das Bedürfnis, eine gemeinsame Geschichte innerhalb der universalen historischen Entwicklung zu umgrenzen. Geschichtsverlangen ist also "eine affektive Hinwendung zur Geschichte, in der Wahrnehmung, Urteil und Wertung untrennbar ineinander verschlungen sind. Es ist der elementare Ausdruck des Bedürfnisses nach Zugehörigkeit und Bestätigung des persönlichen Erlebens und Empfindens."

Sieht man das Geschichtsverlangen einer Gruppe oder eines einzelnen als Ausgangspunkt, kann man mit Jeismann annehmen, daß es sich in einem folgenden mehr oder weniger wissenschaftlichen Aneignungsprozeß "zu einer Komposition strukturiert, Perspektiven aufweist, Antagonismen integriert und verschiedenen Ereignissen und Zuständen der Vergangenheit in einer Gesamtvorstellung einen festen Ort zuweist." Aus dem Geschichtsverlangen konstituiert sich so ein Geschichtsbild. Ein solches Geschichtsbild dient, das war ja der Ausgangspunkt der Überlegungen, der Identifikation mit Geschichte, der identifikatorischen Selbstverortung in der Geschichte. Insofern erscheint Jeismanns Feststellung, Geschichtsbilder kennten "keine Reflexivität, welche die in ihnen deutliche Zuordnung von Tatsachenfeststellungen, historischer Bedeutungszuweisungen und gegenwärtiger Wertung und Stellungnahme in Frage stellen könnten,"3 durchaus berechtigt.4

Geschichtsbild nach Jeismann

Abbildung 1: Geschichtsbild nach Karl-Ernst Jeismann

Dennoch wird diese Definition des Geschichtsbildes im Kontext dieser Arbeit auf ihre Adäquanz zu überprüfen sein. Der nächste Schritt im Prozeß hin zu einem Geschichtsbewußtsein ist das historische Verstehen, das man auch als historiographische Selbstreflexion bezeichnen könnte. Historisches Verstehen ermöglicht es, "Geschichtsbilder [zu] kritisieren, historische Wahrnehmung und Bedeutungszuweisungen in Frage zu stellen" 5, indem es "den Eigenwert der Vergangenheit gegen die Dominanz der Gegenwart im Erkenntnisprozeß"6 betont. Beides, das Geschichtsbild selbst und der Mechanismus, der zu ihm führte, eben das Geschichtsverlangen, werden reflektiert und gegebenenfalls problematisiert. Das so erzielte Verständnis der Geschichte geht deshalb über die reine, gegenwartsbezogene Identifikation mit ihr hinaus. Am Ende dieses Prozesses steht, oder, besser gesagt, durch diesen Prozeß entsteht Geschichtsbewußtsein — eine Kombination aus dem Motor des Geschichtsverlangens und der "kompositorischen Leistung" des Geschichtsbildes, das durch die "methodische Distanz" des historischen Verstehens ständig modifiziert wird.

Geschichtsbewußtsein nach Jeismann

Abbildung 2: Geschichtsbewußtsein nach Karl-Ernst Jeismann

Anders gewendet: Geschichtsbewußtsein ist aus Geschichtsverlangen entsprungenes, historiographisch und gesellschaftlich prozessual reflektiertes und daher sich stetig modifizierendes Geschichtsbild.

Wegen seiner prozessualen Iterativität läßt sich dieser Vorgang grundsätzlich als hermeneutisch-zirkularer Erkenntnisprozeß7 verstehen: Das aufgrund eines emotional-identifikatorischen Erkenntnisinteresses entstehende 'erste Ergebnis' wird durch rationale Methoden verifiziert, modifiziert oder falsifiziert. Gleichzeitig werden die Bedingungen des Erkenntnisprozesses reflektiert. Das dadurch erzielte Verständnis der historischen Einzelbegebenheiten und der Erkenntnismechanismen, die zu ihnen führen, ist das Geschichtsbewußtsein. Dieser Prozeß ist nicht zielgerichtet oder abgeschlossen, sondern stets offen für neues Verständnis, eben nicht statisches Bild, sondern sich wandelndes und entwickelndes Bewußtsein.

Welche dieser Qualitäten erfüllte die nationalsozialistische Geschichtsauffassung, die hier thesenhaft schon ex ante als Geschichtsbild bezeichnet werden soll?

Im folgenden wird zunächst zu zeigen versucht, welches die Basis für seine Konstruktion war. Ausgangspunkt dafür soll der Rassengedanke sein.

2. 2 Zurück zu den Wurzeln — Biologismus und "Rassenhygiene" als Grundlagen des nationalsozialistischen Geschichtsbildes

In einem Brief des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 5. Juli 1935 an die Direktorate der höheren Lehranstalten "Betreff: Geschichtsunterricht" findet sich folgende Formulierung: "Von der Vorzeit an durch alle späteren Jahrtausende hindurch bis zur Gegenwart muß die Bedeutung der Rasse gewürdigt werden, da sie den Urboden darstellt, aus dem alle wurzelhafte Eigenart sowohl der Einzelpersönlichkeit wie der Völker erwächst."8

Solche sprachlichen Entlehnungen aus der Pflanzenwelt waren nicht willkürlich gewählt. Die Metaphorik der offiziellen Sprache des Nationalsozialismus ist voll von Organischem. Sie versinnbildlicht ein biologistisches Denken, das organismisch-evolutive Muster mit philosophisch-politischen verband.

Allerdings pervertierte der Nationalsozialismus, wie zu zeigen sein wird, dabei zeitgenössische Überlegungen, deren Ursprünge im 19. Jahrhundert lagen. Die Grundlagen dieses Denkens waren die Erkenntnisse der modernen Biologie, die Evolutionstheorie Darwins und die Vererbungslehre, die sich auf die Ergebnisse der Mendelschen Versuche stützte. Das Prinzip des survival of the fittest, der Auslese einer sich durch Mutationen ständig verändernden Population durch die Umweltbedingungen, übertrug man auf den Menschen, wie auch auf seine Populationsform, den Staat.

Der Staat wurde also auf einer Makroebene als Organismus verstanden, dessen Qualität sich über die Güte seiner Organe, den Staatsbürgern, definieren ließ. Auf dieser Mikroebene war das alles entscheidende Kriterium die "rassische Qualität". Auf beiden Ebenen und einander bedingend galt das Prinzip der Auslese durch den struggle for life.9

Den Biologen des ausgehenden 19. Jahrhunderts und der Weimarer Zeit erschien jedoch in den modernen Staaten eine "natürliche Auslese" der Bevölkerung im (sozial-) darwinistischen Sinne unmöglich. Selektion wurde durch Wohlfahrtseinrichtungen verhindert, die es ermöglichten, daß "minderwertige" Erbanlagen sich weitervererben konnten, ohne "ausgemerzt" zu werden. Die Symptome dafür schienen das Anwachsen einer schlecht gebildeten Unterschicht, ein stetiges Ansteigen von Zivilisationskrankheiten und die quantitative Zunahme körperlich und geistig Behinderter zu sein.10

Verbunden mit dieser Defizitdiagnose der Jetztzeit war ein Szenario, das, die aktuelle Entwicklung hochrechnend, zu dem Ergebnis kam, daß das gesamte deutsche Volk in absehbarer Zeit körperlich und "geistig", also kulturell, "entartet" sei.11

Eine genetische "Aufartung" der Deutschen war nach Ansicht der Wissenschaftler also dringlichstes Ziel, und um dieses zu erreichen, bedurfte es einer staatlich gelenkten "Rassenhygiene"12.

Was die konkreten gesellschaftspolitischen Maßnahmen anging, hielten sich die wissenschaftlichen Autoren noch in den 20er und frühen 30er Jahren sehr zurück.

Die Forderungen zielten vor allem auf den Ausbau der "rassenhygienischen" Forschung.13

Die seinerzeit gewonnenen Erkenntnisse hielt man noch nicht für gesichert genug, um radikale staatliche Maßnahmen ergreifen zu können, da solche noch zu leicht zu "gemeingefährliche[n] Quacksalbereien eines ungebildeten Laien"14 geraten könnten. Einige Empfehlungen glaubte man allerdings bereits geben zu müssen: "pronatalistische Familien- und Steuerpolitik, [...] Ausmerze minderwertigen Erbgutes [...] auf dem Wege eugenischer Eheberatung [und] freiwillige Sterilisierung und Asylierung" von Erbkranken.15

Radikalere Vertreter forderten dagegen eine härtere Gangart in Form der Zwangssterilisierung.16

Eine wichtige Rolle teilten die "rassenhygienisch" orientierten Wissenschaftler dem Bildungswesen zu:

"Von der Erziehung hängt zum guten Teil der Stand der geistigen Kultur ab. Die Anschauungen über das, was gut und böse ist, über das was Wert hat und was nicht, werden wesentlich durch die Erziehung bestimmt. [...] auch in der Schule kann in dieser Hinsicht viel geschehen, einerseits durch Lenkung der Anschauungen und Wertgefühle, andererseits durch Vermittlung von Wissen. Die biologischen Grundlagen des Lebens der Völker und der Kultur müssen den jungen Leuten vertraut werden. Dazu sind die Fächer Geschichte, Deutsch und Religion besonders geeignet. Eine wissenschaftliche Vertiefung hätte der biologische Unterricht zu geben".17

In den hier ganz selbstverständlich konstatierten "biologischen Grundlagen des Lebens der Völker" wird eine generelle Tendenz in der "rassenhygienischen" Diskussion deutlich: Der ursprünglich neutrale biologische terminus technicus "Rasse" wurde zunehmend zum Schlagwort mit politisch-kultureller Wertung und zur historischen Kategorie.

Beispielsweise bei dem Biologen Erwin Baur:

"Es ist aber ganz sicher, [sic!] nicht etwa immer gerade ein ganz bestimmtes Rassenelement, das ein Volk dazu befähigt, eine höhere Kultur hervorzubringen, wir können jedoch trotzdem sagen, daß z. B. ein Volk von der rassenmäßigen Zusammensetzung der Australneger niemals eine höhere Kultur ausbilden kann, und das ferner ein Volk wie die alten Griechen niemals genau die gleiche Kultur wie die alten Ägypter, sondern eben nur seine ganz spezifische eigene Art der Kultur hervorbringen kann. Daraus ergibt sich ohne weiteres, daß, wenn ein Kulturvolk sich im Laufe der Zeit in seiner rassenmäßigen Zusammensetzung ändert, sich auch die Form und Höhe der Kultur dementsprechend ändern muß, und daß, wenn ein Kulturvolk sich rassenmäßig stark verschlechtert, seine Kultur zusammenbrechen muß."18

In einem weiteren Schritt wurde dann der starke Einfluß des Biologischen auf das kulturelle Leben der Völker zum universellen Prinzip der Geschichte stilisiert: "Tatsächlich spielte und spielt sich in allen Kulturvölkern ein Prozeß ab, der im Endergebnis auf das gleiche herauskommt."19

Eine "rassenmäßige" Verschlechterung wurde vor allem von der "Vermischung" verschiedener "Rassen" erwartet. Dahinter stand die Vorstellung, daß geographisch von anderen isolierte Populationen die Tendenz zur "Reinrassigkeit" aufweisen würden.

Schon die Eugenik-Forscher der Weimarer Republik wiesen auf die "Gefahren der Rassenmischung" hin. Das deutsche Volk galt ihnen wegen seiner zentralen Lage in Europa und der historischen Entwicklung als besonders "gemischt; und folglich würde" nach der Auffassung des ersten "Rassenhygiene"-Professors Lenz "von weiteren Rassenmischungen Schaden zu erwarten sein." Interessant ist dabei die Definition:

"Unter Rassenmischung ist hier die Mischung getrennter Populationen von verschiedenem Rassentypus verstanden, wie z. B. die von Negern oder Mongolen mit Europäern. Auch die Mischung von Juden mit Germanen gehört dahin, da beide Gruppen seit unvordenklicher Zeit sich in der Hauptsache getrennt voneinander fortgepflanzt haben." 20

Die Zitate zeigen, daß "Rassen" im Denken der Zeit zu überindividuellen Größen wurden, die man als epochenübergreifendes, konstantes geschichtliches Phänomen verstand.21

Die Wertung menschlicher Kulturstufen basierte für die Rassentheoretiker auf der Koppelung der Rassengüte mit der Kulturqualität. Entwickelte sich ein Volk zum "Kulturvolk", so machte man in erster Linie "rassische" Ursachen dafür verantwortlich, das gleiche galt für den Fall einer kulturellen Regression.

Kürzer formuliert: "Rasse" bedingt Kultur. Und das seit jeher.

So entwickelte sich aus dem "rassischen" Menschenbild ein rassistisches Geschichtsbild.

2. 3 Die Konstruktion des "deutschen Wesens" aus der "nordischen Rasse"

Das nationalsozialistische Geschichtsbild speiste sich vor allem aus eben diesen rassistischen Anschauungen. Allerdings gehört zu seiner Konstruktion noch ein wesentlicher Bestandteil.

Einblick in das Werden und Vergehen der Kulturvölker, insbesondere des deutschen, brachte ein Blick in die Geschichte, vermittelt über eine rassentheoretisch-völkische Geschichtsschreibung.22

Die Vertreter dieser Theorie beschränkten sich nicht auf die bloße Feststellung rassenbedingter kultureller Pro- oder Regression, sondern sahen diesen ihren Befund stärker im Zusammenhang mit zwischenstaatlichen Auseinandersetzungen. Dabei ging man davon aus, daß die vermeintlichen "rassischen" Faktoren verschiedener Völker nicht nur ihre interne Kultur, sondern auch ihre externe Kompetitivität determinierten. In diesem Sinne waren die europäischen Völker im Vergleich mit den von ihnen eroberten natürlich auch "rassisch" überlegen.

Imperialistisches Machtstaatsdenken wurde also mit biologistischem kombiniert, die kulturelle Überheblichkeit der Europäer generalisiert und historisiert. Die Konsequenz war das Konstrukt eines historischen Universalprinzips: dem durch "rassische" Qualitäten legitimierten arematsanspruch der weißen Völker über alle anderen.

Die Herkunft der völkischen Geschichtsschreibung lag ebenfalls im 19. Jahrhundert, während dessen sich von Frankreich aus völkisches Denken nach Deutschland ausgebreitet hatte. Dieser Vorgang ereignete sich noch vor der Formulierung der Evolutionstheorie und des "Rassengedankens" der modernen Biologie. Die Schriften des französischen Schriftstellers und Diplomaten Joseph Arthur Gobineau, in denen sich bereits die Auffassung von der "race nordique" findet, die sich im Kampf der Völker um ihr Dasein stets durchsetzt, waren hier maßgebend gewesen.23 Darwins Theorien paßten dann genau in dieses Bild. Geschichte stellte sich in der völkischen Geschichtsschreibung als Kampf der Völker um "rassische" Vorherrschaft dar, wobei die "rassisch wertvolleren" Völker für sich ein biologisch begründetes Naturrecht auf Herrschaft beanspruchen konnten.

Auf diesen Vorstellungen konnten populärwissenschaftliche Rassenanthropologen, wie etwa Paul de Lagarde und Houston Steward Chamberlain, in Deutschland aufbauen.24 Imperiale Großmachtträume ließen die Schriften, in denen die Vormachtstellung der weißen Rasse, des "Arier-" und "Germanentums" als "Recht des Stärkeren" propagiert wurden, populär werden.

Einen besonderen Aufschwung erlebte diese Art der Literatur in Deutschland aber nach 1918. Wiederum war es eine Defiziterfahrung, die dem völkischen Ideologem zu Popularität verhalf: der verlorene Krieg. 25

"Die Enttäuschung über das Scheitern des Weltmachtstrebens, die Verzweiflung über den Verlust des Kaiserreichs, die Erbitterung über die Schande des verlorenen Krieges ließ in den Jahren 1919 bis 1923 [der Zeit der politischen Prägung der Generation Hitlers] eine geradezu phantastische Welle völkischer Literatur aufschießen, die nun (im Unterschied zur Zeit vor dem Kriege) unzählige Leser fand [...]. Das Völkische ist hier Ersatz für die verlorene Größe und Macht, Rausch aus Pseudovergangenheit (wie sie traditionell gepflegt wurde) und Zukunftstraum, ein Rausch, der über die schlimme Gegenwart hinweghelfen sollte."26

Eine wichtige rassentheoretisch gestützte Erkenntnis der völkischen Geschichtsschreibung war die unmittelbare Abstammung der Deutschen von den Germanen, dem alten "nordischen" Volk auf deutschem Boden.27 Diese angenommene "rassische" Verwandtschaft bedeutete aber, daß die kulturschöpferischen, "nordischen" Qualitäten der Germanen sich durch den "Rassestrom" im Blut der lebenden Deutschen "arischer Abstammung" erhalten haben mußten.

Bei dem Rassenanthropologen Günther lesen sich die mythisch-"nordischen" Qualitäten wie folgt:

"Tatsächlich möchte man vordenkliche Willenskraft, bestimmtes Urteilsvermögen bei kühl abwägendem Wirklichkeitssinn, Drang zur Wahrhaftigkeit von Mensch zu Menschen, eine Neigung zu ritterlicher Gerechtigkeit als die bei nordischen Menschen immer wieder auffallenden seelischen Züge bezeichnen. Solche Züge können sich bei einzelnen innerhalb der nordischen Rasse steigern bis zu ausgesprochen heldischer Gesinnung, bis zu weitblickendem Heldentum im Staate, Schöpfertum in Technik, Wissenschaft und Kunst."28

Günther zeichnete "den edlen, vornehmen oder heldischen Menschen", und für die beschriebenen Deutschen mußten seine idealisierenden Charakteristiken wie Balsam wirken.

Attraktiv erschien dies vor allem deshalb, weil der Prototyp des "nordischen" Menschen ein Herrenmensch war, der seit frühester Zeit seine Kultur durch Eroberungen über andere, "unterworfene Völker ausgebreitet"29 hatte, und das vor allem innerhalb des weißen Europas.

Diese germanozentrische Auffassung von der "arischen Kulturträgerschaft" bedeutete, daß alle kulturellen Errungenschaften und politischen Erfolge im Mitteleuropa der vergangenen Jahrtausende sich aus einem Quell speisten: der Eroberung und Unterwerfung "rassisch minderwertiger" europäischer Völker durch "nordische" Heldenstämme.30

Dieser Quell würde, bleibt man bei dieser Metapher, dann wieder sprudeln, wenn sich das deutsche Volk zu "nordischer" Gesinnung entschlösse.

Die Zweifel der professionellen Wissenschaft interessierten die völkischen Vertreter nicht weiter. Einer der später führenden nationalsozialistischen Ideologen, Alfred Rosenberg, schrieb in seinem Mythus des XX. Jahrhunderts von 1930:

"Das Ergebnis dieser [künftigen] Forschung vermag jedoch an der einen großen Tatsache nichts zu ändern, daß der 'Sinn der Weltgeschichte' von Norden ausstrahlend über die ganze Erde gegangen ist, getragen von einer blauäugig-blonden Rasse, die in mehreren großen Wellen das geistige Gesicht der Welt bestimmte, auch dort noch bestimmte, wo sie untergehen mußte."31

Das aus aktuellem politischen Anlaß bestehende Minderwertigkeitsgefühl großer Teile der deutschen Bevölkerung konnte in solch teutonozentrischem Gedankengut Orientierung und Ausgleich finden, eben eine mythisierte "Pseudovergangenheit" als Grundlage für politische Zukunftsträume.

2. 4 "Ausrottung" und "Aufnordung" als grundlegende Methoden nationalsozialistischer Politik

Aus der Kombination des bisher Dargestellten ergaben sich Perspektiven für einen Zukunftsstaat, der einer fiktiven und idealisierten germanischen Vergangenheit nahekommen sollte.

Um das neue Ideal Realität werden zu lassen, mußte sich der sogenannte "organische Staatsgedanke"32 durch die Aktivierung und Intensivierung der "arischen Kulturträgerschaft"33 endgültig durchsetzen. Hitler glaubte, daß durch künstliche Selektion die verhängnisvolle Entwicklung des deutschen "Kulturvolkes", die sich in der "Entartung" zu manifestieren schien, aufgehalten und umgekehrt werden konnte. Der Grundgedanke, wie ihn Erwin Baur 1932 ausdrückte, daß "ein kompliziertes Mischvolk [... rassisch R.A.] in seiner charakteristischen Buntheit auch durch alle Generationen gleich bleibt — wenn nicht Selektionsvorgänge einsetzen"34, wurde mit vertauschten Vorzeichen im nationalsozialistischen Sinne interpretiert: Durch gezielte innere Selektion müßte sich ein "rassisch wertvolles" deutsches Einheitsvolk erzeugen lassen, das dann genetisch stabil bleiben würde, da es durch seine kulturelle und politische Vormachtstellung alle äußeren Selektionsmöglichkeiten ausschalten könnte. Legitimierbar war das nur durch den "rassisch" begründeten und historisch diagnostizierten arematsanspruch der "arischen", oder vielmehr im Zuge einer solchen Politik erst eigentlich "arisierten" Deutschen.

Für Hitler lag die Sache schon Mitte der 20er Jahre klar. Die "Vorsehung"35 hatte ihn dazu bestimmt, die Macht zu ergreifen und das deutsche Volk durch "Aufnordung"36 aus dem vermeintlichen Elend zu führen.37

Hauptgegner waren dabei aus Hitlers Sicht die Juden, die mit ihrer angeblich internationalistischen und zentral gesteuerten Weltherrschaftspolitik die Zerstörung Deutschlands planten.38 Diese Auffassungen speisten sich aus dem vor allem vom Schwiegersohn Richard Wagners, Houston Stewart Chamberlain, gepredigten "rassischen" Antisemitismus39.

In Hitlers Judenbild kulminieren alle seine Vorurteile und Angstvorstellungen. In der weltweit zerstreuten jüdischen Bevölkerung sah er eine eigene Rasse, die sich durch kulturelle Isolierung zu einem bedenklichen Grad der Reinrassigkeit gesteigert hatte40, allerdings mit negativen Vorzeichen. "Der Jude" stellte für ihn in jeder Hinsicht das Gegenteil seines "rassisch" begründeten "arischen" Ideals dar.41 Er war ein "Parasit", da er der "Arbeit" abgeneigt war. Statt dessen frönte er dem "Händlerdenken"42 und unterwanderte die Völker, in denen er lebte, systematisch, indem er einen "jüdischen Staat im Staate" gründete, den er perfiderweise als "'Religionsgemeinschaft' maskiert[e]".

Originalton Hitler:

"Er ist und bleibt der typische Parasit, ein Schmarotzer, der wie ein schädlicher Bazillus sich immer mehr ausbreitet, sowie nur ein günstiger Nährboden dazu einlädt. Die Wirkung seines Daseins aber gleicht ebenfalls der von Schmarotzern: wo er auftritt, stirbt das Wirtsvolk nach kürzerer oder längerer Zeit ab."43

Eben auch aufgrund ihrer rassischen Einheitlichkeit erschienen die Juden als politische Bedrohung. Angesichts ihrer internationalen Verbreitung unterstellte Hitler ihnen "internationalistische" politische Interessen. Das lief natürlich seiner nationalistischen Vorstellung der Politik mit Weltherrschaftsanspruch entgegen, zumal Hitler gerade die "Masse" und den "Arbeiter" als Opfer jüdischer Indoktrination ansah, die er selbst gerne für seine Interessen instrumentalisieren wollte.44 Es gehört zu den zweifelhaften ideologischen 'Leistungen' Hitlers, Rassismus und Antikommunismus zu einem Feindbild verknüpft zu haben. Die "Weltrevolution" des Marxismus kombinierte er, absurd genug, mit dem "internationalen Finanzjudentum" zur universellen "jüdischen Weltverschwörung".45 Infolgedessen war der Weltkrieg für Hitler die Konsequenz aus dem Unabhängigkeitsstreben Deutschlands und den Bemühungen des internationalen Judentums, eben dies zu unterbinden.

Damit nahm die jüdische Bedrohung universelle Qualitäten an. Eine als "Religionsgemeinschaft getarnte", "rassisch" operierende und damit zugleich politisch agierende totale Gefahr, der nur mit totalitären Mitteln beizukommen war.

Die logische Konsequenz mußte in Hitlerschen Denkkategorien die im ursprünglichen Wortsinn radikale Beseitigung dieser "Feinde der Menschheit"46 sein, da ihnen im rassischen Sinne allein nicht beizukommen war: Denn seine Blutreinheit "wahrt der Jude besser als irgendein anderes Volk der Erde. Somit geht es seinen verhängnisvollen Weg weiter, so lange, bis ihm eine andere Kraft entgegentritt und in gewaltigem Ringen den Himmelsstürmer wieder zum Luzifer zurückwirft."47 Hitler stilisierte den Kampf gegen das Judentum ganz offen zur göttlichen Aufgabe: "So glaube ich heute im Sinne des allmächtigen Schöpfers zu handeln: Indem ich mich des Juden erwehre, kämpfe ich für das Werk des Herrn."48

Es kann heute eigentlich keinen Zweifel mehr geben: Hitler plante von Anfang an, die Juden 'zum Teufel zu jagen', nur über die Methode war er sich noch nicht im Klaren.49

Bedauerlicherweise fiel Hitlers antisemitisches Gedankengut auf fruchtbaren Boden. Der universelle Sündenbockcharakter, der den Juden im nationalsozialistischen Denken zuteil wurde, war nach der Machtergreifung omnipräsent. Die ständige Rekapitulation des Spruches, "Die Juden sind unser Unglück!"50, im Stürmer und die Aufrufe zum Boykott jüdischer Geschäfte waren die äußeren Merkmale der aktivierten antisemitischen Latenz in Deutschland.

Nennenswerte Kritik äußerte sich im Volk weder während der lukrativen Arisierungen noch auf Grund der immer offensichtlicher werdenden antisemitischen Terrormaßnahmen bis hin zum großen Judenpogrom vom 9. November 1938. Das Verhalten des Großteils der Bevölkerung schwankte hier zwischen desinteressierter, beziehungsweise resignativer Hinnahme und einer regen und begeisterten Beteiligung.51 Schon im Laufe der ersten Jahre nach der Machtergreifung gehörte der praktizierte Antisemitismus zu den Selbstverständlichkeiten im deutschen Alltag, vor allem auch in der Schule.52 Es fällt heute schwer zu glauben, daß das sukzessive Verschwindenlassen dieses 'Steins des Anstoßes', vor allem aber die Art und Weise seines Verschwindens vom Großteil der Bevölkerung nicht als inhuman empfunden wurde. Wer die Haßtiraden der nationalsozialistischen Agitatoren gehört, die Folgen der "Reichskristallnacht" und den systematischen Abtransport der jüdischen Bewohner ganzer Straßenzüge mit Lastkraftwagen gesehen hatte, konnte der nach 1945 wirklich allen Ernstes behaupten, er habe von nichts gewußt?53 Jedenfalls scheint die Verdrängung oder rechtfertigende mentale Einordnung des Erlebten in vielen Fällen funktioniert zu haben, gerade eben auch weil die offiziellen Verlautbarungen Rechtfertigungs- und Verdrängungsargumente lieferten.

Doch lagen diese Ereignisse im Januar 1933 noch in der Zukunft, wenn sie auch von vornherein zum inhumanen Programm der Nationalsozialisten gehörten.

Zusammenfassend kann man sagen: Die Aufgaben einer nationalsozialistischen Regierung waren in den Augen Hitlers eine radikale "Rassenhygiene", strikte Verhinderung der "Mischung von deutschem mit fremdem Blut", also "Aufnordung", und die Erlangung der politisch-militärischen Vormachtstellung in Europa, die jede innere und äußere, vor allem jüdische "Zersetzung" im wahrsten Sinne des Wortes im Keim ersticken sollten.54

2. 5 Die Unterbrechung der Dialektik — der nationalsozialistische Zukunftstraum als revolutionärer Mythos

Das Ziel dieses Weges sollte das "Dritte Reich" sein, ein Idealstaat in Form eines harmonisch funktionierenden Organismus einheitlich ausgerichteter Glieder, geleitet und geführt von seinem "Haupt", dem Führer, und ausgerüstet mit den nötigen Mitteln zur Verteidigung seiner Identität und Integrität.

Organologisches Denken, also der "organische Staatsgedanke", war daher die Voraussetzung für die Durchsetzungsfähigkeit des deutschen Volkes. Dieses Modell entstammte der staatswissenschaftlichen Tradition, die der englische Philosoph Thomas Hobbes mit seinem Leviathan (1651) gegründet hatte.55

Betrachtet man dies auf einer theoretisch-modellhaften Metaebene, bedeutete das nun aber nicht mehr nur, Politik in den althergebrachten "rassenhistorischen" Kategorien zu denken. Die zyklische Auffassung weiter Teile der völkischen Rassengeschichtsschreibung mit ihrem zwangsläufigen, "rassisch" motivierten Aufstieg und Untergang der Völker wurde von den nationalsozialistischen Denkern geleugnet.56 Vielmehr traute es sich die nationalsozialistische Politik zu, eine über Jahrtausende währende konstruierte historische Dialektik aus "Rassenreinigung" und "Rassenmischung", "Aufnordung" und "Überfremdung" endgültig zu durchbrechen: Ein sich abzeichnender Niedergang ließ sich ja durch die oben genannten Maßnahmen aufhalten, wenn diese nur radikal genug durchgeführt werden würden.57

Die Grundlage und das Ergebnis dieser Überzeugung war ein triadisch gegliedertes Denkmodell, das in der deutschen Geistesgeschichte fest verwurzelt und letztlich auf biblische Vorstellungen zurückführbar ist:

Ein Idealzustand in vorgeschichtlicher Vergangenheit ("nordisches" Paradies) wird durch einen wie auch immer gearteten 'Sündenfall' (Rassenmischung) schuldhaft beendet. Es entsteht ein dialektischer Übergangszeitraum (bisherige Geschichte): Sich anbahnende Verbesserungen ("Aufnordung" der Bevölkerung) werden von antithetischen Entwicklungen (Rassenmischung) zunichte gemacht. Durch einen teleologisch festgelegten Umschwung (Erscheinen des messianischen Führers) wird die scheinbar immerwährende Dialektik zerbrochen und der alte Idealzustand, wenn auch in modifizierter Form, wiederhergestellt ("Drittes Reich"). 58

Das "nordische" Paradies, eine mythische Urzeit also, in der sich die deutsch-germanischen Ideale der Rassenanthropologen in "reinrassigen" Urgermanen verwirklicht fanden, ließ sich relativ problemlos in die wenig erforschte Ur- und Frühgeschichte Nord- und Mitteleuropas verlegen.59 Die "Machtergreifung" vom 30. Januar 1933 wurde als teleologisch festgelegter Umschwung der Geschichte, als Fanal einer neuen Zeit interpretiert. Die heilsgeschichtlich begründete Exzeptionalität und Inkommensurabilität der "nationalen Revolution" in der deutschen Geschichte trat in den offiziellen Verlautbarungen des Nationalsozialismus nach 1933 entsprechend häufig auf: "Bei uns liegt der Angelpunkt der neuen Weltgeschichte, und nie noch [sic!] hat diese Welt einen derart gigantischen Kampf gesehen, wie den unsrigen!" rief etwa begeistert der Geschichtsdidaktiker Arno Jaster im Jahre 1937.60

Dieses neo-mythologisch-chiliastische61 Konstrukt war, historiographisch gesehen, ein Rückfall in die prähistoristische Geschichtsauffassung des ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhunderts. Zu nennen wären hier cum grano salis etwa das Geschichtsbild der deutschen Idealisten und Klassiker oder der aus Hegels Dialektik abgeleitete historische Materialismus der Marxisten.62 Sie alle hatten geschichtliches Geschehen nicht aus seiner Zeit heraus zu beschreiben und verstehen versucht, sondern ihm eine Teleologie, eine sinnhafte Zielrichtung unterlegt.63 Der Vorteil eines solchen Rückfalls in kontrafaktisch-mythologisches Denken lag auf der Hand: Geschichte bekam wieder Sinn, heilsgeschichtlich prophezeite Entwicklungen in der Zukunft trösteten über die Defizite der Gegenwart hinweg.

2. 6 Methodologische Überlegungen zur Beschreibung der nationalsozialistischen Geschichtsauffassung als neomythisches Geschichtsbild

Die eingangs gestellte Frage, ob die nationalsozialistische Geschichtsauffassung ein Geschichtsbild im Sinne der Definition Jeismanns ist, läßt sich nun eindeutig positiv beantworten.

Sein identifikatorischer Charakter ist offensichtlich. War dieses Denken auch durchaus keine ingeniöse Neuschöpfung nationalsozialistischer Ideologen, so traf es doch in seiner spezifischen Kombination den Nerv der Zeit. Obwohl es während der Weimarer Zeit einen nie zuvor dagewesenen weltanschaulichen Pluralismus, eine zumindest in Ansätzen kosmopolitische Kultur gegeben hatte, konnte die weltanschauliche Freiheit die innenpolitische Labilität der Republik und die Folgen weltwirtschaftlicher Bedingungen nicht ausgleichen. Vielmehr verstärkte sie die Unsicherheit großer Teile der Bevölkerung, die sich statt nach offener Diskussion nach weltanschaulicher Führung sehnten. Der Nationalsozialismus bot diesen Menschen eine mythisierte Geschichte, die moderne Gegenwartserfahrungen wie etwa politische Machtlosigkeit, wirtschaftliche Armut und soziale Mißstände64 vergessen ließ, zumindest aber über sie hinweghalf.

Nach 1933 wurde die nationalsozialistische Ideologie und mithin das neomythisch-völkische Geschichtsbild Staatsdoktrin. Doktrinäre und dogmatische Weltbilder verweigern sich aber jeder Hinterfragung oder gar Infragestellung; sie sind statisch, inflexibel, absolut — Bilder eben, nicht reflexives Bewußtsein.

Inwieweit sind aber die hier zugrunde gelegten Annahmen Jeismanns geeignet, um die Entstehung des Geschichtsbildes der Nationalsozialisten zu beschreiben? Bei näherer Betrachtung fällt auf, daß eine konstitutive Komponente der NS-Geschichtsauffassung mit den Jeismannschen Kategorien nicht erfaßbar ist. Das kann kein Vorwurf sein, da Jeismann in seiner Darstellung primär Didaktiker ist, der aktuelle Erkenntnisprozesse beschreiben möchte, und es sich nicht zur Aufgabe macht, eine universale, historische Theorie des Geschichtsbewußtseins zu bieten.65 Seine Thesen erscheinen in diesem Kontext trotzdem adäquat zu sein, um sich dem Erkenntnisprozeß, der dem nationalsozialistischen Geschichtsbild zugrunde liegt, theoretisch detaillierter anzunähern.

Wenn man, wie es hier geschah, von einer spezifischen Erkenntnisweise ausgeht, aus der heraus dieses Geschichtsbild entstanden ist (sie könnte eine mythologische oder idealistische genannt werden), muß man den ersten Schritt Jeismanns, der vom Geschichtsverlangen zum Geschichtsbild führt, genauer untersuchen.

Es hat sich gezeigt, daß die Selbstverortung in und die Identifikation mit der Geschichte als menschliche Grundbedürfnisse66 nicht die einzigen Motive für die Entwicklung eines Geschichtsbildes darstellen können. Sicherlich ist die Hinwendung zur Geschichte im Prozeß des Geschichtsverlangens affektiv, generell entspringt sie aber einer Defiziterfahrung und ist mithin primär motivational. Diese Motivation kann spezifische Formen annehmen. Im Normalfall mag sie einem Unwissen oder rein identifikatorischen Interesse entspringen, wie es Jeismann beschreibt. Im nationalsozialistischen Fall kommt aber eine zeitbedingte, politische Motivation aus der Defiziterfahrung der Nachkriegszeit hinzu. Es muß also eine in Richtung Zukunft weisende Zielvorstellung, modern gesprochen eine politische Vision, mitbedacht werden. Denn ohne sein selbstgesetztes Ideal läßt sich das nationalsozialistische Geschichts-Weltbild nicht verstehen. Mit dieser genaueren Unterteilung des Geschichtsverlangens in eine identifikatorische und eine politische Motivation können aber auch die daraus resultierenden spezifischen Prozesse hin zum Geschichtsbild exakter gefaßt werden. Entscheidend ist dabei der Fixpunkt der Motivation oder, anders ausgedrückt, der Orientierungsgegenstand des Geschichtsverlangens. Jeismann konstatiert ein Verlangen aus der Gegenwart heraus (die identifikatorische Motivation). Deshalb ist ihm beim historischen Verstehen auch die Mitberücksichtigung der gegenwärtigen Denkweisen so wichtig. Wenn aber die Gegenwart lediglich als Ausgangspunkt des Geschichtsverlangens fungiert, und sich dasselbe einen Fixpunkt in der Zukunft sucht, scheinen Jeismanns Kategorien überfordert. Denn "Neuanfänge, Renaissancen, Restaurationen treten immer in der Form des Rückgriffs auf die Vergangenheit auf. In dem Maße, wie sie Zukunft erschließen, produzieren, rekonstruieren, entdecken sie Vergangenheit."67 Gerade bei der mythologischen Geschichtsbetrachtung der Nationalsozialisten ist dies aber, wie versucht wurde zu zeigen, der Fall.

Nun ist das menschliche Denken ja niemals frei von ideellen Traditionen, weshalb sich auch das zukünftige Ideal unter Berücksichtigung historischer Erfahrungen und Schemata konstituierte, die es zu berücksichtigen gilt. Das heißt, daß Vergangenheit und Zukunft miteinander in einer Wechselbeziehung stehen.68 Diese Reziprozität von Geschichtsbild und Idealvorstellung der Zukunft scheint für die mythologisch-idealistische Form der Geschichtsbetrachtung ein konstituierendes Merkmal zu sein. Der Nationalsozialismus schaffte genau diese Reziprozität. Er paßte sein historisiertes Protoideal der politischen Vision des neuen Staates an und definierte zugleich dieses Desiderat aus historischen Traditionen heraus.69

Mit den Worten des nationalsozialistischen Theoretikers Ernst Krieck:

"Die Gestaltung des Vergangenen vom Künftigen her besorgt das Geschichtsbild, sofern es Gestaltung lebendiger Vergangenheit von gegenwärtiger Idee her ist. Die Gestaltung des Künftigen vom Vergangenen nach gegenwärtiger Idee besorgte einst die Ideologie, besorgt von nun an ebenfalls das Geschichtsbild vermöge seines politischen Sinnes und Gehaltes, daraus ihm die charakterformende Kraft aus dem vorwärtsweisenden, geschichtsbildenden Glauben zuteil wird."70

Wenn in dieser Arbeit bisher von mythologischem Denken und mythisierter Geschichte die Rede war, so war damit eben dieses ideelle Schema gemeint. Insofern wird hier eine weitere Auffassung des Mythos-Begriffes favorisiert als der engere Wortsinn eines kanonisch überlieferten Textes. Auch archaische Mythen konkretisieren sich durch die Überlieferung schließlich ständig neu, bedürfen der Interpretation, die zwangsläufig in zeitgenössischen Denkmodellen stattfindet. Zudem werden aber ständig neue Mythen produziert, oder vielmehr, neuen Inhalten werden tradierte mythologische Konstruktionsmuster übergestülpt, so daß neue Mythen entstehen können.71

Auch das nationalsozialistische Geschichtsbild unterlag solchen inhaltlichen Modifikationen, vor allem nach Ausbruch des Krieges. Die Uminterpretation der Geschichte nach konkreten Kriegszielen rächte sich, sobald diese sich änderten. Bildlich gesprochen lief das nationalsozialistische Geschichtsbild also zwangsläufig den veränderten Zukunftsträumen hinterher.72

Zusammenfassend läßt sich also sagen, daß Geschichtsbilder nicht nur der Selbstverortung und Identifikation mit der Geschichte dienen, sondern ebenso der Motivierung einer Gruppe aus der Geschichte heraus. Geschichtsbilder sind daher äußerst anfällig für eine machtpolitische Vereinnahmung. Sie sind nicht allein Instrumentarium der Selbsterkenntnis, sie werden in der Praxis auch zum instrumentum regni.73

Das folgende Schema versucht die Zusammenfassung und Verdeutlichung der methodologischen Überlegungen.74

Nationalsozialistisches Geschichtsbild nach Selmeier und Jeismann

Abbildung 3: Das mythische Geschichtsbild des Nationalsozialismus (in Anlehnung an Jeismann und Selmeier)

2. 7 Das nationalsozialistische Geschichtsbild als Grundlage einer "politischen Religion"

Der offensichtliche Mangel des nationalsozialistischen Geschichtsbildes an logischer Stringenz und rational nachvollziehbarer Konsistenz brachte seine 'gläubigen' Apologeten selten in Verlegenheit. Dieses Phänomen ist symptomatisch: Immer wenn die nationalsozialistischen Theorien an einem Punkt angekommen waren, an dem eine streng wissenschaftliche Argumentation aufgrund mangelnder Logizität versagen mußte, behalfen sich die nationalsozialistischen 'Wissenschaftler' mit der Konstatierung pseudo- oder unwissenschaftlicher Kausalitäten und machten so aus den Theoremen Ideologeme, Glaubenssätze.75 Fehlende historische Fakten, die zur Untermauerung der Ideologie benötigt wurden, glichen sie zumindest teilweise durch Geschichtsklitterung aus oder denunzierten die überlieferten Quellen als tendenziös und die historische "Wahrheit" verschleiernd.76 Die 'wahre' Geschichte erschloß sich dem nationalsozialistischen Historiker erst ex post aufgrund seiner "rassischen" Weltanschauung.77 Mit der Instrumentalisierung der Geschichtswissenschaft und durch den logischen Zirkelschluß der Rückprojektion nationalsozialistischer Ideologeme in die Vergangenheit ließ sich der neue Staat historisch legitimieren. Das mythische Geschichtsbild konnte aber auch als Religionsersatz bzw. als Grundlage für eine "politische Religion" dienen.78

Religionen bieten im allgemeinen Sinnstiftung in zweierlei Hinsicht.79 Zunächst geben sie dem Leben Sinngehalt, weil sie es als von göttlichen Instanzen erschaffen oder geleitet darstellen. Zum anderen legen sie für das Leben eine besondere Sinnrichtung fest, ein Ideal, das die Menschen anstreben sollen. Damit verbunden ist ein Heilsversprechen nach dem Tod. Auf diese Weise stellen Religionen über den in der Gegenwart situierten Menschen einen Konnex von Vergangenheit und Zukunft her. Zugleich machen sie ihm seine Geschichte bewußt, indem sie ihn in sie einordnen. Die Integration in eine Glaubensgemeinschaft ermöglicht kollektive Identität. Gleichzeitig erzeugt sie die Desintegration der 'Ungläubigen', deren Meinung die Qualität der 'Häresie' erhält. 'Häretiker' bedrohen die kollektive Identität und damit die Gemeinschaft an sich existentiell, so daß ihre Ausgrenzung, denkt man in Glaubenskategorien, nicht mit 'besserem Wissen' legitimierbar ist. Ungläubige tragen vielmehr selbst die 'Schuld' an ihrer Desintegration.

"Politische Religionen" stiften ebenso Sinn, verlegen aber den Heilsort in die Realität. Ihr Ziel ist diesseitig und läßt sich durch entsprechendes Verhalten in einer absehbaren Zukunft erreichen.

Das trifft auf den Nationalsozialismus ebenso zu wie etwa auf den italienischen Faschismus und den Leninschen Marxismus.80 Wie bereits dargelegt wurde, diente im Falle des Nationalsozialismus die durch das Geschichtsbild gestiftete historische Identität als Erklärung der eigenen Herkunft. Das Heilsversprechen des zukünftigen Idealstaates für die "rassisch"-weltanschaulich Auserwählten ließ sich durch die Befolgung der vom politomessianischen Führer vorgegebenen Handlungsanweisungen erreichen, war also motivatorisch.81

Gerade die scheinbar universelle, überzeitliche Gültigkeit der "rassisch"-völkischen Theoreme machte sie religionstauglich — als Grundlage einer politischen Religion eigneten sie sich auf Grund ihres Verhaftetseins in der Immanenz. Alle transzendente Rhetorik der Nationalsozialisten darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß Herkunft und Ziel ihrer Politik zwar mythisch verbrämt, aber konsequent im Diesseits verortet waren:

"Denn ich kann mich nicht lösen von dem Glauben an mein Volk, kann mich nicht lossagen von der Überzeugung, daß diese Nation wieder einst auferstehen wird, [...] und hege felsenfest die Überzeugung, daß eben doch einmal die Stunde kommt, in der die Millionen, die uns heute hassen, hinter uns stehen und mit uns dann begrüßen werden das gemeinsam geschaffene, mühsam erkämpfte, bitter erworbene neue deutsche Reich der Größe und Ehre und der Kraft und der Herrlichkeit und der Gerechtigkeit. Amen."82

Hitler vermischte oft diese beiden Sphären, wie in der Berliner Sportpalast-Rede vom 10. Februar 1933, aus der hier exemplarisch zitiert wurde. Dabei stilisierte er sich zum Verkünder göttlicher Weisheit, zum politischen Prediger, der im Bewußtsein des rechten "Glaubens" "Millionen" von 'Ungläubigen' missioniert.

Der Theologe Eric Voegelin schrieb 1938 in seiner Analyse der "zeitgenössischen politischen Religionen": "der 'Auftrag Gottes' ist synonym mit innerweltlichen Formeln wie 'Auftrag der Geschichte', 'geschichtliche Sendung', 'Befehl des Blutes' usw."83. Termini wie "göttlicher Wille" dienten also lediglich der rhetorischen Anpassung an die Vorstellungswelt der christlich geprägten deutschen Gesellschaft.

Um das an einem Beispiel zu verdeutlichen, lohnt ein längeres Zitat aus Ernst Kriecks Buch Der Mensch in der Geschichte.84 Krieck leugnet zwar nicht die Existenz eines Gottes, er bemängelt aber den Versuch der Kirchen, ihn begrifflich faßbar zu machen. Sein Gegenkonzept ist eine nahezu vollständige Dekonstruktion des herkömmlichen Gottesbegriffes und seine Ersetzung durch einen wagen Schicksalsbegriff. Wichtiger als das Transzendente ist dem Ideologen Krieck dabei allerdings die Botschaft und ihre Vermittlung:

"Das von Gott Geschickte aber wird empfangen im Glauben. Es ist an sich nicht Gestalt, nicht anschaubar, nicht begrifflich faßbar, nicht vorausschaubar, nicht berechenbar, nicht aussagbar. Der in höherem Auftrag unter Schicksalsnotwendigkeit verkünden muß, hat — wie der Täter seines Auftrages — nicht Aussagen über Gottes "Ansichsein" zu machen, sondern mit seinen Mitteln und nach seiner Art den ihm gewordenen Sinn zu erfüllen, das ihm zuerteilte Müssen zu vollbringen, es nach außen zu tun und damit Geschehen und Gestalt zu schaffen. Das 'Ansichsein' des Schicksals ist unbegreiflich und nicht aussagbar, wenigstens nicht anders begreiflich und sagbar zu machen, als in der Form, die es im Innern, im Glauben des Berufenen nach dessen Art annimmt. Begriff und Aussage von jenem Wirken und von Gott 'an sich' machen zu wollen, ist die Anmaßung und der grundstürzende Irrtum aller Theologie. Aber es kann und muß zur 'Erbauung der Gemeinde', wenn das mehr sein soll als eine abgeblaßte Phrase — und es ist in den Reden des gottberufenen Führers allemal mehr als in Tausenden von kirchenamtlichen Kanzelreden — Verkündung des Glaubens durch das wirkende Wort, wie bei Luther, geben, eine andere Weise der bewirkenden und bewegenden Tat, die ja in Gestalt des Befehls auch als wirkendes Wort vom berufenen Täter ausgeht, das andererseits in Weise der gebundenen Bilderrede den prophetischen, bewirkenden Dichter macht. 'Und das Wort ward Fleisch...'

In Gestalt des Glaubens geht das von Gott Geschickte und Gewirkte durch den Menschen hindurch und wirkt im Ausgehen vom Menschen Geschehen, Geschichte."85

Interessant ist Kriecks Wortwahl, wenn er vom "von Gott Geschickten" spricht. Hier ist mehr gemeint als nur eine Botschaft, hier erhält das Leben der Menschen, transportiert durch den "Auftrag" des "Führers" (nicht Gottes!), metaphysisch verbrämten "Sinn". Dieser wird nicht nur übermittelt, sondern er "wird" innerlich, also affektuell. Hitler sagte selbst von sich: "Ich gehe mit traumwandlerischer Sicherheit den Weg, den mich die Vorsehung gehen heißt."86 Eine weitere Feinheit in Kriecks Ausführungen ist die Gleichsetzung des indefiniblen Gottes durch einen "Schicksals"-Begriff, der sich nur im "Glauben des Berufenen" zeigt. Der "Führer", und gemeint ist hier natürlich Hitler, übernimmt damit nur noch scheinbar eine Vermittlerrolle, de facto ersetzt er selbst den von den anderen Menschen "begrifflich nicht faßbar[en]" Gott durch seine Person. Der göttliche Wille inkarniert, er wird "Fleisch".87

Unklar bleibt, wie eine Botschaft für den Rezipienten als göttlich zu erkennen ist, wenn der Gott "an sich" unbekannt bleibt. Hier ist der sich als "Berufener" Fühlende allein auf den "Glauben" der Mitmenschen angewiesen. Jedenfalls wird durch sein "wirkendes Wort" aus dem göttlichen "Sinn" ein "Auftrag", eine Aufforderung zur "Tat", und erst die geglückte Tat legitimiert ihn ex post. Damit ist der Konnex zwischen Glaube und Geschichte geschaffen: Die Triebkraft aller politischen "Geschichte" ist, folgt man Krieck, der "Glaube", der den Willen zur Tat erzeugt.

Daß ihre Ideologie die Qualitäten einer politischen Religion hatte, war den Nationalsozialisten also durchaus bewußt. Der von Krieck unumwunden zum Messias stilisierte Hitler strebte eine Weltanschauung an, die "Glaube" sein sollte. Allerdings zielte dies von vornherein auf die Möglichkeiten der Instrumentalisierung der "Massen" für die Ziele des Nationalsozialismus: "Der Glaube ist schwerer zu erschüttern als das Wissen."88 Damit ist ein nationalsozialistischer rhetorischer Topos berührt: Der Antagonismus von Glaube und Wissen. Hitler hatte erkannt, daß Glaube viel mehr ein kollektives und soziales Phänomen darstellt als das Wissen.89 Ein absolutes Wertsystems ließ sich durch die Verabsolutierung eines "Glaubens" leichter in die Bevölkerung implantieren als durch objektives Legitimationswissen.

Die katholische Kirche diente ihm hier als Vorbild: 90

"Die verschiedenen Ersatzmittel haben sich im Erfolg nicht so zweckmäßig erwiesen, als daß man in ihnen eine nützliche Ablösung der bisherigen religiösen Bekenntnisse zu erblicken vermöchte. Sollen aber die religiösen Lehren und der Glaube die breiten Schichten wirklich erfassen, dann ist die unbedingte Autorität des Inhalts dieses Glaubens das Fundament jeder Wirksamkeit. Was dann für das allgemeine Leben der jeweilige Lebensstil ist, ohne den sicherlich auch Hunderttausende von hochstehenden Menschen vernünftig und klug leben würden, Millionen andere aber eben nicht, das sind für den Staat die Staatsgrundsätze und für die jeweilige Religion die Dogmen."91

Der Staat im Hitlerschen Sinne orientiert sich also in der Festlegung und Durchführung seiner "Staatsgrundsätze" an der Kirche und deren inquisitorischen Maßnahmen zur Durchsetzung von Dogmen, denn die "Größe des Christentums lag [...] in der unerbittlichen fanatischen Verkündung und Vertretung der eigenen Lehre."92

Freilich waren diese Dogmen anders geartet als die des Katholizismus. Die nationalsozialistischen Glaubenssätze erhoben ja den Anspruch auf wissenschaftliche Nachprüfbarkeit, oder vielmehr, die nationalsozialistischen Ideologen suchten den Mittelweg zwischen einem politisch instrumentalisierbaren Glauben und einem wissenschaftlich abgedeckten Wissen. War der Glaube als Überzeugungsmechanismus nicht nötig, bediente man sich des Wissens, war das Wissen defizitär, überwog der Glaube. So paßte sich der Nationalsozialismus einerseits der Wissenschaftsgläubigkeit der modernen Industriegesellschaft an, substituierte andererseits aber zugleich ihr metaphysisches Sinndefizit.

Voegelin formulierte es so: Es "entstehen die 'wissenschaftlichen Weltanschauungen', der 'wissenschaftliche Sozialismus', die 'wissenschaftliche Rassenlehre', die 'Welträtsel' werden inventarisiert und gelöst."93 "Der Mythus wird bewußt erzeugt, um Massen affektuell zu binden und in politisch wirksame Zustände der Heilserwartung zu versetzen."94

Wichtiger als die zu erzeugende Erwartung war für Hitler jedoch die politische Instrumentalisierung einer solchen Glaubensgemeinschaft im Sinne des "rassisch"-völkischen Mythos. Bei der Aktivierung politischen Potentials breiter Bevölkerungsschichten stand für Hitler die Überlegenheit des Glaubens fest. Dabei spielte die Charakterisierung der "Masse" für seine Einschätzung die entscheidende Rolle: "Die breite Masse eines Volkes besteht weder aus Professoren noch aus Diplomaten. Das geringe abstrakte Wissen, das sie besitzt, weist ihre Empfindungen mehr in die Welt des Gefühls. Dort ruht ihre entweder positive oder negative Einstellung". Daher mußte sich der Demagoge Hitler an diese "Welt des Gefühls" richten, wollte er den maximalen Beeinflussungseffekt erzielen:

"Der Glaube ist schwerer zu erschüttern als das Wissen, Liebe unterliegt weniger dem Wechsel als Achtung, Haß ist dauerhafter als Abneigung, und die Triebkraft zu den gewaltigsten Umwälzungen auf dieser Erde lag zu allen Zeiten weniger in einer die Masse beherrschenden wissenschaftlichen Erkenntnis als in einem sie beseelenden Fanatismus und manchmal in einer sie vorwärtstragenden Hysterie."95

Es war also nicht die Vermittlung eines 'Herrschaftswissens', um die es Hitler bei der Vereinnahmung der "Massen" ging, er strebte die Mission an zum 'Herrschaftsglauben' im wahrsten Sinne des Wortes. Einem Glauben, der das deutsche Volk zur "fanatischen" Tat führte.

Das bedeutete, wider besseren Wissens, einen Glauben an das "rassisch" begründete Naturrecht des deutschen Volkes auf "Weltherrschaft"96: "Dazu müssen wir unser ganzes Volk erziehen. Es muß erzogen werden zu dem absoluten, sturen, selbstverständlichen, zuversichtlichen Glauben: Am Ende werden wir alles das erreichen, was notwendig ist." Vorbild war hier, ein weiteres Beispiel für 'lehrmeisternde' Geschichte, "Blücher — der Mann vielleicht der meisten Niederlagen, aber des fanatisch festen Glaubens an den Endsieg."97

Hitlers zweckrationale Betrachtung des eigenen Glaubens irritiert. Für ihn war das Volk einerseits höchstes Gut jeder Politik98, andererseits geriet es dem absoluten Machtwillen zur reinen Dispositionsmasse, zur "einheitlichen Herde"99, zu Menschenmaterial. Er forderte einen "apodiktischen" "völkischen Glauben"100, räsonierte andererseits aber kalkulierend über dessen Instrumentabilität für Machtpolitik. Doch gerade diesen scheinbaren Widerspruch könnte man als charakterisierend für die "politische Religion" des Nationalsozialismus ansehen: Absoluter Glaube an den diesseitigen völkischen Ursprungsmythos und die aus ihm entstehende "Rassengeschichte" einerseits, politisches Kalkül für den aus eben diesem Glauben entstehenden "nordischen" Zukunftstraum andererseits.

Das beantwortet aber noch nicht die Frage, wie es sein konnte, daß das nationalsozialistische Glaubenskonstrukt angesichts seiner wissenschaftlichen Begründungsdefizite überhaupt glaubwürdig werden und es über Jahre hinweg bleiben konnte.

Eric Voegelin hat dafür aus der Distanz des Exils eine Erklärung zu finden versucht. Wie beschrieben, ging er von der grundsätzlichen "Wissenschaftlichkeit" der neuen Weltanschauungen aus, die jedoch nicht dazu führe, daß sie "unter dem Angriff wissenschaftlicher Kritik zerfallen, sondern daß der Wahrheitsbegriff umgebildet wird."

Was zunächst absurd klingt, wird durch weitere Erläuterung nachvollziehbar. Voegelin beschreibt hier ganz plausibel den absurden Vorgang der Selbsttäuschung unter den in Legitimationszwang geratenen Ideologen: "Da der Mythos sich nicht durch überweltliche Offenbarung legitimieren und der wissenschaftlichen Kritik nicht standhalten kann, entwickelt sich in einer zweiten Phase ein neuer Wahrheitsbegriff, der Begriff der von Rosenberg so genannten organischen Wahrheit." Dieser besagte, daß "das wahr sei, was das Dasein der organisch geschlossenen innerweltlichen Volksgemeinschaft fördere."101 Daraus erklärt sich, warum auch Akademiker, die hätten Einblick nehmen können in die Täuschungsmechanismen der Propaganda, die nationalsozialistische Ideologie mit Inbrunst vertreten konnten, etwa wie der Dr. phil. Joseph Goebbels. Allerdings spielte bei der Übernahme des neuen Wahrheitsbegriffs auch die jeweilige private Situation eine entscheidende Rolle. Viele der führenden Nationalsozialisten befanden sich zum Zeitpunkt ihrer 'Bekehrung' in einer tiefen persönlichen Krise.102

Eric Voegelin bezeichnete die Inhalte der "politischen Religionen" als "Apokalypsen"103. Der Terminus bot sich an, da ja im religiösen Denken an der 'Weltenwende', dem Zeitpunkt, an dem das neue Reich anbrechen soll, zunächst eine Form des Untergangs der alten Welt stehen muß. Dieser von Voegelin eher beiläufig erwähnte Begriff kann vielleicht zum Verständnis des nationalsozialistischen Ausrottungsprogramms beitragen. Wie die Schaffung des christlichen Gottesstaates den irdischen Weltuntergang und das Jüngste Gericht zur Voraussetzung hat, mußte der politischen Schöpfung des idealen "Dritten Reiches" eine politische 'Apokalypse' und mithin die Vernichtung des "Urhebers allen Leides"104, des "rassisch" wie des politisch 'Bösen' vorausgehen. Die "Endlösung der Judenfrage" also als ein politisches Purgatorium, eine 'Apokalypse' auf dem Weg zum nationalsozialistischen Weltenheil.

Zusammenfassend kann man sagen: Ihr Ziel, die Erzeugung einer instrumentalisierbaren "Volksgemeinschaft", versuchten die Nationalsozialisten zu erreichen, indem sie ihre so diesseitige Ideologie mit ähnlicher Symbolik transportierten wie dies die Kirchen taten. Daher inszenierten sie ihren "Glauben" in Massenveranstaltungen, die an Prozessionen und Gottesdienste erinnern.105 Die dogmatische Botschaft wurde auf diesen Veranstaltungen ebenso monodirektional verkündet wie im Gottesdienst. Der 'Gemeinde' blieb lediglich als ritualisierter Bestätigungsruf das frenetische "Heil!", das dieselbe Funktion hatte wie der gottesdienstliche Freudenruf "Halleluja".

Organisierte Veranstaltungen aller Art hatten also die Aufgabe, das Volk zu 'missionieren', das Ideal zu verkünden und die 'Gläubigen' auf die Ideologie einzuschwören. Inwieweit dies auch für die Schule und insbesondere für den Geschichtsunterricht als staatlicher Veranstaltung zutraf, wird noch zu untersuchen sein.106

Doch lag natürlich der gedachte und der "Volksgemeinschaft" bereits verkündete Staat noch in weiter Ferne.107 Die Praktiker der Regierung Hitler schätzten die Lage wohl richtig ein, wenn sie wie der Reichsminister des Inneren Frick im Mai 1933 in seiner Rede vor den Kultusministern der Länder einen "Rückfall in die Fehler der Vergangenheit", also der Zeit vor der "nationalen Revolution", für möglich hielten. Getreu dem Motto: "Wem die Jugend gehört, dem gehört die Zukunft", sollte das Erziehungswesen bei der Implantierung nationalsozialistischen Denkens die zentrale Rolle spielen, eines Denkens, das sich immer auch in historischen Kategorien bewegte:

"In den letzten drei Monaten haben wir in einem in der deutschen Geschichte unerhörten Ausmaß und unerhörten Tempo die politische Macht im Reich erobert und gegen gewaltsame Umsturzversuche weitestgehend gesichert. Jetzt stehen wir vor der schwierigen Aufgabe, auf lange Sicht diese Macht auch innerlich derart zu festigen, daß in alle Zukunft ein Rückfall in die Fehler der Vergangenheit unmöglich wird. Dazu muß die Grundlage in der Erziehung unseres Volkes geschaffen werden. Ihre Aufgabe ist es, die Volksgenossen schon vom frühesten Lebensalter an zu erfüllen mit dem, was der Sinn unseres Volkstums und der ganzen Nation ist, daß die einmal gewonnene Erkenntnis in Fleisch und Blut übergeht und auf Generationen hinaus durch nichts mehr zerstört werden kann. [...] Der organische Staatsgedanke, dessen Sieg wir erreicht haben, verlangt gerade auf dem Gebiete der Erziehung einen klaren Blick, eine ruhige Hand und einen auf lange Dauer wirkenden stahlharten Willen."108

2. 8 Das nationalsozialistische Geschichtsbild als Grundlage für den Geschichtsunterricht

Im propagandistischen Geschichtsunterricht zeigte das neue Geschichtsbild Auswirkungen: Das heilsgeschichtlich-mythologische Muster bedeutete eine völlig neue Betrachtung der Geschichte und forderte andere Vermittlungsstrategien für den Geschichtsunterricht.109

Nun ging es nicht mehr um die Darstellung historischer Ereignisse, es ging um "Sinn"-Fragen.

Der Vorteil lag für Hitler auf der Hand. Die "überwältigende Fülle des Stoffes" ließ sich anhand der auf ein Ziel ausgerichteten Struktur auf das "Wesentliche" beschränken.110 Das bedeutete die selektive Darstellung der "großen Entwicklungslinien"111 hin zum sich in der Gegenwart formierenden Ideal, also zum nationalsozialistischen Staat.

Verstärkte Berücksichtigung verdiente daher, wie im folgenden zu zeigen sein wird, die Ur- und Frühgeschichte, in der das germanische Ideal in seiner bisher reinsten Form verwirklicht zu sein schien. Ferner galt es, historische Ereignisse zu finden, an denen sich die Dialektik aus "Reinrassigkeit" und "Rassenmischung" demonstrieren ließ.

Zugleich mußte die "neue Geschichtsbetrachtung" historische Vorgänge werten, und zwar nach dem Kriterium, inwiefern sie das deutsche Volk dem Ideal nähergebracht hatten.112

Schließlich hatte ein nationalsozialistischer Geschichtsunterricht den Werdegang der "Bewegung" zu würdigen, um in der Person Hitlers den revolutionären Erlöser des deutschen Volkes darzustellen.

Geschichte sollte also als nationalsozialistische Lehrmeisterin fungieren, als Begründungshorizont der Politik und als Orientierungsmaßstab für zukunftsorientiertes Handeln — der Ministerialrat Rudolf Benze drückte es so aus:

"Wer diese Grundsätze in sich aufgenommen und durch den Rückblick bestätigt gesehen hat, dem ist auch eine klare Leitlinie für sein Zukunftshandeln gegeben. Er kann nicht anders, als all seine Kraft um seiner selbst und vor allem seines Volkes willen daran setzen, daß das germanisch-deutsche Wesen von Fremdtum befreit und in Staat, Kultur und Wirtschaft möglichst rein gestaltet werde. Wer aber trotzdem anders handelt, der mißachtet die uns heute geschenkten wissenschaftlichen Erkenntnisse und sündigt wider die göttliche Aufgabe, die unserem Volk gegeben ist, und wider die in ihn gelegte Vernunft."113

Zunächst soll also im folgenden untersucht werden, wie die mythologische Geschichtsbetrachtung sich auf den thematischen Gehalt des Geschichtsunterrichts auswirkte.

Die Vorstellung eines Friedenszustandes jenseits
aller Kriege, dieser [sic!] Schäferidylle
der "Menschheit", kann nur Schafen einleuchtend sein.
Alfred Baeumler (1939)

3 Rückprojektion und Zukunftstraum — Geschichtsunterricht als Vermittlung mythologischer Geschichte und Vorbereitung auf den Krieg

3. 1 Inhaltliche Konsequenzen und administrative Maßnahmen

3. 1. 1 Die Etablierung des rassischen Geschichtsbildes

Eben jene Rückprojektion des nationalsozialistischen "rassischen" Ideals findet sich beispielhaft in den Richtlinien für die Geschichtslehrbücher, mit denen der Reichsminister des Inneren Frick gleich im Mai 1933 die Richtung für die neue, staatlich verordnete Geschichtsbetrachtung vorgab. Rechtzeitig zu Beginn des Schuljahres 1934/ 35 publiziert, gehören sie auch und vor allem zu den Versuchen, den "Rassengedanken" im Geschichtsunterricht zu integrieren. Die Unterrichtsminister der Länder wurden informiert, daß "der Geschichtsunterricht künftig unter Berücksichtigung der Gesichtspunkte dieser Richtlinien zu erteilen sei, obwohl die diesen Richtlinien entsprechenden Geschichtslehrbücher kaum vor Ostern 1935 vorliegen" würden.114

Vor dem Erscheinen der neuen Geschichtsbücher wurde in Publikationen und Erlassen immer wieder auf die Formulierungen dieser Richtlinien rekurriert.115 Sie waren für den Zeitraum von 1935 bis 1938, vor dem Erscheinen des Reichslehrplanes, eine der grundlegenden Schriften, die Geschichtslehrern Orientierung gaben und es ihnen ermöglichten, sich systemkonform zu verhalten.

Alle Grundsätze "rassisch"-völkischer Geschichtsschreibung sind in diesem Dokument nationalsozialistischen Denkens vereint: die Betonung der Bedeutung von Ur- und Frühgeschichte als "Ausgangspunkt für die geschichtliche Entwicklung unseres Erdteils", "Rasse" als Konstante der Geschichte, als "Urboden, aus dem die wurzelhafte Eigenart der Einzelpersönlichkeit sowie der Völker erwächst" und insbesondere die "nordische Rasse" als Eroberin, als kulturelle Befruchterin der Völker.116

Epoche Nordische Rasse/ Nationalismus Rassenvielfalt/ Internationalismus Entwicklung und ( Folgen
Urgeschichte: bestimmte Rassen (Neanderthal, Aurignac, Cromagnon) als Träger arteigener Kulturen      
Vorgeschichte (Nacheiszeit) Ausbreitung der nordischen und fälischen Rasse übrige europäische Rassen ( Kulturblüte (v.a. nordische (indogermanische) Sprache)
Nordafrika und Vorderasien nordische Einwanderungszeit seit dem 5. vorchristlichen Jahrtausend (nord. Inder, Meder, Perser und Hettiter [sic!]) Übermacht fremdrassigen Blutes  ( Untergang der Kulturen 
Antikes Griechenland  nordische Griechen als Herrenschicht (deswegen heute inniges Verhältnis zur griechischen Kunst)  einheimische Bevölkerung und vorderasiatische Sklaven Einführung der Demokratie; Rassenmischung; Kinderarmut (Untergang der griechischen Kultur 
Antikes Italien  Patrizier Plebejer übergroße Mehrheit der Gesamtbevölkerung Italiens Nachkommen orientalischer Sklaven  ( Rassenkampf
- Widerstand gegen die Gewährung der Ehegemeinschaft an die Plebejer
- nordischer Bestandteil der Römer durch Kriege aufgerieben
- Stoische Welthaltung der Römer
( Entnordung des europäischen Südens 
Germanische Völkerwanderung  führt römischem Weltreich in seinem Rassenmischmasch frisches nordisches Blut zu (Norditalien, Spanien, Frankreich, England)
Bildung einer germanischen Oberschicht 
Süditalien, Balkan   
Mittelalter  Wiedergewinnung der ostelbischen Gebiete bis zur Weichsel (alter germanischer Volksboden)  Slaven  ( Kulturblüte des Mittelalters (europäisches Rittertum) 
Neuere Geschichte  Besinnung auf das Arteigene, Betonung der Blutsbande mit den Volksgenossen i. d. Grenzgebieten und im Ausland Entwicklung zum völkischen Staat  verstärkt internationale Einflüsse  ( beklagenswerte Überfremdung deutschen Blutes, Rechts, deutscher Rechtsauffassung und Sprache 
Weltkrieg:  deutschesVolk  Welt von Feinden   
Die letzten beiden Jahrzehnte    vaterlandsfeindliche Kräfte Versailler Diktat  ( Entwürdigung des deutschen Volkes; 
  Beginnendes Erwachen der Nation im Ruhrkampf    ( Zusammenbruch der liberalistisch- marxistischen Weltanschauung 
  Durchbruch des nationalsozialistischen Freiheitsgedankens    ( Wiederherstellung der deutschen Volksgemeinschaft (Tag von Potsdam) 

Abbildung 4: Richtlinien des Reichsministers des Innern Frick für die Geschichtslehrbücher (schematische Darstellung; Textzitate aus dem Original)

Eine schematische Darstellung des skizzierten geschichtlichen Ablaufs verdeutlicht das bereits dargestellte dialektische Muster: Die positive Konstante der "nordischen Rasse" überdauert die Auseinandersetzung mit anderen, minderwertigen Rassen über Jahrtausende hinweg. Expandiert der "nordische" Anteil der europäischen Bevölkerung, vor allem durch Wanderungsbewegungen, kommt es in den betroffenen Gebieten zu "Kulturblüten". Siegt hingegen das "Rassenchaos", ist zusammen mit dem "nordischen Rasseanteil" auch alle Kultur dem Untergang geweiht, bis sich durch Eroberung wieder eine "nordische" Oberschicht etabliert und die Degression in kulturelle Progression umwandelt. Zu größeren Auseinandersetzungen verschiedener Rassen kommt es zum ersten Mal bei der "Ausbreitung der nordischen und fälischen Rasse" in der Nacheiszeit. Die "nordische" Expansion ist also demnach der Ausgangspunkt der Geschichte schlechthin.

Um dieses dialektische Schema auch auf die klassische Antike anwenden zu können, wurden die Griechen kurzerhand zur "nordischen Herrenschicht" erklärt. Als Nachfahren der in der "nordischen Einwanderungszeit" in die Ägäis geströmten Nordeuropäer sind sie den Germanen also verwandt. Hierzu wurde der tatsächliche Ursprung der Wanderungsbewegungen einfach aus dem Donauraum nach Nordwesten verlagert. Ein wichtiges Indiz für diese Verwandtschaft sehen die Autoren der Richtlinien in dem heutigen "innigen Verhältnis" der Deutschen zur "griechischen Kunst".117

Doch mußte man noch weiter gehen. Der bisherige Grundsatz der Kulturgeschichte, ex oriente lux, der besagte, daß kulturelle Innovationen in der Regel aus dem Orient nach Mitteleuropa diffundierten, wurde umgekehrt, der Ursprung der Bronzezeit etwa in Anlehnung an Gustaf Kossinna nach Deutschland verlegt.118

"So hat die Vorgeschichte die umwälzende Erkenntnis geschaffen, daß nicht irgendwelche Südländer, sondern daß die nordische Menschenrasse die Schöpferin und Trägerin der menschlichen Hochkultur ist und deshalb seit Anbeginn an der Spitze der Menschheit marschiert. Diese Erkenntnis bedeutet für das völkische Selbstbewußtsein der Deutschen einen unschätzbaren Gewinn."119

Nach der "Kulturblüte" der "Vorgeschichte" ist in den Richtlinien eine weitere erst wieder zur Zeit des Mittelalters definiert. Sie resultiert aus der "Germanischen Völkerwanderung", während derer weite Teile Europas in den Genuß einer "nordischen Blutzufuhr" kommen. Das erwähnte Indiz ist hier das "europäische Rittertum", wobei dessen Ursprung aus dem romanischen Frankreich geflissentlich übergangen wurde.120

Die Richtlinien gaben nicht detailliert Auskunft über den zu behandelnden Stoff, sie blieben im Detail bewußt ungenau, wiesen "auf Gesichtspunkte hin, die bisher nicht genügend oder gar nicht beachtet worden [... waren] und daher [sic!] künftig stärker zur Geltung kommen müssen."121 Der Kausalschluß ist bezeichnend: Alles sollte nun anders, besser gemacht werden als unter dem Regime der "Novemberverbrecher"122.

Besonders auffallend ist, daß ganze Epochen der deutschen Geschichte in den Richtlinien überhaupt nicht oder nur am Rande vertreten sind. Vor allem die "neuere Geschichte" ist davon betroffen: Die Reformation und ihre Auswirkungen werden mit keinem Wort erwähnt.123

Die Richtlinien waren ein administrativer Schnellschuß. Das lag vor allem an dem Anspruch des Reichsministers Frick, möglichst schnell die Schule in den totalitären Umbau des Staates mit einzubeziehen. Das Ziel, innerhalb von zwei Jahren neue Geschichtslehrbücher auszuarbeiten, war hoch gesteckt. Daß es zu Verzögerungen kam, hat verschiedene Gründe. Zum einen gab es ökonomische Faktoren, die gegen eine sofortige Umstellung oder eine kurzfristige Einführung neuer Lehrwerke sprachen. Die Schulbuchverlage hatten beträchtliche Restauflagen auf Lager, und die schnelle Umstellung auf völlig neue Lehrwerke hätte in vielen Fällen ruinös gewirkt.

Doch sollte man die wirtschaftlichen Motive der Verlage nicht zu hoch bewerten, die konzeptionellen Schwierigkeiten überwogen. Schließlich hatte man die nationalsozialistische Geschichtslehre noch nicht formuliert, sie war noch fragmentarisches Konglomerat, ebenso wie die Richtlinien.

In diesen fehlten noch Namen und Ereignisse, die das rassistische Lehrgerüst erst zu einem Gebäude machen konnten. Die Entwicklung und Ausformulierung einer schlüssigen "rassischen" Geschichte, die über das hinausging, was selektiv arbeitende Rassenanthropologen zusammengestellt hatten, erwies sich als schwierig. Man mußte im Laufe der Arbeit an den neuen Geschichtsbüchern erkennen, wie uneinheitlich und widersprüchlich das nationalsozialistische Geschichtsbild war. Und diese "Meinungsverschiedenheiten waren [...] grundsätzlicher, ideologisch-struktureller Natur, ergaben sich aus der Vieldeutigkeit der NS-Ideologie selbst."124 Neben den inhaltlichen Problemen ergaben sich auch konzeptionelle. Die neuen Lehrbücher sollten den Anforderungen nationalsozialistischer Didaktik entsprechen. Sie sollten völlig neu gestaltet werden, mit modifizierter Darstellung.125 Vor allem von daher läßt sich die Verzögerung der ersten Lieferungen neuer Schulbücher bis 1939/ 40 erklären.

Zum Phänomen der administrativen Überbrückungsmaßnahmen gehört der Erlaß des frisch gegründeten Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 15. Januar 1935 über Vererbungslehre im Unterricht. Die Anweisungen bezogen sich auf alle Fächer, relativ ausführlich auch auf den Geschichtsunterricht. Inhaltlich bietet dieses Dokument nahezu keine Konkretisierung des historischen Stoffes. Es läßt sich jedoch eine verbale Radikalisierung in der ideologischen Ausrichtung feststellen:

"Jede Vermischung mit wesensfremden Rassen (leiblich oder geistig-seelisch) bedeutet für jedes Volk Verrat an der eigenen Aufgabe und damit am Ende Untergang. [...] In der germanischen Frühgeschichte liegen auch die einzigen Wurzeln unseres Wesens und unserer politischen und kulturlichen Entwicklung. Was von anderen Rassen und Völkern dabei übernommen ist, konnte und kann nur dann aufbauend sein, wenn es aus rasseverwandtem Wesen stammt. Wo das nicht der Fall ist, muß es als nutzloser oder zersetzender Fremdstoff angesprochen werden."

Solche Sprachregelungen dienten zweifellos der Vorbereitung auf das dann im September 1935 auf dem Nürnberger "Reichsparteitag der Freiheit" verkündete Gesetz zum Schutze deutschen Blutes und der deutschen Ehre und das neue Staatsbürgergesetz.126

Die Zielgerichtetheit der geschichtlichen Darstellung auf die Gegenwart sowie die in die Zukunft gerichtete Aufgabe des Geschichtsunterrichts wurden im Erlaß vom Januar 1935 noch stärker betont als in den Richtlinien: "Nur so kann der Geschichtsunterricht an der Zukunft unseres Volkes mitbauen."

Und auch die heilsgeschichtlich-extraordinäre Bedeutung der "nationalsozialistischen Erneuerung" sollte, "rassentheoretisch" fundiert, stärker berücksichtigt werden:

"Bei dieser lebensgesetzlichen Art der Geschichtsbetrachtung erweist sich aber auch die ungeheure, weit über unser Volk hinausreichende kulturliche Bedeutung der ns. Erneuerung unserer Tage. Denn sie ist der erste große und vielleicht der letztmögliche Versuch, die nordrassische Kultur Europas vor dem Verderb durch Fremdtum zu bewahren und sie zu erneuern."127

Bis zur Fertigstellung der neuen Lehrbücher war man als Geschichtslehrer auf diverse Hilfsmittel angewiesen. Eine Vielzahl von Broschüren und Lehrerliteratur zur "rassischen" Geschichtsschreibung und zur "deutschen Frühgeschichte" wurde in den Jahren bis 1938 auf den Buchmarkt geworfen, da ja die bisherigen Schulbücher eben diese Themen nicht berücksichtigten.

Hier sind beispielhaft die von Rudolf Benze herausgegebenen Schriften zu nennen, dem Ministerialrat im Preußischen Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, der sich besonders der "Rassenthematik" widmete.128

In dem Buch Rassische Erziehung als Unterrichtsgrundsatz der Fachgebiete von 1937 schrieb Gustav Hoffmann unter der Überschrift "Frühgeschichte":

"In diesem Zeitabschnitt erklingt das Arbeitslied des germanischen Bauern und Helden besonders eindringlich. Germanisches Volk wandert aus seinem nordischen Heimatgebiet und erringt den deutschen Lebensraum [sic!]; es führt einen schweren Kampf gegen artfremdes Händlerdenken, aus dem es erfolgreich hervorgeht, weil es rassisch reiner, wertvoller ist und vermag durch sein gesundes Menschentum in der "Völkerwanderungszeit" in Bezirken niedergehender Kultur eine neue Volkstumsblüte hervorzurufen."129

Mit der Historisierung des nationalsozialistischen Zukunftstraums vom reinrassigen Herrenvolk in Europa ließ sich aber auch darstellen, an welchen Faktoren der jeweilige aponierte Versuch, einen idealen Staat herzustellen, angeblich gescheitert war.

An den ursprünglich indogermanischen Römern wird dies exemplarisch vorexerziert:

"Die alten Römer waren ein indogermanisches Bauernvolk voll Sittenreinheit und heldischen Lebensgefühls. Sie fühlten sich als Teil des Volksganzen und handelten opferbereit danach. Ihr Wahlspruch hieß: 'Süß und ehrenvoll ist es, für das Vaterland zu sterben.' [...] Durch Verstädterung, Vernichtung des freien Bauerntums und Rassenvermischung erfolgte ein immer schlimmer werdender Verfall. Schon das Ehegesetz brachte die Verschmelzung von Patriziern und Plebejern, die licinischen Gesetze vermehrten die Rassenmischung. Immer mehr Fremdrassige drangen ins Römerreich und erlangten Bedeutung: Afrikaner, Thraker, Dalmatiner, Syrer, Juden. [...] Vorderasien und Nordafrika siegten über die Westkultur Roms."130

Die zunächst erfolgte Niederlage der "reinrassigen" Germanen gegen dieses Völkergemisch bringt den Autor des Artikels durchaus nicht in Verlegenheit. Er erklärt sie mit der vom heimtückischen Feind gesäten Uneinigkeit zwischen den germanischen Fürsten: "Immer wieder gelingt es dem listigen Römer, Germanen gegeneinander aufzuhetzen. Opfer sind Hermann, Marbod und zahllose Helden."131

Einen weiteren Grund für die Verhinderung eines germanischen Staatswesens während der Antike bietet Wilhelm Erbt im selben Band durch eine interessante Interpretation der germanischen Beuterazzien nach Rom und der Wanderungen verschiedener Völker in römisch kontrolliertes Gebiet während der Völkerwanderungszeit. Diese sieht er als planmäßigen siedlungskolonialen "nordischen Ausgriff" der Germanen in den Mittelmeerraum. Der Preis dafür war angeblich "die Aufgabe des Landes jenseits der Oder: die Ostgermanen verließen bis auf einige Reste den Boden, den sie jahrhundertelang besessen," und "tauchten in dem Völkerchaos unter, das die Mittelmeerwelt beherrschte."132

Was hier beiläufig erwähnt wird, ist für die rassenhistorische Theorie konstitutiv: "einige Reste" germanischer Bevölkerung mußten immer in den angestammten Siedlungsräumen zurückbleiben, einerseits, um die scheinbare germanische Siedlungskontinuität zu wahren und so den revisionistischen Impetus der zukünftigen nationalsozialistischen "Lebensraum-im-Osten"-Politik zu legitimieren. Andererseits aber und vor allem, um die Dialektik aus Rassenreinheit und -mischung aufrechtzuerhalten.133 Denn nur wenn auf "deutschem Boden" "nordische" Stämme zurückblieben, konnten sie, nach Bevölkerungsexpansion, durch einen späteren siedlungskolonialen Ausgriff dem übrigen Europa "frisches nordisches Blut" zuführen.

Hier verbindet sich das rassisch-mythologische Geschichtsdenken mit dem territorialen Kolonialgedanken nationalsozialistischen Großmachtstrebens: Es ist die Verbindung von Rasse und Siedlungsgebiet, von "Blut und Boden".

"3. 1. 2 Blut und Boden" und "Lebensraum im Osten" — Rückprojektion der Zukunftspläne in die Geschichte

An keinem im Geschichtsunterricht zu behandelnden Thema wird wohl die Rückprojektion nationalsozialistischer Zukunftsträume so deutlich wie am "Lebensraum-Gedanken".

Der Befund, daß die Deutschen ein "Volk ohne Raum" 134 seien, das sich um "Lebensraum" bemühen müsse, wurde in den Geschichtsbüchern immer wieder thematisiert.135 Ein Textausschnitt aus dem Geschichtsbuch für die deutsche Jugend des ersten Jahrgangs der höheren Schule soll dies illustrieren. Der Sachsenherzog Heinrich der Löwe trifft in seinem Herzogtum auf einen an Karl Mays Wildwestromantik erinnernden bäuerlichen Siedlertrek, der aus Flandern gen Osten zieht, um frisch von den Slawen erobertes Neuland zu bestellen:

"Heil Herzog Heinrich! klang der Ruf der Bauern, als sie ihn erkannten. Der Herzog schüttelte den Männern die Hand, die sich um ihn drängten. Zumeist waren es junge Leute, die er da auf der Fahrt in die neue Heimat getroffen hatte, welche er ihnen schaffen wollte. "Wo kommt ihr her?" "Aus Flandern." "Habt ihr schon die Anweisung auf die neue Dorfstelle, ist das Ackerland schon zugeteilt?" Der Führer des Zuges nickte leuchtenden Auges und wies eine siegelbeschwerte Urkunde vor. "Hier wird das Land nicht so karg zugemessen wie daheim, wo kein Raum mehr ist für Menschen", rief er froh. "Habt ihr auch keine Angst vor den Slawen?" fragte Heinrich. Die Bauern lachten und schlugen ans Schwert. Befriedigt ließ der Herzog den Zug an sich vorüberfahren."

So stellten sich die Nationalsozialisten den Vorgang der Ostbesiedelung vor: perfekt organisiertes, rechtlich verbrieftes und von den Führern direkt überwachtes Vordringen in "'junges Land, neues Land'"136. Allerdings mußte der fahrende Wehrbauer vorher sein Recht auf Boden gegen die einheimische Bevölkerung durchsetzen.

Die durch die Art der Schilderung evozierte Westernatmosphäre wurde mit großer Sicherheit ganz bewußt eingesetzt, um die lesenden Kinder, in der Regel Zehnjährige, noch mehr für die deutsche Ostpolitik begeistern zu können. Das Hohe Mittelalter diente nur als Kulisse, seine Zeitgenossen nur als Schauspieler in einer rückprojizierten Darstellung nationalsozialistischer Planungen.137 Ebenso verfuhr man mit der Geschichte der "großgermanischen Zeit:

"Die Germanen zeigten sich als das bodenständigste aller Indogermanenvölker: sie allein blieben während der urgermanischen Zeit (2000-800) der alten Völkerheimat treu. Aber in großgermanischer Zeit (800 v. bis 1000 n. Zr.138) griffen gerade sie in fernste Fernen aus."139

Setzte man, wie dies die Schulbuchautoren taten, Germanen und Deutsche gleich, so ergab sich der logische Schluß von selbst, denn das "Germanengebiet umfaßte zur Zeitwende den größten Teil des heutigen Deutschlands, ja, es griff bereits über die heutigen Reichsgrenzen hinaus."140 Das "bereits" implizierte das Ziel der nationalsozialistischen Politik: die Wiedergewinnung der alten germanischen "Völkerheimat" in der großzügigsten Interpretation, also mindestens vom Niederrhein bis über die Weichsel.141

In der Realität widersprechen sich Bauerntum und Kriegsdienst.142 Daher konstruierten die nationalsozialistischen Schulbuchschreiber wiederum ein germanisches Protoideal:

Bodenständigkeit und Expansion wurden als "arteigene"143 Charakterzüge der Germanen und also auch der Deutschen, definiert. Zu einer zeitgenössischen Idealpolitik verbanden sich diese beiden Komponenten im "Kampf um Lebensraum", im militärisch-siedlungskolonialen Ausgriff in die "alte Völkerheimat" im Osten. Vor allem aber sollten die im Ausland verbliebenen und unterdrückten Deutschen zu ihrem Recht auf Eingemeindung in das Deutsche Reich kommen, und so ein Staat geschaffen werden, in dem deutsches "Blut" auf einem zusammenhängenden Gebiet vereint sein würde. Den Schülern der Abschlußklassen wurde die nationalsozialistische Ostpolitik im Geschichtsbuch für die deutsche Jugend aus dem Jahre 1941, also auf dem Höhepunkt der nationalsozialistischen Ostexpansion, folgendermaßen erklärt:

"Zum deutschen Volk gehören also die Binnendeutschen und die Auslandsdeutschen. Beide sind gleichberechtigte und gleichverpflichtete Mitarbeiter am Deutschtum schlechthin, wenn sie auch verschiedene Aufgaben zu erfüllen haben. Die Kernnation hat innerhalb der Reichsgrenzen den starken Staat als Zentralfeste des Deutschtums zu errichten. Das Reich wacht über dem Schicksal aller Volksdeutschen; aus ihm strömt ihnen Kraft und Selbstbewußtsein zu. Den Reichsdeutschen, als den völkisch Gesicherten kommt unter anderem die Pflicht des volksdeutschen Opfers für die gefährdeten Deutschen jenseits der Reichsgrenzen zu."144

Für diese Definitionen wurde keine Begründung gegeben, der höchste Wert des "Deutschtums" war eine Tatsache, die nicht hinterfragt wurde. Jeder Einwand, beziehungsweise jede Frage nach der Rechtfertigung einer "volksdeutschen" Integration konnte ja mit dem Hinweis auf die "Sendung" des deutschen Volkes unter seinem "Führer", Adolf Hitler, und dessen Befehle beantwortet werden.

Die Heimholung der Auslandsdeutschen ins Reich bedurfte der Heimsuchung der Staaten, in denen sie lebten, und deren "Zerschlagung". Damit beging Deutschland aber 'völkerrechtlich' kein Verbrechen, denn das Völkerrecht wurde natürlich nationalsozialistisch uminterpretiert: "Das deutsche Volk kämpft mit diesen Gedanken nicht nur für seine eigenen Rechte, sondern für eine gerechte Lebensordnung aller Völker."145 Und diese "Lebensordnung" hatte sich nach dem völkischen Kriterium der rassischen Qualität zu richten.

Daß dies von den Schulbuchautoren tatsächlich so gemeint war, wird deutlich, wenn die "Erfolge" der Hitlerschen "Ostpolitik 1933-1940", also die beginnende Versklavung der slawischen Bevölkerung in den eroberten Staaten, als den "Lebensnotwendigkeiten" dieser Menschen entsprechend dargestellt wurde: "So ist ganz Ostmitteleuropa auf dem Weg zu einer neuen Ordnung, in der die wahren Lebensnotwendigkeiten seiner Völker zu ihrem Rechte kommen werden."146

Den Völkern Mittelosteuropas, insbesondere Tschechen und Polen, wurde jedwede kulturelle Innovationsfähigkeit schlichtweg abgesprochen. Bevor die ideologisch konformen Schulbücher zur Verfügung standen, mußten die vorhandenen entsprechend präpariert werden, damit keine allzu großen Differenzen zu der veröffentlichten Meinung in den gleichgeschalteten Medien bestehen blieben. Deshalb konnte es auch nicht angehen, daß die Erkenntnisse von Sprachforschern, die besagten, daß viele der ober- und mittelfränkischen Ortsnamen slawischen Ursprungs waren, weiterhin in den Schulen verbreitet wurden:

"Das Lehrbuch Vogel-Heim, Lehrbuch der Geschichte 2. Band, Mittelalter, 1. Aufl., Verlag C. C. Buchner, Bamberg 1935 enthält auf S. 63 Anmerkung 3 den Satz: 'An die Slaven und Wenden erinnern die Ortsnamen zusammengesetzt mit Windisch-, Wind- und winden; ebenso wie auf -itz,

-in und -ow (und wahrscheinlich auch die Flußnamen auf -nitz)'.

Hier ist nach Min.-Entschl. vom 29. 12. 1936 Nr. VIII 60058 zu verfahren."147

Diese nicht veröffentlichte Ministerialentschließung besagte, daß die betreffenden Stellen in den Schulbüchern zu schwärzen beziehungsweise zu überkleben waren.

Ähnliches galt für Schulatlanten und Wandkarten:

"Betreff: Schulwandkarten über die Bevölkerung Europas

Folgende Karten sind im Schulunterricht nicht mehr zu verwenden:

1. Karte Nr. 7 "Die Völker Mitteleuropas" des Physikalischen Bandatlas Verlag J. Perthes in Gotha

2. Die in der gleichen Reihe erschienene Karte "Die Völker Europas"

3. Die von Professor Arthur Haberlandt im Masstab 1: 3 000 000 herausgegebene Karte "Die Völker Europas nach Sprache und Volksdichte, Verlag von G. Freytag und Bernd AG, Wien 1927.

Gegenwärtiges Schreiben ist unter Verschluß zu verwahren, von einer Veröffentlichung ist abzusehen."148

Als dieser Brief an die Direktorate der höheren Schulen abgeschickt wurde, war nicht nur Österreich bereits an das Deutsche Reich angegliedert, Hitler bereitete auch die Zerschlagung der Tschechoslowakei vor. Die auf diesen Karten vermutlich der Realität entsprechenden Bevölkerungszahlen dürften der offiziellen Statistik kaum entsprochen haben.

Die beabsichtigte Versklavung der osteuropäischen Bevölkerung unter das deutsche "Herrenvolk" fand ebenfalls ihr Vorbild in der protoidealen Gesellschaft der "ur-" und "großgermanischen Zeit". Diese war ganz den Bedürfnissen der expansiven Kriegführung angepaßt und ähnelt frappant dem propagierten Gesellschaftsaufbau des nationalsozialistischen Staates.

Auf der untersten Ebene der konstruierten germanischen Gesellschaft stand der Sklave. Seine historische Existenz zuzugeben, war angesichts der Massen von Kriegsgefangenen und ihrem im Alltagsleben für die Deutschen offensichtlichen Sklavendienst notwendig. Allerdings wurde die Sklaverei im historischen Rückblick konsequent marginalisiert und verharmlost:

"In den bäuerlichen Wirtschaften war für Sklaven kaum Verwendung. Die wenigen, die man hatte, waren Kriegsgefangene; [...] Der Sklave, der "Schalk", war rechtlos, und man traute ihm Zaghaftigkeit und knechtische Gesinnung zu; denn 'edler Sinn wächst nur in der Freiheit'. Aber der Germane achtete in ihm den Menschen und ließ ihn an seinem Tische essen.

Unbedingt wurde darauf geachtet, daß sich nicht das Blut der Sklaven und der Freien untereinander mischte. Der Germane hat deutlich gewußt, daß edle Rasse gepflegt und rein gehalten werden will."149

Daß die im Kampfe Unterlegenen automatisch auch "rassisch minderwertig" sein mußten, ist die logische Konsequenz aus dem "lebensrechtlichen Prinzip", der nationalsozialistischen Variante des Sozialdarwinismus. Die aufgrund ihrer politischen Überzeugungen oder aus sonstigen Gründen entrechteten Menschen im zeitgenössischen Deutschland fanden in der Geschichte durch ein entsprechendes Vorbild keinen Platz.

An der Spitze der Gesellschaft standen nach der Darstellung des Geschichtsbuchs für die deutsche Jugend die "Edelinge, oder Adelbauern", die sich durch Besitz und ausgeprägten Ahnenkult auszeichneten. "Aus ihnen wählte das Volk seine Führer". Diese organisierten mit den Heranwachsenden "Kriegsfahrten" und Beutezüge, um die Jugend des Landes auf ihr zukünftiges Leben vorzubereiten. Dadurch entstand "eine militärische Kerntruppe [...], die dem gesamten Volksaufgebot als tragendes Gerüst dienen konnte." Der erdachte germanisch-deutsche Urstaat war also eine Militäroligarchie unter der Leitung einer besitzenden und gewählten Führungsschicht. Die normale Bevölkerung empfand das allerdings als gerecht, da die Herrschaft der Wenigen auf einem spezifisch germanischen Geben und Nehmen basierte: "Jeder Gemeinfreie, wachte mit seinem Ehrgefühl darüber, dem Adel gegenüber nicht irgendwie abhängig oder unterwürfig zu erscheinen; erhielt er ein Geschenk, so gab er ein mindestens gleichwertiges wieder. Der Schichtung des Volkes fehlte jede Schärfe."150

Die Perfidie dieser Propaganda ist kaum zu überbieten. Unterschwellig wurde den Jugendlichen ein Bild der Vergangenheit präsentiert, das nicht nur in keiner Weise beweisbar war, sondern ganz bewußt kontrafaktische nationalsozialistische Ideologeme beinhaltete. Der linientreue Lehrer konnte jederzeit ausrufen: "Und im Staate Adolf Hitlers ist es genauso!" Legitimierten sich die nationalsozialistischen Politiker nicht auch durch einen (politischen) 'Ahnenkult' und wurde die Hitler-Diktatur nicht auch als eine Gesellschaft verkauft, die frei von Klassengegensätzen war, in der jeder durch Arbeit aufsteigen konnte?

Die erwähnte Wahrung des "Ehrgefühl[s]" des "Gemeinfreien" gegenüber den "Edelingen" verdient aber besondere Aufmerksamkeit. Hier konnte der Lehrer argumentieren, daß die "Geschenke" Hitlers an sein Volk, also die Durchsetzung des nationalistischen Machtstaatsgedankens, eine gleichwertige Gegenleistung der Bevölkerung nach der Art des germanischen do ut des forderten. Wie diese Gegenleistung im Sinne des "Ehrgefühls" aussah, erfuhr der Schüler einige Seiten weiter:

"Der Germane liebt das Leben und hängt am Leben: "Blind ist besser, als verbrannt zu sein; nichts taugt mehr, wer tot." Aber bedenkenlos wirft er das Leben hin, wenn es die Ehre fordert. Tapferes Sterben ist selbstverständliche Pflicht des Mannes. Schon die Andeutung, man habe angesichts des Todes in einem weichlichen Ton gesprochen, ist ein unerträglicher Vorwurf. Höchster Ehrgeiz des Mannes ist, im Liede des Sängers weiterzuleben: 'Wenn wir dann sterben sollen, so vollbringen wir doch etwas, das lange im Gedächtnis bleibt.'"151

Kriegsdienst als Gegenleistung für Kriegspolitik. Das nationalsozialistische Geschichtsbild als Rückprojektion und Vorbereitung auf den Krieg. Es wird nun deutlich, was damit konkret gemeint ist.

Die mangelnde Faktizität der teilweise romanhaften Schilderungen im Schulbuch übergingen die Autoren mit dem modifizierten Wahrheitsbegriff nach Rosenbergschem Muster. Rassentheoretisch hergeleitete historische "Tatsachen" blieben auch dann solche, wenn die Quellengrundlage ganz offensichtlich fehlte. Zitat Ulrich Haacke: "Wir können diese Tatsachen aus den wenigen erhaltenen Überresten nur erahnend erschließen."152

3. 1. 3 "Führer befiehl, wir folgen!" — Führerkult und "soldatischer Geist"

Der wohl einflußreichste 'Geschichtsdidaktiker' des Nationalsozialismus, Dietrich Klagges, gab seinen Lesern eine auf ihre Art typische Begründung für die Notwendigkeit eines "Führers":

"Zwar wird dieser echte Volkswille von dem gesamten Volkskörper in all seinen Schichten getragen, aber es bedarf doch eines besonderen Organs, in dem er sich seiner selbst bewußt werden, durch das er sich durchsetzen und verwirklichen kann. Darum braucht das Volk einen Führer, der ihm zu seinem eigenen Besten befiehlt, genau so wie eine Körper ein Haupt haben muß, ohne dessen Leitung und Befehle er ohnmächtig wäre. [...]

Ein Volk, das keinen Führer anerkennen und keine Gefolgschaft leisten will, kann im harten Lebenskampf der Nationen niemals auf die Dauer bestehen."153

Man möchte es nach dem Bisherigen schon fast 'natürlich' nennen, daß Klagges das Führertum Hitlers aus dem "organischen Staatsgedanken" herleitet. Es kann auch nicht verwundern, daß sozialdarwinistische Argumente in die Legitimation mit einfließen.

Autokratische Strömungen hatten in der deutschen Bevölkerung der Weimarer Zeit großen Rückhalt. Die Zeiten, da ein Kaiser das Reich regiert hatte, waren noch nicht lange vorüber. Ein zersplittertes, uneinheitliches, zerstrittenes Deutschland (so die Perzeption der Demokratie in jener Zeit) wurde im Kampf der Mächte offensichtlich nicht ernst genommen, seine Feinde hatten mit ihm leichtes Spiel. Von den Nationalsozialisten wurde die Herstellung der politischen und weltanschaulichen Einheit des deutschen Volkes unter der Führung eines Mannes als conditio sine qua non für erfolgreiches politisches Handeln nach außen dargestellt. Ein Führer, so war die Vorstellung in breiten Kreisen der deutschen Gesellschaft schon während der Zeit der Weimarer Republik, mußte die "Volksseele bündeln" 154. Dann konnte man Stärke zeigen und vielleicht die Revision des Versailler Vertrages bei den eingeschüchterten Gegnern durchsetzen.

Treitschkes Diktum "Männer machen Geschichte" prägte schon die Historiographie des Kaiserreichs und der Weimarer Republik, war also alles andere als zeituntypisch.155

Allerdings erfuhr die starke Betonung des persönlichen Elements in der politischen Geschichte im "Dritten Reich" nun weiteren Auftrieb. Das hat auch etwas mit dem Rechtfertigungsbedarf der Nationalsozialisten zu tun. Die behauptete Notwendigkeit, das gesamte Staatswesen zur Diktatur umzuorganisieren, schien durch historische Vorgänge gerechtfertigt, da unter herausragenden Führern das deutsche Volk augenscheinlich am mächtigsten gewesen war. 156

Die Ursprünge des "Führergedankens" bis in die germanische Zeit zurückzuverlegen, war demnach nur konsequent, um ihn als ein im "Rassestrom" durch alle folgenden Epochen fortgepflanztes, genuin "nordisches" Prinzip erscheinen zu lassen. Germanischer Kulturexport im Sinne völkischer Geschichtsschreibung basierte ja auf kriegerischer Fähigkeit, auf der Unterwerfung anderer Völker, denen auf diesem Weg nordische Kultur beschert und "frisches Blut" zugeführt wurde. Zu diesem Vorgang bedurfte es aber der militärischen Organisation und Planung, also der Führung.

Doch war Führertum im nationalsozialistischen Sinne mehr: Die Idealisierung und Mythologisierung des "Führers" hatten, wie bereits dargelegt, messianischen Charakter.157 Mit Hitler erschien der Gesandte einer geschichtlichen Schicksalsmacht, sein Machtantritt läutete eine teleologische Zeitenwende und damit den Untergang des politischen "'Systems'" von Weimar ein:

"Aber es bedurfte einer Führerpersönlichkeit von überragender Größe, leidenschaftlichster Vaterlandsliebe und übermenschlicher Kraft [, sic!] um eine wirklich erfolgreiche Waffe für den Kampf gegen das 'System' zu schmieden.

Diesen Mann hat die göttliche Vorsehung der deutschen Nation in Adolf Hitler geschenkt."158

So beschrieb der Oberstudienrat Max Stoll in dem 1933 vom bayerischen Kultusminister Schemm verordneten Heftchen Aufbruch der deutschen Nation den "Führer", um dann einige Seiten weiter über den Grund des Erfolges der "Bewegung" Hitlers zu räsonieren: "Trotz der furchtbaren Verfolgungen ist die Freiheitsbewegung dauernd erstarkt. Die gottgewollte Bewegung mußte sich gegen Menschenwerk durchsetzen."159

Die NSDAP also als eine von Gott direkt protegierte Glaubensgruppierung, die sich nach urchristlichem Muster gegen die weltliche Herrschaft, das "Menschenwerk", durchsetzte.

War der Nationalsozialismus ein auf seinen Führer ausgerichtetes System, so war das nationalsozialistische Geschichtsbild eine Ahnengalerie "großer deutscher Männer", von Arminius dem Cherusker über Karl den Großen und Luther bis Hitler.

Im Geschichtsunterricht sollten die "großen Deutschen" Identifikation ermöglichen und so den Einstieg in historisches Denken vereinfachen. Konsequenterweise bestand der Geschichtsunterricht des ersten Jahrganges an den höheren Schulen ab 1938 ausschließlich aus der Behandlung historischer Persönlichkeiten: "Das Jahr der deutschen Führer und Meister"160.

Von der Jetztzeit ausgehend, Hitler stand natürlich am Anfang, ging es in einem historischen Parforceritt bis in die "großgermanische Zeit" zu "Armin"161. Auffallend ist zum Beispiel im Geschichtsbuch für die deutsche Jugend, daß hier ausschließlich Krieger dargestellt wurden. Das Diktum "Führer und Meister" von Dietrich Klagges war 1941 bei Erscheinen des Bandes schon überholt. Im Krieg konnte es nur noch kämpfende Führer geben.

Das Bild, das dabei von den historischen Figuren vermittelt wurde, war äußerst klischeehaft.

Alle waren Helden: edel, gesetzestreu, stark, stolz, tatkräftig und hilfsbereit.

An den im letzten Kapitel zitierten Textabschnitt aus diesem Band, in dem Heinrich der Löwe die Siedler begrüßt, soll hier angeknüpft werden, denn er zeigt auch dies exemplarisch. Das folgende Zitat schließt direkt an das Defilee des Treks am Herzog an:

"Da glitt ein Wagen ab, das eine Rad versank in einem Sumpfloch am Straßenrand. Der Herzog sprang vom Roß und packte mit seinen Riesenkräften zusammen mit den Bauern in die Speichen, daß der Wagen bald wieder flott wurde. "Das ist ein Herr", sagten die Männer beim Weiterfahren. Als Heinrich die nächste Hügelkuppe erreicht hatte, erblickte er in der Ferne einen zweiten Wagenzug, der wie der erste in das Ostland hineinfuhr. Da lachte sein Herz: "Junges Land, neues Land", dachte er, "wie wird es aufblühen!"162

Die nationalsozialistische Wertschätzung Heinrichs des Löwen war natürlich seiner Ostpolitik zu verdanken. Doch auch sein König und Kaiser, "Friedrich Rotbart", war in der biographischen Skizze des Bandes relativ positiv gezeichnet, obwohl er doch 5 Italienzüge absolviert und darüber das Reich "vernachlässigt" hatte. Hier verfielen die Autoren nicht der Versuchung, Ost- und Italienpolitiker gegeneinander auszuspielen.163 Zum Abschluß der Biographie Heinrichs des Löwen heißt es entsprechend kindgerecht:

"Unablässig vergrößerte Heinrich seine Macht nach Osten hin. Der Kaiser Friedrich Rotbart aber meinte schließlich, das nicht länger mit ansehen zu können. Schon kümmerte sich der stolze Sachsenherzog kaum mehr um die Befehle. Schließlich konnte doch in Deutschland nur einer Herr sein! So zog Friedrich gegen den Löwen, besiegte ihn und schickte ihn auf drei Jahre in die Verbannung. Es war ein schweres Unglück für Deutschland, daß diese beiden Großen nicht im guten miteinander auskommen konnten."164

Selbst die noch so löbliche Politik Heinrichs konnte ihn nicht vor der Strafe für seine Insubordination retten. Das Prinzip des absoluten Gehorsams war prävalent, der im Rang höher stehende Kaiser muß auf Unterordnung bestehen, auch wenn es "schweres Unglück für Deutschland" bedeutete.

Denn Führertum hat per definitionem eine Kehrseite: das Geführtwerden. Historische Persönlichkeiten als "Führer" herauszustellen, bedeutete daher die Deklassierung der übrigen Bevölkerung zu Befehlsempfängern.

Beide Seiten, Führertum und Gehorsam, bildeten in verabsolutierter Form den "soldatischen Geist", der eines der wichtigsten Erziehungsziele nationalsozialistischer Bildungspolitik war. Der Reichslehrplan von 1938 drückte es unkonkret, aber sinnfällig aus:

"Deutschland ist arm an Raum und an Schätzen des Bodens, sein wahrer Nationalreichtum liegt in der Kraft, in der Gläubigkeit und in der Tüchtigkeit seiner Männer und Frauen. Aufgabe der deutschen Schule ist es darum, Menschen zu erziehen, die in echter Hingabe an Volk und Führer fähig sind, ein deutsches Leben zu führen, ihre geistigen Kräfte zu entfalten und zur höchsten Leistungsfähigkeit zu entwickeln, damit sie an ihrer Stelle die Aufgaben meistern, die Deutschland gestellt sind."165

Die Armee als einheits- und sinnstiftende Gemeinschaft im Krieg stand Pate für das Konzept der militarisierten und uniformierten "Volksgemeinschaft", ausgerichtet auf ihren 'Oberbefehlshaber', den "Führer". Die Erfahrung des Ersten Weltkrieges hatte hier sicherlich prägend und in Bezug auf das kollektive Bewußtsein als Katalysator gewirkt: Der einzelne Mensch hatte im Krieg keinen Wert, er war nur Menschenmaterial, frei disponibel für höhere Mächte, schicksalhaft ausgeliefert, ohne die Möglichkeit der freien Entscheidung.

Andererseits herrschte bei den Teilnehmern des Krieges das Ideal des gehorsamen, mutigen und für Ideale kämpfenden und sterbenden "soldatischen Menschen", das die Beschränkungen menschlicher Existenz durch den militärischen Konflikt positiv umdeutete.166

Die Gemeinschaftserfahrung des Weltkrieges wurde durch die männerbündlerischen und paramilitärischen Organisationen während der Zeit der Weimarer Republik konserviert. Stahlhelm und SA rekrutierten die Frontkämpfer, die sich auch nach dem Ende des Krieges funktions-, macht- und wertlos vorkamen, bewahrten und förderten den Mythos vom ungeschlagenen deutschen Soldaten, vom Helden.

Auch die nationalsozialistischen Pädagogen thematisierten den Zusammenhang ihres Menschenbildes mit dem Kriegserlebnis explizit. In Karl Friedrich Sturms Ausführungen zum "Fronterlebnis" wird die positive Umdeutung offensichtlich:

"Da draußen stand jeder in Reih und Glied, keiner für sich allein. Jedwede Vereinzelung ward überwunden. Rein gar nichts wogen vor dem Feind irgendwelche Belange des einzelnen; es galt lediglich der Bestand der kämpfenden Truppe. Kein Ich gab sich hier selbstherrlich sein eigenes Lebensgesetz; jedes empfing es aus der dunklen Tiefe des Seins, die wir Schicksal nennen. Und doch war es gerade dieses Schicksal, das das Ich aus seiner vereinzelten und entwurzelten Existenz erlöste und mit hartem Griff hineinstellte in die breite Front des 'Wir'."167

In diesem rhetorischen Gebräu aus Landserjargon und Pathos, Biologismus und Fatalismus findet sich die Überwindung des vermeintlichen rationalistischen Subjektivismus ebenso wie die des individuellen Kriegserlebens. Die sinngebende Instanz in der Sinnlosigkeit des Krieges liegt im "Wir", in der Gemeinschaft, für die es sich zu sterben lohnt: dem Volk in Form des "völkischen Staates":

"'Wie die Front jeden rücksichtslos in den Dienst ihres eigenen gewaltigen Zweckes stellte, dem sich alles andere unterzuordnen hatte, so wird der neue Staat die Zusammenfassung aller Kräfte des 'Wir''. Fortan lautet der kategorische Imperativ: Handle so, daß du als Volksglied dein Handeln vor dem Volksganzen verantworten kannst. 'Du bist nichts, dein Volk ist alles.'"168

Im "Dritten Reich" wurde diese Tradition in vielerlei Hinsicht institutionalisiert und instrumentalisiert. Das Ziel stand fest: Durch die Organisation des totalitären Staates nach dem Muster einer Armee sollte die Bevölkerung auf den neuen Krieg vorbereitet werden.

Die Militarisierung der Gesellschaft bedeutete aber zugleich eine Militarisierung der Schule und ihrer Unterrichtsfächer. Die Wehrmacht nahm entschiedenen Einfluß auf die Schulbildung, vor allem während des Krieges.169 Im nationalsozialistischen Jargon hieß das "Erziehung zum Wehrwillen", de facto bedeutete es Erziehung zum Krieg. Die gängigen Forderungen für den Geschichtsunterricht zielten auf verstärkte Behandlung von Schlachtenverläufen und von großen Feldherren, ihren Erfolgen und Niederlagen. Hierbei sollte möglichst viel militärisches Vokabular vermittelt werden:

"Wer hatte früher ein Auge für die Bedeutung der Lage Deutschlands in der Ost-West-Spannung und Nord-Süd-Spannung, für seine Geschichte überhaupt und deren wehrpolitischen Folgen? Wer hatte etwas gehört über den Krieg und seine Gesetze, die sich nicht ungestraft mißachten lassen, oder über die großen Grundsätze der Kriegsführung: Zweifrontenkrieg, Umfassungsschlacht, Gewinnung der Überlegenheit am entscheidenden Punkte, Problem des Aufmarsches großer Heere, Bedeutung der Eisenbahn und anderer Verkehrsmittel, der Rohstoffe für die wehrpolitische Lage? Alle diese Fragen gilt es einzuspannen in den Geschichtsunterricht, um den zukünftigen Bürger wehrpolitisch zu schulen."170

Das Ergebnis solcher Schulung sollte der militärtheoretisch gebildete, geostrategisch denkende und daher gut auf den Kriegsdienst vorbereitete junge Mann sein. Neben den napoleonischen Kriegen, die sich wegen ihres territorialen und personalen Ausmaßes für eine derartige Besprechung im Geschichtsunterricht besonders eigneten, wurde natürlich der Erste Weltkrieg bevorzugt behandelt.

3. 1. 4 "Versailler Diktat" und "nationale Erhebung" — die einheitstiftende Funktion des Revanchismus

Die Revision des Versailler Vertrages, des "Schandfriedens" von 1919, war von Anfang an eine der Hauptforderungen der nationalsozialistischen Politik. Schon während der Zeit der Weimarer Republik war der Widerstand gegen die sogenannte "Kriegsschuld" und die den Verlierern aufgeladenen Reparationen common sense der deutschen Bevölkerung gewesen.171

Nach einem vorübergehenden Abflauen der Diskussion um den Friedensvertrag Mitte der 20er Jahre hatte sie mit der Weltwirtschaftskrise wieder zugenommen und diente der NSDAP als Hauptargument im Wahlkampf. Ihrer Ansicht nach gründete die deutsche Not doch hauptsächlich im "Diktat von Versailles".172

Nach der "Machtergreifung" forcierten die nationalsozialistischen Propagandisten die Betonung des ungerechten Friedens noch. Erneut war es die einheitstiftende Funktion einer unterstellten Bedrohung, die man sich für eine innere und äußere Politik der Stärke zunutze machen wollte, stand Deutschland doch immer noch einer "Welt von Feinden" gegenüber, wie es die Richtlinien für die Geschichtsbücher noch im Mai 1933 indirekt unterstellten.173

In der Schule nach 1933 gewann demnach die unmittelbare Vorgeschichte der "nationalen Erhebung" schlagartig an Gewicht. Hatte man den Zeitraum nach dem Ersten Weltkrieg vorher im Geschichtsunterricht überhaupt nicht oder nur sporadisch abgehandelt, so wurde er nun in Bayern Gegenstand einer besonderen Unterrichtssequenz, die unabhängig von den Lehrplänen innerhalb von 4-6 Wochen im Fach Geschichte zu Beginn des Schuljahres 1933/ 34, das am 23. April 1933 begann, behandelt werden mußte.

Die dementsprechende Richtlinie war der sogenannte Schemm-Erlaß vom 27. März 1933, benannt nach dem neuen Staatsminister für Unterricht und Kultus Hans Schemm.174

Die in der Verordnung enthaltenen Richtlinien zur Unterrichtsdurchführung waren präzise und faktenreich, da sie in einigen Fällen direkt als Vorlage zur Unterrichtsvorbereitung dienen mußten. Entsprechende Handreichungen für die Schüler fehlten zunächst noch. Allerdings reagierte der Minister auf diesen Mangel schnell: Schemm gab selbst die Schriftenreihe Der junge Staat heraus, die am 12. Mai 1933 per Ministerialerlaß als Lehrmittel zugelassen wurde. Vier Tage später folgte die Zulassung des Lehrwerkes Aufbruch der deutschen Nation von Max Stoll.175 Für eine Schulbroschüre war die Darstellung Stolls ungewöhnlich polemisch. Eine rhetorische Kostprobe seiner panegyrischen Darstellung des "Führers" wurde ja hier schon geboten. Weniger gut kommt verständlicherweise das "System" von Weimar davon:

"Marxistische Versumpfung — deutscher Freiheitswille. Parteibonzentum und Bolschewisierung.

Traurig sah es in Deutschland aus; nicht nur das wirtschaftliche Elend wuchs. Die Parteiherrschaft der Sozialdemokraten und des Zentrums förderte, namentlich in Preußen, auch die geistige und sittliche Bolschewisierung, den Zerfall der Tugenden, die das deutsche Volk großgemacht hatten. [...] Während in Süddeutschland im Allgemeinen auf Sauberkeit in der Verwaltung und auf Unterdrückung marxistischer Auswüchse gesehen wurde, arbeiteten besonders in Preußen, wo der sozialdemokratische Innenminister Severing die Kommunisten als 'politische Kinder' belächeln zu können glaubte, ungehindert die sozialdemokratischen und kommunistischen 'Freidenker' an der Zerstörung des Gottesglaubens, in dem Karl Marx mit Schrecken das stärkste Bollwerk eines geordneten Staatslebens erkannt hatte ('Religion ist Opium für das Volk'!). Die Austritte aus den christlichen Kirchen mehrten sich."176

Man könnte darüber schmunzeln, wenn es nicht so traurig wäre. Da die beschriebenen Zustände kaum dem Erfahrungshorizont der meisten bayerischen Schulkinder entsprochen haben dürften, wurde das Übel, ein altbewährtes Mittel des bayerischen Patriotismus, kurzerhand nach "Preußen" verlagert: "Bayern wurde mehr und mehr der nationale Rückhalt Deutschlands."177 Noch merkwürdiger ist die hier vorgenommene Charakterisierung der Religion und die Gewichtung der vermehrten Kirchenaustritte als Symptom für die "Zerstörung des Gottglaubens". Vollends absurd ist schließlich die Darstellung des von Hitler nach italienischem Vorbild inszenierten "Marsches auf die Feldherrenhalle" vom 9. November 1923: "Am Jahrestag des Münchner Umsturzes (8. Nov.) hielt Hitler den Zeitpunkt für günstig, um die Absetzung der Berliner Regierung auszurufen und zusammen mit Kahr, Ludendorff, den Führern der bayerischen Polizei (Lossow, Geißer) eine Nationalregierung zu bilden." Aber "Kahr und die Führer der bewaffneten Macht" nahmen am Tag darauf von diesem Plan unter wüsten Beschimpfungen Abstand. "Als Hitler und die Kampfbünde daraufhin ihre berechtigte Enttäuschung über diese unerwartete Wandlung durch einen Umzug kundzugeben versuchten, fielen an der Feldherrenhalle einem Feuerüberfall der Polizei 16 der treuesten Vorkämpfer des Deutschen Reiches zum Opfer."178 Der Hitler-Putsch als harmloser Umzug, als politische Kundgebung, die durch einen heimtückischen Überfall der Polizei aufgelöst wurde, nachdem deren Führung sich verräterisch und feige dem Kampf für das Reich entzogen hatte. Diese Zitate zeigen die geschichtsklitternde Umdeutung des militärischen Umsturzversuches in Bayern zu einer politischen Demonstration ex post.

Doch halten die von Schemm verordneten und von euphorischen Schulmännern wie Stoll ausgeschmückten Ereignisinterpretationen in den seltensten Fällen einer Prüfung stand. Ebensowenig wie die hyperbolische Ausgestaltung politischer Fakten, etwa bei der Übergabe der Friedensbedingungen durch die Alliierten am 9. Mai 1919:

"Ein Schrei des Entsetzens und der Verzweiflung gellte durch Deutschland, als bekannt wurde, welch furchtbare Bedingungen ihm auferlegt werden sollten. Der unverhüllte, grausame Vernichtungswille der Feinde diktierte dem deutschen Volke einen 'Frieden', der die schlimmsten Erwartungen übertraf. Bereitgestellte englische und französische Bombengeschwader [sic!] und Divisionen ließen das verzweifelte 'Nein!' des vor Hunger entkräfteten, wehrlosen, von Aufständen erschütterten deutschen Volkes verstummen."179

Stolls Broschüre konzentrierte sich in erster Linie auf die politischen Gegner der Nationalsozialisten: Sozialdemokraten, Kommunisten und das katholische Zentrum.

Mit offiziellen antisemitischen Haßtiraden hielt man sich in Bayern in den ersten Jahren sehr zurück. Trotzdem war natürlich durch die verschiedenen administrativen Maßnahmen die Ausgrenzung der Juden von Anfang an spürbar.

Die jüdischen Schulen versuchten die neuen Machthaber im Kultusministerium zu besänftigen, indem sie die geforderten Maßnahmen gewissenhaft durchführten. Der Jahresbericht der Israelitischen Realschule Fürth bemerkt über das Schuljahr 1933/ 34: "Im gesamten deutschen und heimatkundlichen Unterricht wurden die speziellen Anordnungen gewissenhaft durchgeführt, die Erziehung zur Staatstreue stand im Mittelpunkt des Unterrichts."180 In den Schulakten dieser jüdischen höheren Erziehungsanstalt findet sich auch ein Vermerk über das interne Prozedere bei der Vorbereitung der Sonderunterrichtssequenz. Im Protokoll der Fachsitzung Geschichte und Geographie informiert einer der Lehrer die anderen über den "Schemm-Erlaß". "Sodann wird die Anwendung dieser Rüstpunkte als Unterrichtsgrundzüge für die übrigen Fächer, insbesondere Deutsch u.s.w. erörtert."181

Der verordnete Sonderunterrichts war eine einmalige Aktion des Kultusministeriums. Zu Beginn des darauffolgenden Schuljahres 1934/ 35 wurde er nicht wiederholt. Statt dessen sah ein Ministerialerlaß vor, die Inhalte "in den planmäßigen Unterricht einzubauen"182. In die neuen Schulbücher wurde die unmittelbare Vorgeschichte des "Dritten Reiches" dann ganz im Sinne des Schemm-Erlasses eingearbeitet, wenn auch wohl in den meisten Fällen rhetorisch eleganter als in der Broschüre Stolls.

Viel wichtiger als die Vorgeschichte der "Machtergreifung" war von 1934 an die "planvolle Behandlung der nach dem Umbruch von der nationalen Regierung geleisteten gewaltigen Aufbauarbeit"183. Die vorweisbaren Erfolge der Regierung Hitler entsprachen in weit größerem Maße dem Erfahrungshorizont der Jugendlichen. Zudem waren sie beeindruckender als der "gewaltige Kampf" der "nationalen Bewegung" um die Macht.

Eine weitere administrative Maßnahme in den Anfangsjahren des nationalsozialistischen Staates war die Verteilung des "Versailler Diktats in Auszügen" an die Schulabgänger. Hier löste das Dokument des "Schandfriedens" bezeichnenderweise die seit 1928 ausgeteilte Weimarer Reichsverfassung als Abschiedsgabe für Schüler ab. Die ins Leben Entlassenen hatten statt eines Nachschlagewerkes über die Rechte und Pflichten des Staatsbürgers nun das entsprechend kommentierte Dokument der "Erniedrigung Deutschlands" zur Hand.184 Dieser Vorgang sagt viel über das Selbstverständnis des neuen Staates aus. Nach 1933 trat das demokratische Bewußtsein der Weimarer Republik hinter die revanchistischen Ambitionen des "Dritten Reiches" zurück. Nicht mehr die konstitutionellen Errungenschaften der republikanischen Kräfte sollten den Staatsbürgern vor Augen geführt werden, sondern die machtpolitischen Defizite, die Deutschland durch diese Form der Verfassung scheinbar erlitten hatte. Die Breitenwirkung solcher Maßnahmen sollte nicht unterschätzt werden, immerhin ermittelte die Regierung von Mittel- und Oberfranken allein für die Nürnberger Schulen im Jahr 1933 eine Bedarfszahl von 14.000 Exemplaren, davon 2.700 für die höheren Schulen.185

Das Feindbild der Weimarer Republik diente in allen ideologischen Schriften der Nationalsozialisten als absolutes Gegenteil des neuen Staates. In der Zeitschrift Vergangenheit und Gegenwart (1935) schrieb beispielsweise Erich Buchholz der Republik alle negativen Eigenschaften zu, die einem Nationalsozialisten einfallen konnten und derer der Geschichtsunterricht gedenken solle: dem "'Persönlichkeits'-Kult der Weimarer Zeit", der "zügellosen Freiheit durch Lösung aller Bindungen der Volksgemeinschaft, der Zucht und Sitte", dem "Subjektivismus, der, von einer erschlafften, müden Großstadtgeistigkeit ausgebrütet, gegängelt von der jüdischen Literatenwelt, nahezu alles was gedemütigt und verfolgt war, zu 'Helden' stempelte" — "krank, wurzellos, angefault". Dagegen setzte Buchholz das "Ideal des bodenständigen, kraftvollen, gesunden Menschentums."186

Ein wichtiger Mangel, der der Weimarer Republik von den Nationalsozialisten vor allem in Bayern (zum Beispiel von Stoll) vorgeworfen wurde, war ihr vorgeblicher Atheismus. Hier ist eine genauere Analyse notwendig; denn gerade Hitler wollte doch, wie gesehen, alles andere als eine Stärkung des Christentums, auch wenn er weniger negativ von ihm sprach als etwa Alfred Rosenberg. Im folgenden soll daher das Verhältnis von Nationalsozialismus und Christentum detaillierter untersucht werden.

3. 1. 5 "Christliche Erziehung" und "Kruzifix-Erlaß" — die Auseinandersetzung mit dem Christentum

Wenn Hitler in Mein Kampf voller Bewunderung über die katholische Kirche sprach, so bedeutete dies natürlich nicht, daß er deren Religion für glaubwürdig oder auch nur erhaltenswert hielt. Den potentiellen Diktator Hitler konnten am christlichen Glauben nicht die Inhalte interessieren, sondern nur die Formen der Organisationen, die es ermöglichten, diese Inhalte effektiv und wirkungsvoll zu vermitteln. Die nationalsozialistischen Ideologen versuchten, wie gesehen, eine Alternative zum christlichen Glauben zu konstruieren und zu organisieren. Dort, wo dies nicht gelang, sollten die verbliebenen christlichen Organisationen durch Integration in den Machtapparat kontrolliert und instrumentalisiert werden.187

Diese beiden Grundtendenzen des machtstaatlichen Handelns wurden mit dem üblichen nationalsozialistischen Druck auf die jeweils Betroffenen praktiziert. Für die Schule bedeutete dies, daß der konfessionelle Unterricht zwar zunächst erhalten blieb, jedoch stark eingeschränkt wurde. Wenn es in der Schule einen Ort der direkten Auseinandersetzung mit dem Christentum gab, so war dies im Fach Geschichte. Hier soll auf allgemeine Tendenzen in der didaktisch-pädagogischen Literatur der Zeit und auf die inhaltliche Behandlung der Rolle des Christentums im Geschichtsunterricht eingegangen werden.

Die nationalsozialistischen Ideologen der ersten Stunde hatten ein gespaltenes Verhältnis zum Christentum. Einerseits entstammten viele von ihnen, wie Hitler und Goebbels, katholischen Elternhäusern, andererseits widersprachen die religiösen Inhalte des Christentums zu stark den ideologischen des Nationalsozialismus. Christliche caritas und Mitleidsethik wollten so gar nicht zum inhumanen "Aufnordungsprogramm" der Nazis passen, ebensowenig der internationale Anspruch der Kirche zur strikt nationalen Ausrichtung des "Dritten Reiches".

Insofern kann es nicht wundernehmen, wenn der kirchliche "Ultramontanismus" und "Internationalismus" in der nationalsozialistischen Literatur in selber Weise verworfen wurden wie die "Gefühlsduselei" und "Weltverneinung".

Natürlich gab man sich in nationalsozialistischen Kreisen zunächst gut christlich, schließlich hatte man anfangs ja auch Wahlen zu gewinnen und auf die Bevölkerung noch in vielen Punkten Rücksicht zu nehmen. Nach der "Machtergreifung" setzte der neue Staat die verhaltene Kirchenkritik allerdings in aggressive Gleichschaltungspolitik um, wenn auch erst relativ spät. Einige der nationalsozialistischen Ideologen, vor allem Rosenberg und Goebbels, versuchten, eine neo-germanische Wotansreligion zu stiften, die unter dem Fahnenwort "Gott-" oder "Deutschgläubigkeit" zur Konkurrenz für die christlichen Kirchen werden sollte.188

Doch von solch "nordischer" Sektiererei, die nie wirklichen Erfolg hatte189, einmal abgesehen — der Trend in der nationalsozialistischen Politik ging hin zu einer Ersetzung des Christentums durch einen im ersten Kapitel skizzierten militaristisch geprägten Führerglauben, einer rein weltlichen, einer "politischen Religion". Allerdings gab es neben den führertreuen Stimmen eines Dietrich Klagges oder Arno Jasters auch andere, die ihren nationalsozialistischen Glauben mit dem christlichen zu verbinden suchten. Der Erziehungswissenschaftler Gerhard Giese forderte 1933 etwa, obwohl überzeugter Nationalsozialist, explizit ein "Einfügen in die von Gott geschaffene Ordnung" und verband diese Forderung mit einem Appell an ein humanistisches Verständnis von Erziehung.190 Allerdings wurden solche Töne vom propagandistischen Geschrei eines Hans Schemm oder Dietrich Klagges bald übertönt. Der katholische Didaktiker Heinrich Schnee geriet unter Kritik, weil er im Staat "die Verkörperung einer erhabenen", aber etwas zu katholischen "Schöpferidee Gottes" sah und allzu deutlich Alfred Rosenbergs "Deutschgläubigkeit" kritisierte, als er schrieb, es bestünde die Gefahr einer "Geschichtsauffassung, die in dem Eingang des Christentums in das deutsche Wesen etwas artfremdes sieht und nach einer artgemäßen Religion strebt."191 Für Schnee stand fest: "Es ist für uns christliche Erzieher selbstverständlich, daß die Werte Volk, Nation und Reich ihren richtigen und letzten Sinn erst erhalten durch unseren Glauben an Gott als Sinngebung alles Irdischen."192 Die Antwort der "Dogmatiker"193 unter den Nationalsozialisten auf solche vorsichtigen Versuche einer Harmonisierung der Ideologie mit dem Glauben hatte Alfred Rosenberg schon vorab in seiner antiklerikalen Schrift Der Mythus des XX. Jahrhunderts gegeben:

"Die alttestamentliche und später nachweislich zusammengefälschte wissenschaftliche 'Wahrheit' der römischen [gemeint ist die römisch-katholische R.A.] Geschichtsdarstellung ist zwar derart fadenscheinig, daß jeder Sekundaner sie heute zu enthüllen vermag, aber das Fortbestehen der römischen Lehrsätze zeigt, wie wenig der Mensch von Einsichten allein bestimmt wird, wie stark hierbei Wille, Trieb und Einbildungskraft wirken."194

Damit war jede Form des christlichen Glaubens als "fadenscheinig" und unwissenschaftlich195 gebrandmarkt und so jede Vermittlung zwischen Christentum und Nationalsozialismus schon ex ante negiert.

Daß das Christentum "artfremd" und daher mit dem deutschen Wesen unvereinbar sei, war allerdings in Schulbüchern so nicht vertretbar. Daher behalfen sich viele der Autoren mit einer Unterscheidung von "eigentlichem" und "germanisiertem" Christentum. Ersteres sei der "Weltverneinung, Weltentsagung" verschrieben, letzteres von "germanischem Wesen" durchdrungen. Die beiden Erscheinungsformen dieser christlichen Glaubensrichtungen waren nach dem Geschichtsbuch für die deutsche Jugend einerseits die "Bettelorden", also untätige, schmarotzende "Weltentsager", andererseits das christliche deutsche Volk:

"Die eigentliche Lehre des Christentums, Weltverneinung, Weltentsagung und Erlösungsbedürfnis, ist erst durch die Tätigkeit der Bettelorden mehr in das deutsche Volk hineingetragen worden. [...] Aber in diesem Ringen zweier so verschiedener Weltanschauungen wie der christlichen und der germanischen setzt sich das germanische Wesen doch immer wieder durch, indem es das Fremde seiner Art entsprechend umformt."

Die mehr oder weniger geschickte Anpassung der Kirche an vorhandene religiöse Gebräuche bei den christianisierten Völkern, die Interpretatio romana, etwa in Form der Heiligenverehrung und des Marienkultes, wurde hier unter umgekehrten Vorzeichen betrachtet. Die Germanen hätten den christlichen Glauben aktiv umgeformt: "So ist das deutsche Volk zwar im Verlauf des Mittelalters christlich geworden. Aber in seiner seelischen Grundhaltung ist es dabei immer deutsch geblieben."196 Ein Zustand, auf dem antiklerikale Ideologen meinten aufbauen zu können.

In Bayern hatte es der Antiklerikalismus der Nationalsozialisten natürlich besonders schwer. Der Kultusminister Hans Schemm, seit 1933 im Amt, nahm auf diese besondere bayerische Situation entsprechend Rücksicht, indem er die eigentlich atheistischen Erziehungsziele des Nationalsozialismus mit christlicher Rhetorik amalgamierte und damit zur wahrhaft "christlichen Erziehung"197 umetikettierte. Die neue Staatsideologie stehe über konfessionellen Gegensätzen198 und sei zutiefst der christlichen Mitleidsethik verpflichtet. Allerdings beschränkte Schemm den Bereich des Lebens, in dem die "Religion" wirken sollte, ganz klar aufs Private. Die Politik stand für den Nationalsozialisten Schemm unter einem anderen Stern: "Unsere Religion heißt Christus, unsere Politik heißt Deutschland."199

"Ich denke hier [beim religiösen Prinzip R.A.] nicht an ein Dogma oder an etwas Formalistisches, sondern an den Gottesbegriff ganz groß im christlichen Sinne. Ich sehe nicht zuerst und allein Kirche und Konfession, sondern ich möchte bei dieser Gelegenheit unumwunden erklären, daß der Nationalsozialismus, wie es in unserem Programm heißt, an kein Bekenntnis gebunden ist. Ich habe die Überzeugung, daß das Gebet zweier Mütter, einer katholischen und einer protestantischen Mutter, um das Leben des kranken Kindes bestimmt bei einer und derselben Schicksals- und Helferstelle landet [...] Das, was in der katholischen wie in der protestantischen Mutter ringt und schwingt und klingt, betet und opfert und weint und das, was da drinnen sich befindet und glaubt an eine Hilfe beim Vater über den Wolken, das ist für mich Religion. [...] Nicht umsonst heißt es auch "Vater im Himmel", nicht umsonst sagen wir "Vaterland", "Vater im Himmel, Vaterland, Vaterunser, Vater und Mutter" sind Belege dafür, daß in diesen Dingen und Begriffen ein und derselbe grandiose sittliche Wille und die sittliche Erkenntnis, die sittlichen und religiösen Kräfte drinliegen."200

Der Mütter kranker jüdischer Kinder gedachte Schemm in seiner Rede nicht, und im politischen Teil seiner Rede taucht das Christentum dann überhaupt nicht oder nur allgemein als "Religiösität" bezeichnet auf. Das paßte gut zu dem Vorwurf der "Weltentsagung" und machte aus Religiosität vollends einen "Teil einer 'Schmücke-dein-Heim-Kultur'."201

Schemms naives Gottesbild, sein synkretistisches Anbiedern und sein rhetorisches Eskamottieren der politischen Tatsachen verfehlten nicht ihre beabsichtigte Wirkung: Er genoß in Bayern tatsächlich eine gewisse Popularität, auch beim politisch stark verunsicherten Klerus.202

Was Schemms politische Gestaltungskraft anbelangt, war diese vor allem der Volksschule gewidmet. Selbst Volksschullehrer, hatte er wenig Ambitionen zur Ober- oder gar Hochschulpolitik.203 Ab dem 1. Mai 1935 lag die Entscheidungskompetenz für das höhere Schulwesen dann ohnehin beim Reichserziehungsministerium.204

Bayern blieb während der nationalsozialistischen Herrschaftsjahre in Sachen Christentum ein Sonderfall im Reich. Der brisanteste und in der Bevölkerung vielbeachtete Konfliktpunkt waren dabei die in den Schulräumen aufgehängten Kruzifixe und Kreuze. Der Konkurrenzkampf zwischen der christlichen und der "politischen" Religion des Nationalsozialismus um die weltanschauliche Oberhoheit in den Klassenräumen läßt sich an diesem Symptom verdeutlichen.

Nach der Machtergreifung hatte es durch die Besetzung der Schulen und Schulämter mit linientreuen Oberstudiendirektoren und Verwaltungsbeamten vereinzelte Fälle gegeben, bei denen Kruzifixe und Schulkreuze abgenommen worden waren. In einer Nürnberger Oberschule hatte der "deutschgläubige" Oberstudiendirektor L. vor versammelter Klasse ein Kreuz aus dem Religionszimmer entfernt mit der Begründung, er "dulde keine orientalisch-jüdischen Symbole an seiner Schule". L. war langjähriges Parteimitglied und politischer parvenu, sein Vorgänger 1933 wegen "politischer Unzuverlässigkeit ausgemerzt" worden. Nach mehrfachen Beschwerden der Eltern aus verschiedenen Anlässen schrieb der Vertreter der vorgesetzten Behörde, selbst ein nationalsozialistischer homo novus, einen internen "Befähigungsbericht", der vom 25. Dezember 1937 datiert. In diesem notierte er über L.: "Charakterliche Beurteilung: Gerader Charakter, manchmal intolerant bis zur Gehässigkeit. [...] Sonstiges: Fanatischer Gegner des Christentums. Als solcher schießt er im Unterricht oft weit übers Ziel. Es fehlt die kluge Taktik. Seine Gegnerschaft zum Christentum soll damit in keiner Weise kritisiert sein." Schließlich war L. "alter Nationalsozialist und Träger des Goldenen Ehrenzeichens" der NSDAP und "von tadelloser ns. Gesinnung."205

Daß solche Vorkommnisse keine Einzelfälle blieben, zeigt ein Brief des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 4. September 1937 an die Direktorate der bayerischen Schulen mit folgendem Wortlaut:

"Der Reichs- und preußische Minister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung hat folgendes verfügt:

'Es ist Beschwerde darüber geführt worden, daß von untergeordneten Stellen eigenmächtig Kruzifixe an den Schulen entfernt worden sind. Ich verbiete hiermit das eigenmächtige Vorgehen untergeordneter Dienststellen in dieser Angelegenheit.

Es bestehen keine Bedenken dagegen, daß Kruzifixe in den Schule verbleiben und an geeigneten würdigen Stellen aufgehängt werden. Ich lege aber Wert darauf, daß den Bildern des Führers in den Schulsälen bevorzugte Plätze einzuräumen sind, die im Blickfeld der Kinder liegen.'

Nach diesen Grundsätzen haben die Regierungen etwa auftretende Streitfälle zu entscheiden. Von einer Bekanntgabe des Erlasses ist abzusehen.

i.V. [Unterschrift]"206.

Aus der Reaktion der nationalsozialistischen Verwaltungsinstanzen auf solche Vorgänge wird deutlich, daß nicht die ideologische Zielsetzung und Begründung des Vorgehens der "untergeordneten Dienststellen" kritisiert wurden, sondern ihre Insubordination gegenüber dem "Führerstaat" oder das Fehlen der "klugen Taktik".

Die ließ allerdings auch der bayerische Kultusminister Adolf Wagner, Nachfolger Schemms, vermissen, als er 1941 mit seinem geheimen "Kruzifix-Erlaß" den Volkszorn heraufbeschwor. Begonnen hatte die Aktion im März 1941 mit einem geheimen Erlaß des Ministers. Das Kreuz hatte seinen Platz im Schulsaal endgültig dem Bild des "Führers" zu räumen. Der SD-Abschnitt Würzburg meldete am 31. März 1941:

"Ein nunmehr unter dem Geleitwort 'Entrümpelung der Schulräume' ebenfalls durch die Bezirksschulräte ergangenes Rundschreiben fordert, auf würdige Ausgestaltung der Schulräume bedacht zu sein. Die Verantwortung für die viele Gefühle verletzende Entfernung des Kruzifixes von einem bisherigen Vorzugsplatz an der Stirnwand des Schulzimmers, die nun außer dem Führerbild im Blickfeld des Schülers keinen sonstigen Schmuck tragen soll, hat wieder allein der Lehrer zu tragen." 207

Die Reaktion der aufgebrachten Bevölkerung auf diese "Entrümpelung[s]"-Aktion ließ nicht lange auf sich warten. Drei Wochen später berichtete die SD-Außenstelle in Würzburg:

"Aufgefallen ist die ungewöhnlich starke Beteiligung an Erstkommunion- und Konfirmationsfeiern. So gingen in protestantischen Gegenden auch Arbeiter massenhaft in die Kirche, die früher nie dort zu sehen waren. Der Ruf, die Religion sei in Gefahr, erhebe sich auch in protestantischen Kreisen immer lauter."208

Trotz des sich abzeichnenden Widerstandes gab Wagner am 23. April 1941 seinen geheimen "Kruzifix-Erlaß" heraus, der neben der Entfernung der christlichen Symbole aus den Klassenräumen auch ein Verbot des Schulgebetes vorsah.209

Als es im Mai 1941 dann noch zusätzlich zur Abschaffung des Himmelfahrtstages als gesetzlichem Feiertag und zum Verbot von Bittgängen und Wallfahrten an Werktagen kam, regte sich offener Widerstand. Ein Landrat berichtete am 31. Mai aus dem oberfränkischen Ebermannstadt:

"Der größte Teil der ländlichen Bevölkerung hängt immer noch treu an seiner Religionsgemeinschaft. Alle Versuche, die Treue zu erschüttern, stoßen auf eisigkalte Ablehnung, zum Teil erzeugen sie Mißstimmung und Haß. Die Feier des [...] Himmelfahrtstages sowohl durch die evangelische wie auch durch die katholische Bevölkerung war eine einzige geschlossene Demonstration gegen das staatliche Verbot. [...Die staatliche Maßnahme R.A.] wird nur als Vorwand betrachtet für eine allmähliche immer weitergehende Aufhebung der christlichen Feiertage überhaupt, im Zuge der völligen Ausrottung der christlichen Religionsgemeinschaften. Diese Ansicht wird neue Nahrung erhalten, wenn die Entschließung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus wegen der Entfernung der Kruzifixe usw. aus den Schulhäusern in der nächsten Zeit immer mehr an die Öffentlichkeit sickert."210

Die Befürchtungen des Landrats trafen ein. Am 28. August 1941 machte der Kultusminister, nachdem er sogar von Hitler selbst gemaßregelt worden war, einen Rückzieher und ließ einen seiner höchsten Verwaltungsbeamten "i.V." folgenden trotzigen Brief "an die Herren Gauleiter (Abdruck an die Direktorate)" schreiben:

"Geheime Reichssache [...]

Betreff: Entfernung der Kruzifixe aus den Schulen

Meine Maßnahmen zur Entfernung der Kruzifixe aus den Schulräumen, die ich aus beiliegenden Abdrucken zu ersehen bitte, haben an verschiedenen Orten zu äußerst unliebsamen Zwischenfällen geführt. Grund für die Vorkommnisse war teils die gut organisierte Gegenpropaganda der Geistlichkeit, teils die politisch falsche bezw. übereifrige Handlungsweise von Lehrkräften und Schulaufsichtsorganen. Besonders bedenklich und nicht voraussehbar erscheint mir vor allem die Beteiligung von Parteigenossen und sogar uniformierter Angehöriger der Gliederungen der Partei an solchen Protestkundgebungen gegen die staatlichen Maßnahmen. [...]

Da ich von einer förmlichen Aufhebung meiner Anordnungen aus Gründen der Staatsautorität Abstand nehmen möchte, zur Aufrechterhaltung des inneren Friedens aber eine weitere Durchführung meiner Anordnungen derzeit nicht verantworten kann, bitte ich Ihre [...] Hoheitsträger anzuweisen, weitere Maßnahmen abzustoppen. Soweit die Entfernung der Kruzifixe aufgrund meiner ersten Entschließung bereits erfolgt ist, wird es im allgemeinen bei dieser Sachlage verbleiben können, soweit Sie nicht nach der örtlichen Lage anders entscheiden.

I. V. gez. Schneidawind"211.

Die Auslassungen des Briefes demonstrieren Wagners völlige Fehleinschätzung der Realität und seine schon fast unverschämt anmutende autokratische Kritikunfähigkeit.

Gleichzeitig werden die typischen Rechtfertigungsmechanismen der nationalsozialistischen Machthaber deutlich: Das durch den Krieg katalysierte Schwarz-weiß-Denken verhinderte die Einfühlung in die Stimmung der Bevölkerung. Daß gerade auch "Angehörige der Gliederungen der Partei" an den Demonstrationen teilnahmen, mußte daher für einen überzeugten Technokraten wie Wagner "nicht voraussehbar" und letztlich unverständlich bleiben. Die einzig mögliche Erklärung für solch "äußerst unliebsame[n] Zwischenfälle" war, dachte man in nationalsozialistischen Kategorien, die perfide "Gegenpropaganda" des Gegners und die (letztlich positiv gewendete) "Übereifrigkeit" der "Hoheitsträger".

Die hier ausführlicher dargestellten Vorfälle zeigen deutlich die Grenzen der propagandistischen Vereinnahmung der Bevölkerung, die nur ein gewisses Maß an ideologischer Bevormundung akzeptierte. Gerade an dem wunden Punkt der "Weltanschauung", an dem sich Ideologie und Religion berührten und miteinander in Konflikt gerieten, wurde dies auch für die nationalsozialistischen Potentaten offensichtlich.

3. 1. 6 Erstes Fazit: "Volksgemeinschaft" als Ausgrenzung von "Minderwertigen" und Andersdenkenden

Die Uminterpretation der Geschichte in den nationalsozialistischen Lehrbüchern und den vorangehenden Schriften war von erstaunlicher, teilweise erschreckender Konsequenz. Bestimmt wurde sie von einem radikalen rassischen Schwarz-weiß-Denken, das zu alternativlosen Wertungen von Personen und Ereignissen führte.

Mit der Historisierung des nationalsozialistischen Ideals verbunden, ja dieses bedingend, war die Definition des "Volksgenossen", zu dem die jungen Menschen im Geschichtsunterricht erzogen werden sollten.

Bei dieser Beschreibung überwog die Charakterisierung ex negativo, in jedem Fall stand dem positven "germanischen" Part in der Geschichte ein negativer "rassefremder" gegenüber.

Vorbildhafte deutsche "Führer" der Vergangenheit spiegelten ein Selbstbildnis der nationalsozialistischen Führerriege, und der in den Geschichtsbüchern beschriebene "germanische Staatsaufbau" war ein bis in Einzelheiten genaues, historisiertes Abbild des "Dritten Reiches".

Konfrontiert war es mit den zerstörerischen Mächten: dem Judentum, den "Slaven", der Kirche etc., die das "germanische Wesen" sabotierten und zu vernichten suchten. Der so entstehende Dualismus aus schöpferischer und destruktiver Kraft entsprach natürlich ganz der historisierten Dialektik des nationalsozialistischen Geschichtsbildes.

Interessant sind die Akzentverschiebungen innerhalb dieser dualistischen Grundkonstellation. Anfangs konzentrierte man sich mit der Unterrichtssequenz infolge des "Schemm-Erlasses" vor allem auf die ideologische Bekämpfung des politischen Gegners. Dieser wurde durch den brutalen Terror der ersten Monate nationalsozialistischer Herrschaft schnell bedeutungslos. Stärker als zuvor betonten die Richtlinien und die in ihrer Folge erschienenen Dokumente nun den "rassischen" Aspekt.

Auch dieser Sachverhalt zeigt den Charakter des Geschichtsunterrichts als instrumentum regni: Kurzfristiger Terror wurde durch schnelle, zeitlich begrenzte administrative Maßnahmen im Unterricht rechtfertigbar, die langfristigen Indoktrinationsziele aber wurden durch die Richtlinien für die Geschichtslehrbücher dauerhafter installiert.

Kommunisten und Juden fielen der nationalsozialistischen Ausrottungspolitik anheim, oder flohen ins Ausland. Im Falle der christlichen Kirchen war man mit Rücksicht auf die Bevölkerung versucht, einen integrativeren Weg zu gehen. Die Deutschen Christen212 fanden sich historisiert im "germanischen" Christentum des Mittelalters wieder, während kirchliche Opposition und das "eigentliche" Christentum mit den "weltverneineden Bettelmönchen" gleichgesetzt wurden. Die päpstlichen Enzykliken und Hirtenbriefe in ihrer pazifistischen Ausrichtung und der Widerstand der Bekennenden Kirche gegen die Ausgrenzung von "Nichtariern" waren aber mit der nationalsozialistischen Politik unvereinbar.213 Deshalb verstärkte sich der Druck auf katholische Priester und evangelische Pfarrer wie Martin Niemöller und nahm letztlich dieselben Formen des Terrors an wie gegenüber anderen Widerständlern.

Neben der ex-negativo-Charakterisierung des neuen "Volksgenossen" durch die Definition seiner Gegenspieler findet sich in den nationalsozialistischen Schulbüchern natürlich auch seine direkte Demonstration, etwa in Gestalt des "germanischen Wehrbauern". Vor allem hier läßt sich eine Rückprojektion nationalsozialistischer Zukunftspläne feststellen: Die Besiedlung des "deutschen Ostens" ist ein zentrales Thema der Geschichtswerke, die Ausrottung und Versklavung der "slavischen" Bevölkerung legitimes Mittel der historisierten Siedlungspolitik.

Es wurde deutlich, wie konsequent das dialektische Denken und die projektive Geschichtsklitterung des nationalsozialistischen Geschichtsbildes in den Schulbüchern umgesetzt worden sind. So versuchte man von Seiten der Ideologen, den Schülern das mythologische Denkmuster der "politischen Religion" zu implantieren und gleichzeitig aktuelle politische Maßnahmen historisch zu legitimieren. Sowohl im nationalsozialistischen Geschichtsdenken wie im konkreten politischen Agieren war die Ausgrenzung und letztlich die Ausrottung des 'politisch Bösen' das propagierte Ziel jeden staatlichen Handels.

Es ist an der Zeit die Lüge von der Gerechtigkeit
und Menschlichkeit in den Staub zu treten.
Ernst Krieck (1910)

3. 2 "... und sie werden nicht mehr frei ihr ganzes Leben!" — Pädagogische Konsequenzen

3. 2. 1 Totalität in Staat und Erziehung — Das Dreisäulen-Modell

Die Grundlage jeder Erziehung im nationalsozialistischen Staat war die totale Erfassung und Lenkung des Lebens der Staatsbürger. Diese erfolgte in drei Stufen, beginnend mit der staatlich gelenkten Erziehung in der Schule und den Jugendorganisationen der Partei während der Kindheit, über den Reichsarbeitsdienst und die Wehrmacht im jungen Erwachsenenalter, bis hin zu den "Gliederungen der Partei", in die jedes Mitglied der "Volksgemeinschaft" eingegliedert werden sollte. Hitler resümierte 1938: "und sie werden nicht mehr frei ihr ganzes Leben!"214

Bei der Erziehung der Kinder ging man im allgemeinen von dem sogenannten "Dreisäulen-Modell" aus. Elternhaus, Schule und Hitlerjugend sollten sich gleichberechtigt dem jungen Menschen annehmen, um ihn gemeinsam zu einem vollwertigen Mitglied der Gesellschaft zu erziehen.215 "In diesem Erziehungsganzen vollbringt die Bildung, soweit sie von der Schule geleistet wird, eine Teilaufgabe, und zwar um so wirkungsvoller, je mehr sie mit den gleichgerichteten Jugendbünden zusammengehen kann."216

Bei der Ausgestaltung dieses Modells gingen die Meinungen jedoch erheblich auseinander.

Gerade in Parteikreisen wollte man die Gleichberechtigung von Staatsjugend und Schule so weit wie möglich treiben. Mit dem Gesetz über die Hitlerjugend war ab 1936 der Besuch in HJ und BDM ab dem zehnten Lebensjahr Pflicht. Sie konnte somit wie die Schule die Jugend komplett erfassen. Nach der Vorstellung der Parteifunktionäre sollten die Jugendorganisationen so viele Erziehungsaufgaben wie möglich übernehmen, und dadurch die umfassende politische Indoktrination ermöglichen. Hierzu war eine neu eingerichtete, ideologisch strikt ausgerichtete und effizient organisierte Staatsjugend natürlich wesentlich besser geeignet als der bisherige Bildungsapparat. Die Überlegungen gingen in der Reichjugendführung sogar noch weiter. Hier entwickelte man Konzepte zur völligen Abschaffung der Schulbildung und zur Durchsetzung der totalen Erziehungshoheit der Parteijugend.217

Bei solchen schon anfangs virulenten Konzepten mußte die neu hinzukommende Erziehungsinstanz auf den Unwillen der traditionellen Erziehungs- und Bildungsinstitutionen, Elternhaus und Schule, stoßen. Im NSLB beharrte man selbstverständlich auf der Schule als Instanz und wehrte sich gegen die zunehmende Einflußnahme der Reichsjugendführung. Dabei konnten sich die Lehrer der Unterstützung eines Großteils der Eltern sicher sein. 218

Eltern und Lehrer sahen in der Staatsjugend eine Gefahr, einerseits wegen der Delegierung von Erziehungsaufgaben, die ihre Einflußmöglichkeiten einengten, andererseits und vor allem auf Grund der Überlastung der Schüler, die durch den Dienst in HJ und BDM stark in Anspruch genommen wurden. So beriet beispielsweise der Lehrerrat des Gymnasiums Carolinum in Ansbach über den Wunsch eines Vaters:

"Pfarrer B. möchte seinen Sohn Theodor, der die 6. Klasse besucht, von seiner Führertätigkeit in der HJ entbunden wissen; nach Anhörung des Lehrerrats und besonders des Klaßleiters entschloß sich der Anstaltsleiter, dem Wunsche des Vaters zuzustimmen mit Rücksicht auf das Fortkommen des Schülers, der in mehreren Fächern nur Geringes leistet."219

Die administrativen Auseinandersetzungen gingen hier vor allem zwischen Erziehungsministerien und Reichsjugendführung um die schulfreien Nachmittage und den Samstagsunterricht. Die HJ blieb Sieger: Zwar wurde der 1934 beschlossene "Staatsjugendtag"220 zwei Jahre später wieder aufgehoben. Ab dem 1. Februar 1937 mußten jedoch die Nachmittage generell schulfrei gehalten werden.221 "Die Nachmittage des Mittwochs und des Freitags sind dem Staatsjugenddienst in der Hitlerjugend vorbehalten. Sie sind aufgabenfrei zu halten."222

Die Staatsjugend diente in noch viel stärkerem Maße der Vorbereitung der Jugend auf den Krieg, als dies die Schule mit ihren Mitteln konnte.

Ein vermeintliches Vorbild der Staatsjugendorganisationen und der Wehrmacht fanden die nationalsozialistischen Historiker in der "germanischen Gefolgschaft", einer Art historisiertem und variiertem Topos des Ritterromans. Im Geschichtsbuch für die deutsche Jugend stand zu lesen:

"Ihr Ansehen [das der germanischen "Edelinge", also des Adels, R. A.] wuchs, wenn viele Jungmannen in ihr Gefolge eintraten, um Waffenkunst von ihnen zu lernen und auf den Kriegsfahrten, die ihr Führer auf eigene Faust mit ihnen unternahm, Ruhm und Beute zu gewinnen. Dieser 'Männerbund' der germanischen Gefolgschaft leitete die körperliche Ausbildung und erzog zu den Tugenden der Treue, Opferbereitschaft und Kühnheit; er bildete zugleich eine militärische Kerntruppe aus, die dem gesamten Volksaufgebot als tragendes Gerüst diente."223

Auf den Dienst in der Hitlerjugend kann in diesem Kontext nicht näher eingegangen werden.224 Der Druck der Reichsjugendführung und ihre Konzepte bilden jedoch den Hintergrund, vor dem die nationalsozialistische Schulpolitik zu bewerten ist. Schulerziehung wurde nicht getrennt von der Formationserziehung betrachtet, sondern in den Überlegungen der nationalsozialistischen Pädagogen im Sinne einer ideologisch einheitlichen Gesamterziehung an dieser gemessen. Elemente der Formationserziehung in der Staatsjugend gingen auch in die neuen Unterrichtskonzepte für die Schule mit ein.

3. 2. 2 Antihumanismus und Antierziehung — Zucht und Auslese: nationalsozialistische 'Erziehung'

Was waren nun aber die pädagogischen Inhalte des nationalsozialistischen Erziehungsprogramms, und auf welchen Vorstellungen von Pädagogik basierten sie?225

Hitlers pädagogische Maximen konnten hier nur sehr begrenzt als Grundlage dienen, zu unausgereift und fragmentarisch stellten sie sich für die Erziehungswissenschaftler nach 1933 dar.

Nach Harald Scholtz "erlaubte ihm seine Fixierung auf die Steigerung seiner Macht über Menschen nicht, die aus der gesellschaftlichen Entwicklung heraus resultierende Differenz zwischen Heranwachsenden und Erwachsenen anzuerkennen", was ja bereits im Kontext seiner Selbststilisierung zum "jungen Revolutionär" während der Realschulzeit in Mein Kampf deutlich wurde.226 "Jugend" meinte deshalb bei Hitler "die von ihm beherrschte zukünftige Gesellschaft."227 Daher griff man unter Pädagogen auf die grundlegenden Theorien der bereits erwähnten Rassenanthropologen Julius Langbehn, Houston Steward Chamberlain und Arthur Rosenberg sowie auf den Kulturkritiker Oswald Spengler zurück.228

Die typische, heilsgeschichtlich motivierte Grundhaltung der nationalsozialistischen Ideologen, vermeintlich Überkommenes zu verwerfen und einen, scheinbar gerechtfertigten, radikalen Neuanfang zu wagen, wurde bereits im Hinblick auf das Geschichtsbild und seine Konstruktion thematisiert. Ebenso verfuhren die Pädagogen des "Dritten Reiches", denen Erziehung im herkömmlichen Sinne als nichtswürdig galt.229

Das neue, biologistisch-teleologische Weltbild bot den Ausweg aus all den 'Übeln' konventioneller Pädagogik. Ihre Maximen wurden systematisch destruiert, um in der Folge ihr Gegenteil zu postulieren.

Rationalität und Objektivität etwa wurden als "blutleerer", "zerfasernder Intellektualismus"230 und "Methodenreiterei"231 denunziert, Humanität und Toleranz zu "Gefühlsduselei" und "Gleichmacherei" erklärt. An ihre Stelle traten Glaube und Begeisterung, "Rassengedanke" und "Auslese". Damit brach die nationalsozialistische Erziehungslehre mit einer aufgeklärt-humanistischen Traditionslinie, die sich von den Vorstellungen Rousseaus und Kants über Pestalozzi und Humboldt bis hin zur Reformpädagogik zog und den Begriff der Pädagogik im modernen Sinne konstituiert hatte.232

An die Stelle dieser Pädagogik "vom Kinde aus"233, das durch Erziehung zu einem selbständig denkenden und toleranten Menschen werden sollte, setzte der Nationalsozialismus sein Konzept von der "Erziehung zur Volksgemeinschaft".

Getreu dem triadischen Prinzip der protoidealen Vergangenheit, defizitären Gegenwart und idealen Zukunft fiel die Beurteilung der zur gegenwärtigen Zeit lebenden Menschen alles andere als gut aus. Hubert Steinhaus hat das für Hitlers Menschenbild gezeigt, das maßgebend wurde für die Einschätzung des Wertes menschlicher Existenz im nationalsozialistischen Staat.234

Das nationalsozialistische Menschenbild war, das wurde aus dem Bisherigen deutlich, ein primär von der Biologie bestimmtes. "Rasse" bedingt nicht nur die äußere Erscheinung, die "erbbiologische Determination ist total, sie betrifft alle Ebenen und Elemente der menschlichen Existenz: Charaktereigenschaften, Verhaltensweisen, Denkformen, Fähigkeiten und Begabungen."235

Wie in der Geschichtsschreibung bildete sich auch in der Erziehungswissenschaft eine völkische Richtung aus. Der dabei wohl einflußreichste Pädagoge war Ernst Krieck, ein Volksschullehrer, seit 1923 Ehrendoktor236 der Universität Heidelberg und ab 1930 im Hochschuldienst, 1933 erster nationalsozialistischer Rektor der Universität Frankfurt. Schon in den 20er Jahren hatte er mit seinem Konzept der "Menschenformung" den Weg zu einer totalitären Erziehung eingeschlagen. Politisch engagierte er sich ab dem Januar 1932 für den Nationalsozialismus, in dem er die Möglichkeit der Realisierung eines "völkischen Erziehungsstaates" sah.237

Damit stand Krieck keineswegs alleine. Er war zunächst selbst ein Anhänger des nationalkonservativ-revolutionären Teils der reformpädagogischen Bewegung gewesen, der den Grundstein für viele Erziehungsgedanken des "Dritten Reiches" gelegt hatte. Freilich, es bedurfte der Pervertierung beziehungsweise "ideologischen Unterfütterung", um aus reformpädagogischen Ansätzen nationalsozialistische Methoden zu machen.238

Krieck ging, typisch für die kulturkritischen Zeiten, in denen er erzogen worden war, von einer Defizitdiagnose aus. Für ihn war nicht nur die Pädagogik, sondern der gesamte Wissenschaftsbetrieb seit der Aufklärung, vor allem aber seit dem 19. Jahrhundert defizitär, und zwar insofern, als er einer notwendigen Entwicklung nach Ganzheit entgegenlief.239 Statt dessen strebten die Vertreter der voraussetzungslosen und "wertfreien" Wissenschaft seiner Ansicht nach auf direktem Wege in einen ziellosen Partikularismus der Ergebnisse und Meinungen. Dem stellte Krieck in den frühen 30er Jahren sein Konzept der einheitstiftenden "völkisch-realistischen Erziehungswissenschaft"240 gegenüber.

Durch Erziehung konnte, so seine positive Einschätzung, der Mensch und mit ihm die Gesellschaft umgeschaffen werden. In diesem Punkt blieb Krieck ganz der pädagogischen Tradition seit Rousseau verhaftet: "Der Mensch kann nur Mensch werden durch Erziehung, er ist nichts, als was Erziehung aus ihm macht"241. Krieck nahm die Formulierung Rousseaus allerdings allzu wörtlich. Er verstand Erziehung als das Individuum in seiner Ganzheit erfassendes, totalitäres Instrument zur Formung eines "neuen Menschen".

Für ihn war Erziehung "organisches Geschehen", die "Gesamtheit der von der Gemeinschaft auf den Nachwuchs ausstrahlenden Einwirkungen, soweit dadurch im Nachwuchs Wachstum gefördert und geformt, Anlagen zur persönlichen und gliedschaftlichen Reife gebracht werden,"242 und das unabhängig von ihrer pädagogischen Intention. Erziehung konnte als Vorgang also durchaus unbewußt vonstatten gehen.243

Ausgehend von den gemeinschaftlichen Lebensbereichen des Menschen konstatierte Krieck deren "typenzüchtende Funktion". Das heißt, die verschiedenen Kollektive des Lebensumfeldes, wie etwa Familie, Schule, Kirche, Beruf hätten jeweils einen eigenen Einfluß auf den Nachwuchs. Sie übernähmen also je einen Teil der Gesamterziehung. Wenn sich die verschiedenen "Lebensformen" in ihrer ideologischen Ausrichtung widersprächen, so verliefe die "Typenzucht" zwangsläufig uneinheitlich und divergent.244

An dieser Erziehungsauffassung fällt zunächst eines auf: Der Mensch wird auf ein reines Zoon politikon reduziert.245 Die Eingliederung des einzelnen in ein Volksganzes, "Gliedschaft"246 in der "Volksgemeinschaft", vor allem aber der "Dienst am Ganzen"247 wird zum universalen Ziel jeder Erziehung erklärt.

Das bedeutet zum einen, daß ein Staat, der seine Untertanen erziehen will, diese Erziehung möglichst universell, ja besser noch totalitär organisieren muß, um den maximalen Effekt zu erzielen. Krieck reichte jedoch die totale und einheitliche Erziehung durch einen institutionalisierten Apparat allein nicht aus. Viel wichtiger war ihm die einheitliche ideologische Prägung und Ausrichtung auf ein Ideal, die solche Totalität in der "Typenzucht" erst möglich machen würde.

In seinem Buch Menschenformung von 1925 hatte er noch allgemein formuliert:

"Die Individualität auszugleichen und zu verwischen liegt weder in der Aufgabe, noch in der Möglichkeit der Erziehung. Durch Zucht und Bildung aber werden diese Besonderheiten einem höheren Ganzen eingefügt: die Einzelnen werden als Genossen derselben Lebensform einander ähnlich in der Haltung, im Stil der Lebensführung, in den Wertungen und der Weltanschauung, in Wissen und Können, in den Normen des Handelns und Wollens, in der Struktur des Bewußtseins. Indem ihr Leben auf ein gemeinsames Vorbild, ein Ideal, eingestellt wird, fügen sie sich auch denselben Ordnungen ein und empfangen davon ihre Bildung. Jedes große Lebensideal kann zu einem typenbildenden Prinzip werden."248

Als sich Krieck 1931 dem Nationalsozialismus politisch zuwandte, richtete er auch seine Erziehungstheorie ideologisch total nach völkischen Kriterien aus.249

In der Nationalsozialistischen Erziehung von 1933 schrieb er:

"Erziehung erfolgt durch die einzelnen Volksordnungen: jede von ihnen züchtet am Nachwuchs die ihr zugekehrte und zugehörige Seite des sozialen Lebens: der Staat die politische, der Beruf die berufliche, die Glaubensgemeinschaft die religiöse Veranlagung. Auch diese Vielstrahligkeit der einzelnen Erziehungswirkungen kommt niemals durch rationale Planung und Organisation zur letzten Einheit des Sinns und Ziels. Vielmehr findet die Vielheit der erzieherischen Wirkungen ihre Einheit genau dort, wo sich auch die vielen Teilgemeinschaften zur selbständigen und vollständigen Ganzheit fügen: im lebendigen Volkstum."250

Damit hatte Krieck den entscheidenden Schritt hin zur "völkischen Erziehung" getan.

Das "Volkstum"251 war also die bindende Kraft im Krieckschen Idealstaat und dieser eine "organische" Einheit von Staatsorganisation und Staatsvolk, eben ein völkischer Staat.

"Sein Sinn ist die organische Ganzheit des Volkes, die über jedem Glied zwar das strenge Gesetz der übergeordneten Ganzheit errichtet, jedem Glied aber um seiner dem Ganzen lebensnotwendigen Funktion, Leistung und Dienstschaft willen auch seine gliedhafte Eigengesetzlichkeit und Selbstbestimmung überläßt."252

Der nationalsozialistische Staat sollte ein "Erziehungsstaat"253 sein. Wie der Pädagoge Karl-Friedrich Sturm es in den Kategorien Kriecks formulierte, "Menschenformung ist für ihn nicht eine Aufgabe neben anderen, sondern eine Seite aller seiner Aufgaben."254

Doch darf Kriecks nachträgliche ideologische Füllung seiner Erziehungstheoreme nicht über deren grundsätzliche totalitäre Virulenz hinwegtäuschen.255 Sein schon 1925 aufgestelltes Postulat der bewahrten Individualität in der Gemeinschaft war in sich widersprüchlich. Freie Entfaltung des Individuums wurde von ihm nämlich, das zeigt das Zitat, schlechterdings als Aufgehen in die Gemeinschaft definiert. Sie konnte also bestenfalls freiwillige Selbstbeschränkung im Dienste eines kollektiven "Lebensideals" sein.

Der Inhalt jeder völkischen Pädagogik war klar: "Assimilation ist das Grundgesetz der Gemeinschaft, darum auch das Prinzip der Erziehung. Und sie wird in ihrer Art bestimmt aus dem Lebensuntergrund der Gemeinschaft, aus dem deren Zusammenhalt, die Ganzheit, stammt."256

Ganz der völkisch-"rassischen" Ideologie entsprechend, meinte Krieck mit diesem "Lebensuntergrund" natürlich den "rassisch bestimmte[n] Blutstrom", der "Untergrund und Ziel völkischer Erziehung" zugleich ausmache. 257

Denkt man diesen Ansatz konsequent zu Ende, heißt das, daß diejenigen, die nicht qua Rasse zur "Volksgemeinschaft" gehörten oder die aufgrund ihrer fehlenden Dienst- und Leistungsbereitschaft nicht assimilierbar waren, auch nicht erzogen werden sollten.

Dem biologistischen Aspekt der völkischen Ideologie wurde auf diese Art Genüge getan. Völkisches Denken ist aber immer auch mythologisches Denken.

Bei Kriecks Darstellung der eigenen Erziehungsutopie bedarf es nicht der langen Suche, um das mythische Vorbild des völkisch-"rassischen" Geschichtsbildes, diesmal im pädagogischen Mäntelchen, auszumachen:

"Aus verschütteten Tiefen des Gemeinschaftslebens soll die alte rassisch-völkische Grundlage heraufsteigen als Rückgrat einer neuen Zukunft, in der Gestalt des sich aus seinen Lebensuntergründen erneuernden Volkes. Darum schaut die nationalsozialistische Erziehung bewußt zugleich zurück in die ferne Vorzeit, wo der rassische Charakter reiner als Vorbild hervortrat als in der Zeit der Vermischung und Vermanschung, um dann mit Herausarbeitung der Rassecharaktere und Herausgestaltung eines entsprechenden Menschenbildes dem Volk eine feste Achse der Haltung und mit dem Ziel bewußter Volkwerdung das maßgebende und verpflichtende System der Werte zu sichern."258

Hier zeigt sich einmal mehr, wie die immer gleichen Denk- und Argumentationsmuster verwendet wurden, um ganz verschiedene Lebensbereiche total zu vereinnahmen und zu kontrollieren, wie der rassistisch-totalitäre Diskurs des Nationalsozialismus alle Bereiche von Leben und Wissenschaft durchdrang. Denn es war ja ein "verpflichtende[s] System der Werte", das Krieck 1933 postulierte, das seine Legitimation im "organischen Staatsgedanken"259 fand und auf ein mythologisch-heilsgeschichtlich begründetes, pseudoreligiös-utopisches Ziel ausgerichtet war, auf die "Selbstvollendung" des deutschen Volkes:

"Damit [mit der bewußten Volkwerdung] ist zugleich das Gesetz nationalsozialistischer Erziehung gefunden, die sich aufgliedert in die grundlegende rassische Zucht und in die bewußt völkische Bildung auf der Grundlage des für alle Glieder der Gemeinschaft verpflichtenden Weltbildes, das seinerseits wieder bedingt ist einmal durch die deutsche Vergangenheit, andererseits durch die über der Gegenwart stehenden Gesamtaufgabe, durch die hindurch der Weg des deutschen Volkes zu seiner künftigen Selbstvollendung in neuer Gestalt und damit zur Erfüllung seiner Mission an den Völkern führen soll."260

Aus der historischen Rückschau stellen sich Kriecks ethnomane "Selbstvollendung" und politoreligiöse "Mission an den Völkern" als rassenideologisch motivierter Vernichtungsfeldzug Nazi-Deutschlands gegen das von ihm als "lebensunwert" definierte Leben dar.

Mit der Indienstnahme der Pädagogik für einen völkisch-deutschen Idealstaat harmonisierte Krieck nicht nur seine eigenen Erziehungsvorstellungen mit der nationalsozialistischen Ideologie. Er gab den kruden Erziehungsvorstellungen Hitlers erst ein theoretisches Gerüst, das zur Grundlage für staatliche Erziehungspolitik als Bestandteil der totalitären Machtpolitik werden konnte.261

Es muß noch einmal betont werden: Dieses Ideal galt nicht für alle. Auf den elitären Charakter dieses Menschenbildes kann nicht oft genug hingewiesen werden. Lediglich eine kleine "Herrenschicht" rassenbiologisch "reiner Arier" sollte über den Großteil der Bevölkerung herrschen, über die erbbiologisch-"rassisch" weniger "Hochwertigen".262 Diejenigen, die dem nationalsozialistischen Idealmenschentum überhaupt nicht genügten, waren nach Hitlers Meinung ohnehin nicht lebensberechtigt.263

Doch wie stellten sich völkische Pädagogen wie Krieck oder Alfred Baeumler Erziehung konkret vor?264 Was waren die Funktionen, Methoden und Mittel einer Assimilations-Pädagogik im nationalsozialistischen Sinne?

Die Aufgabe der staatlichen Erziehung war es, am Bau des neuen Staates zu partizipieren, indem sie bei den dazu Geeigneten, also den der "nordischen Rasse" angehörenden "Ariern", die "wertvollen" Wesensmerkmale förderte, um aus ihnen ideale nationalsozialistische Menschen zu formen, oder wie Krieck sagte, zu "züchten".265

Eine solche Erziehung fand de facto in bestimmten Ausleseschulen, Nationalpolitischen Erziehungsanstalten (Napolas) und Führerakademien statt266, auf niedrigerem Niveau aber, nach Krieck, in allen Organisationen des Staates, seinen "Gliedern": "Die neue Staatsordnung ist von Anfang an erfaßt und verfaßt als Emporzucht des Volkes". "Zucht" ließ sich eugenisch-medizinisch verstehen, meinte aber bei Krieck, auf die Möglichkeiten der Pädagogik bezogen, zunächst die "grundlegende Charaktererziehung im Dienste des Ganzen."267

Andererseits half der Erziehungsapparat bei der "Auslese" der "Minderwertigen".268

Die Auslese betraf vor allem körperlich und geistig behinderte Menschen und "Nichtarier", wie sie zunächst durch das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums, später durch die Nürnberger Rassengesetze definiert wurden. Aber es gehörten auch sozial Auffällige dazu, die als Asoziale abgestempelt wurden, ebenso wie Angehörige politisch Andersdenkender, die dem Prinzip der Sippenhaft zum Opfer fielen.269 Um diese Menschen brauchte sich die staatliche Pädagogik nicht mehr zu kümmern, da sie aus den Reihen der "Volksgemeinschaft" und somit auch von jeder Erziehung ausgeschlossen waren.270

Neben die Biologismen "Zucht" und "Auslese" — letztlich Synonyme der Begriffe "Aufnordung" und "Ausrottung" —, den aus dem "organischen Staatsgedanken" legitimierten Funktionen der Erziehung, trat eine dritte, die "Bildung" als die Vermittlung beziehungsweise Aneignung von Wissen. Sie fiel hauptsächlich in den Aufgabenbereich der Schule.

Interessant ist jedoch, wie beispielsweise Krieck "Bildung" definierte:

"Auf der Grundlage persönlichen Erfahrens und Erlebens wird das Weltbild ausgebaut, stufenmäßig ausgeweitet und vertieft durch Einfügen und Einbilden des in der Gemeinschaft vorhandenen, ihrer Art und ihrem Sinn Ausdruck gebenden geistigen Gutes. Durch dieses Einbilden geistigen Gutes erlangt der heranwachsende Mensch sein Weltbild. Der Gang der Darbietung und Aneignung selbst heißt 'Bildung' und wird zum größten Teil, wenigstens soweit Darbietung und Aneignung nach Methode und in planmäßig organisierter Form erfolgen, durch die Schule geleistet."271

"Bildung" war also ein im hohen Maße selektiver Vorgang. Nur dasjenige Wissen sollte durch sie vermittelt, beziehungsweise gelernt werden, das der "Art" und dem "Sinn" der Gemeinschaft, also ihrem "völkisch-rassisch-politische[n] Weltbild"272 entsprach.

Ähnlich wie Ernst Krieck sah der Pädagoge Alfred Baeumler den Bildungsbegiff: "Indem der heranwachsende Mensch geistige Gehalte produzieren und reproduzieren lernt, 'bildet er sich'."273

Bei ihm stand jedoch nicht die Bildung eines nationalsozialistischen Weltbildes durch die Vermittlung des entsprechenden Wissens im Vordergrund, wie dies bei Krieck der Fall war. Baeumler richtete das Augenmerk des Erziehers vielmehr auf das "Gemüt" der Heranwachsenden, ihren Charakter.274 Gefühle und Stimmungen, die ein Erzieher bei seinem Zögling zu erzeugen hatte, sollten zu einem einheitlichen nationalsozialistischen Charakterbild, einem "Typus" führen.275

Der im deutschen Menschen nach völkischen Vorstellungen "rassisch" angelegte "arische" Charakter sollte durch die entsprechende Erziehung ausgebildet und gefestigt werden: "Anlagen sind Möglichkeiten, nicht vorgegebene feste Größen."276 War sein Charakter voll zur Geltung gekommen, konnte der Mensch effektiver in den Dienst der "Volksgemeinschaft" gestellt werden.277

Die Hinwendung zu "Gefühl" und "Gemüt" ist etwas mißverständlich. Die nationalsozialistische Auffassung dieser Begriffe hatte nichts mit Sensibilität zu tun, sondern machte nur die antiintellektualistische Stoßrichtung dieser Erziehung deutlich: "Wir wollen aber nicht den theoretisierenden Menschen, wir wollen den handelnden, den verantwortungsbereiten Mann bilden" mit dem immer wieder formulierten Ziel: Der "Bereitschaft, im Dienste dieser kleinen oder großen Gemeinschaft sich zu opfern, wenn es sein muß, bis zum letzten."278

Hier spielten für Baeumler die außerschulischen Bildungseinrichtungen die entscheidende Rolle. In ihnen dominierte das Erleben und Fühlen, ließ sich Autorität an Kinder und Jugendliche delegieren, also paramilitärisches Führertum trainieren. Dort ließ sich erfahrbar machen, was "Gliedschaft" in einer großen Gemeinschaft war. Das versprach mehr Identifikation mit dem System als die vom Lehrer geleistete Schulerziehung. Erst später wies Baeumler auch der Schule einen aktiven Part bei der Charakterbildung zu. Auch sie konnte, ja mußte aktiv werden, um durch Gruppenerleben etwa in Form von Schulfeiern, Klassenfahrten in Landschulheime oder die geschlossene Teilnahme an Veranstaltungen identifikatorisch auf die Jugend einzuwirken. 279

Für die Jungen bedeutete die nationalsozialistische Erziehung, wie gesehen, den Weg zum "politischen Soldaten". Für Mädchen und junge Frauen war als Ziel der Erziehung das Aufgehen in der Hausfrauen- und Mutterrolle vorgesehen:

"Aus den Forderungen eines lebensnahen Unterrichts folgt ohne weiteres, daß die Mädchenerziehung sich nach anderen Gesetzen vollziehen muß als die Jungenerziehung, daß sie nie zu einem Abklatsch der Erziehung der männlichen Jugend werden darf. Die naturgegebene Verschiedenheit der Geschlechter prägt sich schon im Kinde und seinem Lebenskreis aus, darum muß die Erziehung des Mädchens zu seiner Verantwortung in Volk und Staat aus eigener Wurzel erwachsen. Das heißt, daß der Unterricht in allen Fächern der Mädchenschulen, nicht nur in den Fächern des Frauenschaffens, ohne Gefühlsschwärmerei von der Natur und der Welt des Weibes ausgehen und das Ziel im Auge behalten muß, daß der Führer in dem Satze ausgesprochen hat: 'Das Ziel der weiblichen Erziehung hat unverrückbar die kommende Mutter zu sein.'"280

Entsprechend wurden die Erziehungsziele und -methoden abgewandelt. Hier standen "Fächer des Frauenschaffens"281, modifizierter Sportunterricht282 und Vorbereitung auf die Mutterschaft auf dem Lehrplan. In den theoretischen Überlegungen der nationalsozialistischen Pädagogen fristete die Mädchenerziehung allerdings eine kümmerliche Randexistenz.283

Karl Friedrich Sturm hat in seinem Buch Deutsche Erziehung im Werden die methodischen Ansätze Baeumlers und Kriecks zusammengefaßt und vereinheitlicht. Angesichts der rhetorischen Ausgestaltung des Erziehungszieles einer Charakterbildung nehmen sich die konkreten Methoden eher banal aus:

"Alle Zucht veranlaßt zu häufig wiederholtem Tun oder Verhalten. Gleichförmig wiederholtes Tun ergibt Fertigkeiten und heißt im Hinblick auf dieses Ergebnis Übung. [...] Wiederholung eines bestimmten Verhaltens, die zur Gewohnheit als einer sich auch ungewollt einstellenden einförmigen Haltung in gewissen Lagen führt, heißt Gewöhnung. Indem man jemand in bestimmte Lebenslagen oder Lebensordnungen öfter oder langdauernd hineinstellt, bilden sich der Regel nach bestimmte Verhaltensweisen, feste Gewohnheiten heraus. Indessen ergibt vielfältige Gewöhnung lediglich eine Summe von Gewohnheiten, noch nicht mit Notwendigkeit eine Gesamthaltung. Denn Gewohnheiten können auch äußerlich aufgeprägt sein und entbehren dann des gemeinsamen Mittel- und Schwerpunktes."284

Man muß diese Ausführungen Sturms auf den Inhalt des Charakterbildes hin lesen, der, hier im Krieckschen Sinne, durch "Zucht" transportiert werden sollte. Der "soldatisch-heldische Mensch" sollte durch "Übung" zu "Gewöhnung" und durch sie zu "Haltung", dem Charakter, "gezüchtet" werden. Unweigerlich kommt einem hier militärischer Drill in den Sinn, dessen Ergebnis nur unreflektierte Mechanismen und Automatismen sein können.

Sturm erkannte durchaus die daraus resultierende Sinnlücke, den Mangel einer, wie er es nannte, "Gesamthaltung". Denn militärischem Drill fehlt, modern gesprochen, die Primärmotivation. Dieser Mangel eines verinnerlichten Motivations- und Rechtfertigungsmechanismus' ließ sich, so Sturm, nur durch implantierte weltanschaulich-mythologische Sinngebung beheben:

"Einzig und allein von innen her, aus der Verlebendigung des Mythos erwächst eine in sich einheitliche und geschlossene Haltung. Echte Erziehung ergibt sich aus dem Zusammengehen der Zucht mit dem was die Reformpädagogik in der Erleuchtung vergeblich suchte und was der Nationalsozialismus in der formenden Kraft des Mythos gefunden hat."285

Was bedeutete das für die Schule, der ja die weltanschauliche Füllung der Charakterbildung oblag, die aus dem "Mythus den Typus"286 gestalten sollte?

Charaktererziehung in der Schule konnte sich nicht auf die Wissensvermittlung beschränken. Eine rein "formale" Erziehung lehnten die nationalsozialistischen Pädagogen ab, statt dessen wurde die des "ganzen Menschen" angestrebt, und eine solche bedurfte der "ganzheitlichen" Bildung.287 So standen neben der "geistigen Schulung und Bildung" auch die "gymnastische" und die "musische Erziehung".

Die Zielrichtung der "Leibesübungen" in der Schule war klar vorgegeben: Sie sollte "durch Gemeinschaftserziehung und planmäßige Entwicklung zur körperlichen Leistung und zum kämpferischen Einsatz führen und damit die Voraussetzung für die Wehrhaftigkeit schaffen."288

Nach der Vorgabe Hitlers, der in Mein Kampf geschrieben hatte: "Die Schule als solche muß in einem völkischen Staat unendlich mehr Zeit freimachen für die körperliche Ertüchtigung."289

Wissensvermittlung und körperliche Vorbereitung auf den Kriegseinsatz betrafen "Geist" und Körper des zu bildenden Menschen. Was noch fehlte, war die "Seelenbereitung und Seelenpflege"290, etwas, das man mit religiöser Empfindung oder Glaube bezeichnen könnte. Glaube aber benötigt immer auch Symbole, und Musik eignet sich von jeher als Symbolträgerin.291 Hier setzte die "musische Erziehung" an, eingebunden in (der Inszenierung nach) kultische Handlungen: "Zu ihrer wirksamsten Form kommt die musische Erziehung in der Feier."292 Im vierten Hauptabschnitt dieser Arbeit, der sich mit der Didaktik genauer beschäftigen soll, wird auf die Schulfeier und ihre Wirkungsabsichten noch näher eingegangen werden.

3. 2. 3 Zweites Fazit: Nationalsozialistische 'Erziehung' — Dressur zum Krieg

Beide Ansätze, der Kriecks und der Baeumlers flossen als offizielle Pädagogik in die Didaktik des nationalsozialistischen Schulunterrichts ein.293

Durch Erziehung sollte die Gemeinschaft also Welt- und Charakterbild des Menschen formen. Sie konstituierten den idealen, in der "Volksgemeinschaft" voll assimilierten "Typus, Kristallisation rassisch-völkischer Lebensform."294

Ein wichtiger Aspekt der Theorien Kriecks und Baeumlers, der sie für den Nationalsozialismus interessant machte, beziehungsweise der dazu führte, daß er sich für ihn interessierte, war der ideologische Überbau, oder, der Terminologie der Zeit vielleicht entsprechender, der 'weltanschauliche Untergrund'.

Sowohl Krieck als auch Baeumler fanden ihre argumentativen Grundlagen im heilsgeschichtlich geprägten "rassisch"-völkischen Gedankengut. Damit bekam die nationalsozialistische Pädagogik dieselben axiomatischen Voraussetzungen wie das nationalsozialistische Geschichtsbild.

Die Kombination aus Zukunftstraum und Rückprojektion war auch für die nationalsozialistische Pädagogik konstitutiv. Ihr ging es weniger um den idealen Staat und seine Strukturen, als um seinen idealen Bewohner und seine Eigenschaften. Ebenfalls einem logischen Zirkelschluß verfallend, machten Krieck und Baeumler ihren heldischen Idealmenschen, den "politischen Soldaten", zum historischen Phänomen, um ihm in der Zukunftsprojektion ein 'historisch' gesichertes Erscheinungsbild verleihen zu können.

Die pädagogische Pragmatik bestimmte der Antirationalismus der nationalsozialistischen Pädagogen, der aus dem Bildungsbegriff ein stupides Nachbeten von neomythischen Glaubenssätzen machte, verbrämt mit der entsprechenden musikalische Begleitung, etwa dem "Horst-Wessel-Lied". Dabei sind die sakralen Anklänge unübersehbar: Erinnert sei an die Sakralisierung des Bildungsbegriffs bei Krieck und an Sturms theologisch anmutende Auslassungen zur Feier als einer der "Grundformen der völkischen Bildung" (nach Philip Hoerdt). Damit stellten die nationalsozialistischen Erziehungswissenschaftler ihr akademisches Fach in den Dienst der "politischen Religion".

Die Attraktivität von Kriecks Assimilationspädagogik und Baeumlers Konzept der Charaktererziehung für die Bildungspolitik lag indes vor allem in ihrer Instrumentalisierbarkeit für den totalitären Staat nach nationalsozialistischem Muster.

Der Eigenwert des Individuums wurde zwar nicht geleugnet, allerdings war seine Maßeinheit für Krieck der Grad der Assimilationsfähigkeit. Und auch Baeumlers Appell an das Gemüt des einzelnen hatte allein die identifikatorische Eingliederung in die Gemeinschaft zum Ziel, nach dem Motto: "Du bist nichts, dein Volk ist alles". Die Reduktion des Menschen auf ein Gemeinschaftswesen und die Leugnung seiner individuellen Bedürfnisse machten aus dem nationalsozialistischen 'Erziehungs'-Begriff eine contradictio in adiecto.295

Das Prinzip der Ausgrenzung des "Volksfremden", für die Ideologie und ihren Staat "Unnützen", beschränkte sich aber nicht auf Gedankengut. Die Opfer dieser Pädagogik waren Menschen, die von der ihr zugrunde liegenden Ideologie zu Menschenmaterial, zu Ausschuß abgewertet wurden.

"Auslese" wurde als Biologismus ebenso wörtlich genommen wie "Zucht" und so Erziehung, für das Projekt "Volksgemeinschaft" instrumentalisiert, zur unmenschlichen Dressur.

Mit dem totalitären, aggressiven Staat ging auch die Pädagogik auf Kriegskurs.

Die "Formation" der Volksgenossen nach militärischem Muster in Lagern aber auch in der Schule, etwa durch Feierstunden, zielte auf die völlige weltanschauliche und emotionale Vereinnahmung des Nachwuchses mit dem Zweck der militärischen Einsatzbereitschaft.296

Der "politische Soldat" sollte nicht politisch denken, sondern sich glaubend opfern.

Der faschistische Agitator ist im
allgemeinen ein meisterlicher Verkäufer
seiner eigenen psychischen Defekte.
Th. W. Adorno (1946)

3. 3 "...maßvoller, gebundener Arbeitsunterricht" — Geschichtsdidaktische Konzepte

3. 3. 1 Die Lehrziele des nationalsozialistischen Geschichtsunterrichts

In seinen Zielen konzentriert sich der Geschichtsunterricht gemäß der nationalsozialistischen Erziehungsdoktrin auf die Bildung des ideal ausgerichteten Mitglieds der Volksgemeinschaft, den "rassisch"-völkisch denkenden und national handelnden "politischen Soldaten".297

Im nun folgenden Abschnitt wird versucht zu zeigen, wie sich Geschichtsbild und Pädagogik in den geschichtsdidaktischen Konzepten einflußreicher nationalsozialistischer Autoren wie Dietrich Klagges, Heinrich Schnee oder Arno Jaster niederschlugen298

Zur Annäherung mag eine Analyse des Terminus "nationalpolitische Erziehung" dienen.299

Schulunterricht, insbesondere der Geschichtsunterricht war nach Ansicht der Nazi-Pädagogen und Didaktiker ein Bestandteil nationalsozialistischer Erziehung, und zwar derjenige, der sich primär auf die Vermittlung von weltanschauungskonformem Wissen kaprizierte.300 Er war jedoch nicht nur Unterricht, sondern auch "Erziehung" insofern, als er diese Wissensvermittlung als "ein Mittel zur Richtung und Stärkung des Willens, zur Festigung des Charakters"301 instrumentalisierte. Er sollte nach dem Konzept Rosenbergs statt des "Verstandesmenschen" den "Willensmenschen"302 formen. Diese zwei "Menschentypen" wurden als Gegensatzpaar verstanden: "Übermäßige Gedächtnisbelastung lähmt den Willen."303 Der Geschichtsunterricht sollte "Willensimpulse wecken", sich "an Willen und Gefühl wenden"304.

Geschichtsunterricht im nationalsozialistischen Sinne richtete sich also (gemäß der pädagogischen Vorstellungen Kriecks und Baeumlers) an den "ganzen Menschen" und bezog daher Vermittlungsstrategien mit ein, die über rein rationale Bildung hinausgingen. Dazu bedurfte es eines Unterrichts, "der lebendig gestaltet ist, der erwärmt und begeistert"305.

Neben diesem primärmotivatorischen Element des Geschichtsunterrichts stand jedoch auch die Forderung nach Leistung. Die "Eigentätigkeit des Schülers"306 sollte durch die Unterrichtsgestaltung gefördert werden — ein reformpädagogisches Konzept.307

Das Adjektivattribut "nationalpolitisch" bezog sich auf Art und Ziel dieser Erziehung durch Unterricht. Die "politische Geschichte" erhielt Vorrang vor anderen Forschungsfeldern, etwa der Kultur-, Kunst- oder Kirchengeschichte. Zudem sollten im Unterricht nur Lehrinhalte vermittelt werden, die die Nationenbildung des deutschen Volkes zum Thema hatten.

Objektivität, die Grundvoraussetzung der Wissenschaften, wurde in diesem Zusammenhang von Klagges als "Gleichgültigkeit" und "Charakterlosigkeit"308 verworfen. Er postulierte statt dessen einen neuen Objektivitätsbegriff: "Unbeirrt und unverrückbar stehen wir auf dem Felsen, der Deutschtum heißt. Wir sind objektiv, wenn wir deutsch sind."309

Eine solche Aussage implizierte natürlich eine Absage an die "voraussetzungsfreie Wissenschaft" und setzte ihr eine "Wertung" nach bestimmten Kriterien entgegen: Der Nationalsozialist "stellt [...] die Wichtigkeit eines Geschehnisses allein danach fest, in welcher Weise und mit welcher Kraft es auf das deutsche Schicksal eingewirkt hat."310

Klagges war jedoch klug genug, um zu wissen, daß solche Auslassungen nur zu leicht in den Ruf der unseriösen Wissenschaft und Geschichtsklitterung kommen konnten, weshalb er vor überheblicher "Besserwisserei"311 aus der Rückschau warnte.

Die nationalistische Umgewichtung und Wertung des historischen Stoffes hatten den Vorteil, daß sie seine Menge reduzieren halfen, indem "Unwesentliches", ergo Nonkonformes aus dem Unterricht verschwand. Damit kam die Geschichtsdidaktik einer Forderung Hitlers nach, entsprach aber auch der antirationalistischen Grundeinstellung der führenden Pädagogen.312 Das historische Detailwissen und Allgemeinwissen wurde schlechterdings für unwichtig erklärt, es sei "tatlähmende Aufhäufung von totem Wissensvielerlei"313. Denn: "Der Nationalsozialismus ist die Weltanschauung der Zusammenschau, die sich niemals in Einzelheiten verliert"314.

Der Akzent wurde statt dessen auf die "großen Entwicklungslinien" gesetzt. Diese wurden, das ist im inhaltlichen Teil dieser Arbeit dargelegt worden, unter den Schlagworten "Blut und Boden", "heldisch-germanische Lebensweise", "arische Kulturträgerschaft" und "Volkwerdung der Deutschen" subsumiert.315

3. 3. 2 Begeisterung und Führung — der Lehrer als propagandistischer Manipulator

Geschichtsdidaktik wendet sich an Lehrer. Um verstehen zu können, wie nationalsozialistischer Geschichtsunterricht nach den Vorstellungen der offiziellen Didaktik funktionieren sollte, muß man sich daher zunächst ihr Lehrerbild bewußtmachen.316

Bei der Lektüre verschiedener didaktischer Schriften aus der Zeit des Nationalsozialismus zeichnet sich ein verhältnismäßig einheitliches Lehrerbild ab. Gemeinsam ist ihnen allen die Forderung nach dem überzeugten Nationalsozialisten, der das verkörpert, wozu er seine Zöglinge erziehen soll. Doch eine Forderung nach etwas bedeutet gleichzeitig den akuten Mangel daran: Man habe kein "Erziehungsproblem", schrieb Arno Jaster 1937, man habe ein "Erzieherproblem": "denn es gibt kaum ein Unterrichtsfach, in welchem so schwer gesündigt wurde wie im Geschichtsunterricht. Und noch gesündigt wird, wollen wir hinzusetzen."317

Das Problem: Die Erzieher dümpelten "noch ganz im liberalen Fahrwasser" und hätten gerne "die Freiheit einer Entschließung vorbehalten, wo es gar nichts mehr zu beschließen" gab, sprich, man habe "den Anspruch auf Totalität noch nicht begriffen"318, den der neue Staat erhob. Denn die "Schule als Veranstaltung dieses nationalsozialistischen Staates soll lebendigster Ausdruck dieses Totalitätsanspruchs sein."319

Das bedeutete zum einen, daß die Schule vom Staat total vereinnahmt und für seine Ziele instrumentalisiert wurde, zum zweiten aber auch, daß der Lehrer sich ganz in den Dienst des Staates, genauer in den des "Führers" stellte320: "Ich schwöre: Ich werde dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes, Adolf Hitler, treu und gehorsam sein, die Gesetze beachten und meine Amtspflichten gewissenhaft erfüllen, so wahr mir Gott helfe"321, lautete der Amtseid, den Lehrer ab dem September 1934 zu leisten hatten.322

Doch traute die nationalsozialistische Verwaltung auch den vereidigten Geschichtslehrern nicht ganz über den Weg:

"Damit aber der Geschichtsunterricht wirklich den gewünschten Erfolg bringt, ist es nötig, daß er von durchaus geeigneten und befähigten Lehrern erteilt wird. Die Lehrer- und Einzelpersönlichkeit gibt vor allem hier den Ausschlag.

An Schulen, an denen der NSDAP. angehörende, für den Geschichtsunterricht geprüfte und für die Erteilung gerade dieses Unterrichts zweifellos besonders befähigte Lehrkräfte vorhanden sind, sollen in erster Linie diese in weitgehendem Maße als Geschichtslehrer herangezogen werden."323

Das Engagement des Lehrers für den Staat sollte sich allerdings nicht nur auf politisch-rationale Identifikation beschränken, sondern, wie Jaster es formulierte, "heilige Herzensneigung"324 einschließen, also Glauben.325

Dieser Gedankengang entstammt natürlich religiösem Denken. Der Glaube kann sprichwörtlich "Berge versetzen"326, er 'beflügelt' und 'beseelt', um einige Metaphern für das hier gemeinte Phänomen anzuführen. Wenn ein Mensch nur stark genug an eine Sache glaubt, kommt der "innere Willen" zur "Mission"327 ganz von selbst, er läßt sich freiwillig und effektiv für die 'Glaubenssache' instrumentalisieren.328 Kraft seines nationalsozialistischen Glaubens konnte der Geschichtslehrer den Stoff dann so vermitteln, daß neben den rationalen Fähigkeiten seiner Schüler auch deren Emotionen angesprochen, ein "innere[s] Gepacktsein"329 ausgelöst werden konnte.

Auf diese Art und Weise sollte der Lehrer als "Erzieher" wirken und nicht, wie in "einer liberalistischen Zeit", lediglich "Wissenspauker"330 sein.

Dazu bedurfte es nach Heinrich Schnee freilich auch einer entsprechenden "Erzählergabe"331, allgemeiner formuliert, es bedurfte propagandistischer Fähigkeiten. Hier stand an erster Stelle die Forderung der Didaktiker, den Stoff dem Alter der Schüler angemessen darzustellen.

Die Ansätze eines reformpädagogischen Arbeitsunterrichts, in dem die Schüler etwa im "freien Lehrgespräch" eigenständig Problemstellungen diskutierten, wurde von nationalsozialistischen Didaktikern abgelehnt.332 Der Lehrer, so schrieb Heinrich Schnee, solle "stark führen", statt nur zu "dirigieren"333. Der Lehrer sollte demnach in die Rolle eines Führers durch den Stoff schlüpfen, glaubhaft, angemessen, identifikationsstiftend. "Ohne eine lebendige Lehrerpersönlichkeit ist der beste Lehrplan tot."334

Die nationalsozialistische Formationserziehung duldete kein Ausscheren aus der Reihe. Die Schule konnte keine Alternative zur paramilitärischen Formierung der Jugend in den staatlichen Organisationen sein, sie mußte sie ergänzen, sich ihre Struktur zu eigen machen. Der Lehrer sollte auch Jugendführer sein. So forderte etwa Ulrich Haacke, der junge Lehrer müsse "hineinwachsen in das Gemeinschaftsleben mit den Jungen und Mädchen". Das war seiner Meinung nach wichtiger als die "wissenschaftliche Ausbildung".335

Da man unter Pädagogen vom "politischen Soldaten" sprach, den man "züchten" wolle, kann das hier gezeichnete Bild des Erziehers nicht verwundern: Der bayerische Kultusminister Hans Schemm brachte es folgerichtig auf den Punkt: Der nationalsozialistische Lehrer als "Synthese aus Erzieher und Offizier"336.

Die Ansprüche der Geschichtsdidaktiker an ihre Zielgruppe erinnern stark an die Ausführungen Hitlers über Geschichtsunterricht allgemein, vor allem aber über seinen eigenen Geschichtslehrer an der Realschule in Linz. Immer wieder wird die folgende Passage als Allegat oder leicht modifiziert übernommen, in jedem Fall erwähnt.337 Hitler hatte, getreu des Mein Kampf strukturierenden mythologischen Musters, in der Legende von seinem Lehrer Professor Pötsch den Prototyp, eine Art Urbild des nationalsozialistischen Lehrers gezeichnet, das es von Seiten des Nachwuchses anzustreben galt338:

"Die Kunst des Lesens wie des Lernens ist auch hier: Wesentliches behalten, Unwesentliches vergessen.

Es wurde vielleicht bestimmend für mein ganzes späteres Leben, daß mir das Glück einst gerade für Geschichte einen Lehrer gab, der es als einer der wenigen verstand, für Unterricht und Prüfung diesen Gesichtspunkt zum beherrschenden zu machen. In meinem damaligen Professor Dr. Leopold Pötsch an der Realschule in Linz, war diese Forderung in wahrhaft idealer Weise verkörpert. Ein alter Herr, von ebenso gütigem als auch bestimmenden Auftreten, vermochte er besonders durch eine blendende Beredsamkeit uns nicht nur zu fesseln, sondern wahrhaft mitzureißen. Noch heute erinnere ich mich mit leiser Rührung an den grauen Mann, der uns im Feuer seiner Darstellung manchmal die Gegenwart vergessen ließ, uns zurückzauberte in vergangene Zeiten und aus dem Nebelschleier der Jahrtausende die trockene geschichtliche Erinnerung zur lebendigen Wirklichkeit formte. Wir saßen dann da, oft zu heller Glut begeistert, mitunter sogar zu Tränen gerührt. Das Glück ward um so größer, als dieser Lehrer es verstand, aus Gegenwart Vergangenes zu erleuchten, aus Vergangenheit aber die Konsequenzen für die Gegenwart zu ziehen."339

Wenn der Geschichtsunterricht als Propagandawerkzeug fungieren sollte, mußt diese Verknüpfung von Vergangenheit und Gegenwart gebildet werden, und zudem Zukunftsperspektiven aufzeigen. Er mußte also das ganze Spektrum des nationalsozialistischen Geschichtsbildes abdecken.340

Das Vergangene in der Gegenwart konkret machen — der mitreißende Vortrag ist dafür eine Möglichkeit. Ebenso anschaulich jedoch läßt sich solches mit Hilfe der Quellenarbeit oder der Lektüre historischer Jugendliteratur bewerkstelligen. Diese drei Methoden, die auch den nationalsozialistischen Geschichtsunterricht bestimmten, sollen im nächsten Abschnitt genauer untersucht werden.

3. 3. 3 Lehrervortrag, Quellenarbeit und Erzählungen im Geschichtsunterricht — Arbeitsunterricht?

Es wurde bereits angesprochen, daß die nationalsozialistischen Didaktiker sich weitgehend gegen die in der reformpädagogischen Bewegung entwickelten neuen Unterrichtskonzepte stellten. Am auffälligsten ist die Abgrenzung zum reformpädagogischen Projekt des Arbeitsunterrichts, der die Schüler aus ihrer rein rezeptiven Haltung befreien und zur aktiven und produktiven Mitarbeit im Unterrichtsgespräch animieren wollte. Tatsächlich fand aber von nationalsozialistischer Seite keine Auseinandersetzung mit dieser Methode statt, vielmehr ging man primär von den eigenen Unterrichtszielen und vom eigenen Lehrerbild aus und suchte nach Unterrichtsmethoden, mit denen diese realisierbar schienen. "Der Arbeitsunterricht wird dann von selbst zur Durchführung kommen."341 Freilich nur ein neu definierter Arbeitsunterricht:

"Der Kampf um den Lehrervortrag im Geschichtsunterricht beruht im Grunde auf einer falschen Auffassung des Begriffes Arbeitsunterricht, auf einer Verwechslung mit Aktivität. Wir wissen aber alle, daß äußere Aktivität noch kein Beweis für wirklich geleistete Arbeit ist. Stilles, aufmerksames Zuhören kann mehr Arbeit bedeuten als eine lebhafte Betätigung der Finger. Auch der Vortrag des Lehrers ist eine Form des Arbeitsunterrichts."342

Schnee wußte um die potentielle Popularität solcher modernisierender Redefinitionen, die die "im besten Sinne des Wortes konservativ[en]" Geschichtslehrer vor neuer Methodik bewahrten neuer Methodik, die in ihren Augen "zu einem radikalen Subjektivismus und zur Zerstörung der Autorität" des Lehrers hätte führen können.343 Das Vorgehen Schnees ist in gewisser Weise typisch nationalsozialistisch. Begriffe, die vor der "Machtergreifung" modern, populär und vieldiskutiert waren, wurden mit gänzlich anderem oder stark modifiziertem Inhalt in den offiziellen Sprachgebrauch übernommen, etwa "sozialistisch".

Der Lehrervortrag sollte zusammen mit der Lektüre des Geschichtsbuchs sozusagen das Fundament jedes Geschichtsunterrichts bilden,344 denn, so Klagges, die Beschaffung des "wissenschaftlichen Materials von den Schülern zu verlangen, heißt Früchte dort pflücken wollen, wo noch keine Bäume gepflanzt sind."345

Natürlich paßt der frontale, monodirektionale Unterrichtsstil zum Bild des indoktrinierenden 'pädagogischen Offiziers', doch sollte sich auch der zukünftige "Willensmensch" in begrenzter Weise aktiv am Unterricht beteiligen. In dieser Hinsicht greift Klagges die zweite Forderung Hitlers auf, der Geschichtsunterricht solle gegenwartsbezogen sein. So schlägt er vor, die Schüler Kurzgeschichten, "Buch- und Tagesliteratur" mit geschichtlichem Inhalt sammeln und im Unterricht reproduzieren zu lassen.

"Die geschichtlichen Kräfte, Entwicklungslinien, Wahrheiten und Gesetze, auf deren Gewinnung der Unterricht abzielt, fordern zu ihrer Weiterverfolgung in neuen Zeitabschnitten und zu ihrer Anwendung auf neue Geschehnisse geradezu heraus. Nachdem solche Maßstäbe einmal gewonnen sind, würde es Mühe kosten, die Jugend von ihrer selbständigen Anwendung fernzuhalten, und es wäre sicher eine pädagogische Sünde des Lehrers, wenn er sich diese Mühe geben wollte, statt die seiner Obhut anvertrauten jungen Deutschen in ihrer Selbständigkeit zu fördern und so ihre politische Urteilsfähigkeit begründen zu helfen."346

Worauf der nationalsozialistische 'Arbeitsunterricht' hinauslaufen sollte, wird durch dieses Zitats deutlich. Die durch den mitreißenden Lehrervortrag indoktrinierten 'Glaubenssätze' und "Wahrheiten" sollten anhand von propagandistischer Literatur und mit Hilfe der staatlich kontrollierten "Tagesliteratur", etwa dem Völkischen Beobachter oder dem Stürmer, reproduziert werden. Das Auffinden und unreflektierte Wiederkäuen ideologischer Phrasen wurde von Klagges, man denke an seine Ausführungen zur historischen 'Wertung', als "Selbständigkeit" oder gar "politische Urteilsfähigkeit" gelobt.

Damit war Friedrich Sturms Konzept der 'Erziehung' durch "Übung", also der "gleichförmigen Wiederholung" und der daraus resultierenden "Gewöhnung" erfüllt. Den Schülern sollte durch das totale und monotone ideologische Bombardement in Schule, Jugendorganisation und Medien das nationalsozialistische Weltbild und durch das unreflektierte, daher unkritische Reproduzieren das nationalsozialistische Charakterbild des "politischen Soldaten" implantiert werden. Der Geschichtsunterricht spielte dabei die entscheidende Rolle, da in ihm die mythologisch-völkischen Denkmuster trainiert wurden, auf denen das gesamte nationalsozialistische Weltbild ja aufbaute.

Ulrich Haackes Problematisierung dieser Form des Unterrichts, die den Lehrervortrag (er sprach von "Lehrererzählung") als Grundlage hatte, erscheint deshalb zunächst merkwürdig.

"Allzu häufige Wiederholung stumpft ab. Deswegen darf die Lehrererzählung nicht jede Unterrichtsstunde beherrschen. Sie muß Höhepunkt bleiben und aufgespart werden für die packenden, hinreißenden Ereignisse. Es darf nicht wieder so werden, daß der Inhalt der Geschichtsstunden besteht aus dem Lehrervortrag, Nacherzählen der Schüler, Abfragen von Tatsachen. Das vertiefende Durchdenken des Stoffes bei möglichst selbständiger Freitätigkeit der Kinder (Arbeitsunterricht) muß eine bedeutsame Rolle im Unterricht spielen. Dabei ist die Gefahr des intellektualistischen Zerredens zu vermeiden."347

Haacke versuchte also, den ursprünglichen, reformpädagogischen Ansatz des Arbeitsunterrichts für die "nationalpolitische Erziehung" nutzbar zu machen, wobei er den Schülern wesentlich mehr zutraute, als dies Schnee oder Klagges taten. Auch Haacke ließ aber keinen Zweifel daran, daß der Lehrer in einem solchen Arbeitsunterricht die Zügel fest in der Hand behalten solle. Seine Aufgabe war es zudem, schon im Vorfeld den "Stoff anzupacken, Gesichtspunkte zu finden für umfassende Betrachtungsweise, Ansatzpunkte zu entdecken, ihn zu Gegenwartsfragen in Beziehung zu setzen und nationalpolitisch auszuwerten."348 Von der Eigenständigkeit der Schüler blieb angesichts der verschiedenen vom Lehrer anzuwendenden Lenkungsmechanismen wenig übrig.

Auch die Anweisungen des Reichslehrplans von 1938 verdeutlichen, daß es den nationalsozialistischen Didaktikern nicht wirklich um die Auseinandersetzung mit dem Konzept des Arbeitsunterrichtes gehen konnte. Zu sehr widersprach es der Erziehungsauffassung und dem Lehrerbild, die dem neuen Geschichtsunterricht zugrunde liegen sollten:

"Unterrichtsgrundsatz ist ein maßvoller, gebundener Arbeitsunterricht, bei dem der Lehrer das Ziel setzt und die Führung fest in der Hand behält. Alles was die Selbsttätigkeit des Schülers fördert, ihn zu eigenem Denken und Urteilen führt, ist Arbeitsunterricht, mithin das Lebendige Lehrgespräch und der zur Mitarbeit anspornende Lehrervortrag ebenso wie die richtig vorbereitete und geleitete Gemeinschaftsarbeit mit Arbeitsteilung und -vereinigung und die sinnvoll gestellte Hausaufgabe.

Der Arbeitsunterricht darf nicht zu verantwortungslosem Kritteln und Zerreden führen oder in überhebliche Rechthaberei und bloßem Meinungsstreit steckenbleiben. Er muß vielmehr in einem Ergebnis, in einer Wertung und Entscheidung sein Ziel sehen. Dafür trägt der Lehrer die Verantwortung. Dem Lehrgespräch und dem lebendigen Lehrervortrag ist der gebührende Raum zu gewähren. Nur so ist es möglich, beim Jugendlichen durch Selbsttätigkeit Freude zu wecken, seine Kräfte zu stärken und doch ihn von höherer Warte aus zu leiten."349

Die Grundforderung der "Anschaulichkeit" des Geschichtsunterrichts führte auch zu einer Auseinandersetzung mit verschiedenen "Anschauungsmitteln", zum Beispiel in der geschichtsdidaktischen Zeitschrift des NSLB.350 Neben Karte und Atlas, die ja traditionell im Unterricht eingesetzt wurden, standen "Diagramm, Kartogramm und Schema" und die "Pfeilskizze"351 zur Disposition. Historischen Kartenwerken standen die Autoren der entsprechenden Beiträge in der Zeitschrift Vergangenheit und Gegenwart skeptisch gegenüber. Ihre Statik widersprach der nationalsozialistischen dynamischen Auffassung von Geschichte: Kartogramm, Diagramm und Schema "ermöglichen die gleichzeitige Versinnbildlichung eines Ergebnisses und der vorangegangenen Entwicklung und geben Aufschlüsse über zukünftige Bewegungen und Ereignisse."352 Auch hier also wieder die Dreigliederung aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft als konstituierendes Merkmal des nationalsozialistischen Geschichtsunterrichts.

Die graphische Darstellung und Vergegenwärtigung historischer Entwicklungen ließ sich aber auch im Sinne des "gebundenen Arbeitsunterrichts" einsetzen. Gerhard Köster wandte sich in seinem kurzen Artikel Die Pfeilskizze gegen dynamisierte Darstellungen in Geschichtsbüchern und Kartenwerken, denn "der auf die Wandkarte gezeichnete Pfeil ist erstarrte Bewegung, er nimmt das Ergebnis meiner mündlichen Darstellung vorweg." Sein Vorschlag zielte deshalb auf die Erstellung von Pfeilskizzen durch die Schüler: "der Schüler [hat] nun die Pfeile selber gezeichnet, sie verwirren ihn nicht mehr, wenn der Lehrer vorsichtig auswählt, auch sich um die von den Jungen verwendeten Farben kümmert." 353

Nationalsozialistischer 'Arbeitsunterricht' — an fast beliebigen Beispielen aus didaktischen Veröffentlichungen wurde deutlich, wie selbstverständlich sich Mechanismen der Bevormundung und Kontrolle von Schülern ausnahmen, wie gut der im Reichslehrplan verankerte "gebundene Arbeitsunterricht" zur Mentalität wohl der meisten Lehrer paßte — sich modern gebend, de facto aber dennoch traditionalistisch handelnd.

Es fällt auf, daß Quellen, die Grundlage der historischen Wissenschaft, bisher mit kaum einem Wort erwähnt wurden. Die Quellenarbeit im eigentlichen Sinne spielte im nationalsozialistischen Geschichtsunterricht eine eher nachgeordnete Rolle. Mit Dokumenten historischer Wahrheit ließ sich eine völkische Geschichtsbetrachtung nur selten fundieren.

Zu dem inhaltlichen Aspekt der begrenzten ideologischen Kompatibilität der meisten Quellen und Überlieferungen, kam noch ein methodischer. Die Quellenarbeit, wie sie sich im reformpädagogischen Geschichtsunterricht zu etablieren begonnen hatte, war modern gesprochen heuristisch ausgerichtet. Quellenlektüre sollte den Ausgangspunkt eines Reflexionsprozesses des Schülers darstellen und die informationelle Grundlage für freie Diskussion und historische Erkenntnis bieten. Ganz anders sahen das die nationalsozialistischen Didaktiker. Für sie hatte 'Quellenarbeit', wenn man sie schon in den Unterricht aufnahm, lediglich illustrativen Wert.354

Wiederum waren es argumentative Kunstgriffe, mit denen die 'Didaktiker' des "Dritten Reiches" die Quellenarbeit marginalisierten.

Heinrich Schnee beleuchtete das Problem von den Geschichtsbüchern aus. Sie sollten nicht, wie die meisten der "Reformzeit", ausführliche Quellenzitate enthalten oder gar zu reinen Quellensammlungen, zu "Arbeits- und Materialbüchern" werden. Deren wissenschaftlicher Aufbau mit Quellennachweis und Apparat sei zu kompliziert, was zur Folge habe, "daß man ganz verwirrt wird."355 Statt dessen schlug Schnee vor, die Gestaltung der Lehrbücher an Werken der Geschichtsschreibung zu orientieren.356

Was die Behandlung von Quellen im Geschichtsunterricht im allgemeinen angeht, äußert sich Schnee eindeutig:

"Quellen zur Veranschaulichung und Vertiefung wollen wir auch weiter verwenden. Wenn aber verlangt wird, daß durch die Arbeit an Quellen Aufgaben gelöst werden sollen, die der Hochschule vorbehalten bleiben müssen, so gehen solche Forderungen zu weit. Das Ziel muß also hier erheblich niedriger gesteckt werden müssen. Gegenüber Romanen, Tageszeitungen und wissenschaftlichen Darstellungen müssen Quellen im Unterricht zurücktreten; die erziehlichen Aufgaben, die der neue Geschichtsunterricht zu leisten hat, sind viel wichtiger als die formale Schulung."357

Schnees Überschätzung des Anspruchs der Quellenarbeit geht mit einer Unterschätzung der Fähigkeiten der Schüler Hand in Hand. Die Charakterisierung der Quellenarbeit als "Formalismus" war in den didaktischen Schriften des Nationalsozialismus topisch.

Sie beruhte auf dem bereits wiederholt angesprochenen Antiintellektualismus. Wissenschaftliche Erkenntnis- und Erklärungsmuster wollte Schnee den Hochschulen überlassen. Wo aber sollten sie angelegt und gelernt werden, wenn nicht in der höheren Schule?

Dietrich Klagges schlug in dieselbe Kerbe.358 Auch er erklärte "die jüngeren Jahrgänge [für] noch nicht in der Lage, ganze Urkunden und umfangreiche Quellenstücke aufzufassen", weswegen er empfahl, sie illustrativ in die Darstellung des Geschichtsbuches zu integrieren: "Von einzelnen Aussprüchen und kurzen Quellenworten aber, die in eine gute Darstellung eingestreut werden, geht immer wieder ein lichter und warmer Glanz aus wie von leuchtenden Steinen in goldener Fassung."359

Erst den bereits weltanschaulich und charakterlich gefestigten Schülern der Oberstufe wollte Klagges dann das Lesen von "ganzen Urkunden und Quellenberichten" zutrauen.360

Er ging jedoch noch einen Schritt weiter und problematisierte den Wert von Quellen für den "nationalpolitischen Unterricht" an sich. Damit versuchte er, über die bereits erwähnte häufige Nonkompatibilität von Ideologie und historischer Tatsache hinwegzutäuschen:

"Leider sind nicht alle Quellen der deutschen Geschichte getreue und zuverlässige Wiedergaben der wirklichen Ereignisse und ihrer Gründe und Ursachen. Nicht nur die römische, sondern fast noch mehr die kirchliche Geschichtsschreibung des Mittelalters war tendenziös eingestellt und läßt die Personen und Ereignisse ihrer Zeit in einem durchaus einseitigen Lichte erscheinen. Solche Quellen ohne eine richtigstellende Bearbeitung den Schülern in die Hände zu geben, würde nicht nur dem beabsichtigten Erziehungszweck widersprechen, sondern vor allem auch wissenschaftlich nicht zu verantworten sein."361

Die Angst des ideologischen Volksverführers wird deutlich: Dem Objekt der Indoktrination könnte Material "in die Hände" kommen, das der verabsolutierten Lehre, der "Wahrheit" widerspricht. Damit würde dem "beabsichtigten Erziehungszweck" entgegengewirkt, indem die Grundlage aller wissenschaftlichen und produktiven Auseinandersetzung mit Geschichte, die Quellenkritik, im Geschichtsunterricht zur Anwendung käme. Um dem entgegenzuwirken, riet Klagges ganz offen zu Geschichtsfälschung, zu "richtigstellender Bearbeitung".362

Die im Abschnitt über das nationalsozialistische Geschichtsbild als Grundlage einer politischen Religion getroffenen Aussagen über die Umdeutung des Wahrheitsbegriffs sind hier exemplifizierbar: Klagges denunziert allen Ernstes die gesamte abendländische Geschichtsschreibung seit dem Mittelalter als Werk von "'Geschichte' schreibenden Klosterbrüdern"363, um zugleich sein pathetisch verklärtes Gegenkonzept vorzustellen: den nationalsozialistischen "neuen Erzieher, der keiner Tendenz mehr hörig ist, der nur die Wahrheit finden und lehren will. Er muß das Volk wieder hinführen zu den Kraftquellen seines eigenen Wesens, aus denen allein neues arteigenes Leben kommen kann."364

Der Reichslehrplan von 1938 übernahm diese negative Sicht der Quellenarbeit nicht explizit. Zwar betrachtete auch er sie als reines Illustrativum, wahrte aber noch ihre Stellung gegenüber historischen Darstellungen:

"Die Quelle hat für den Geschichtsunterricht eine doppelte Bedeutung. Sie dient der Veranschaulichung und ermöglicht, den Schüler der Oberstufe an geeigneten Beispielen in die Erarbeitung eines einfachen geschichtlichen Tatbestandes einzuführen. Auch Darstellungen unserer großen Geschichtsschreiber sind in bedeutsamen Ausschnitten der Jugend nahezubringen."365

Desweiteren führte Erziehung und Unterricht an:

"Die wichtigsten Mittel der Veranschaulichung sind außer Quellen und Darstellungen: Anekdoten, dichterische Gestaltungen, besonders die Ballade, Werke der bildenden Kunst, geschichtliche Erinnerungsstätten, Zeitungen, Rundfunk, Bild, Skizzen, Karten. Große Kunstwerke dürfen nicht vom Geschichtsunterricht zu bloßen Anschauungsmitteln und zur bloßen Geschichtsquelle erniedrigt werden."366

Diese unsystematische Aufzählung weiterer "Anschauungsmittel" ließ viel Spielraum für die Unterrichtsgestaltung. Der letzte Satz, so ungeschickt er auch an das Vorherige anschließt, enthält jedoch eine entscheidende Aussage. In den Augen der nationalsozialistischen Didaktik war das 'große Kunstwerk' wertvoller als die "bloße Geschichtsquelle"367, die symbolische Verarbeitung gehaltvoller als ihre Vorlage, der Mythos wirkungsmächtiger als die Realität.

Es kann daher nicht wundernehmen, daß der Nationalsozialismus der Dichtung im Geschichtsunterricht großen Raum beimaß.

3. 3. 4 Dichtungen und ideologisches Schrifttum im Geschichtsunterricht

"Für einen erziehenden Geschichtsunterricht sind uns Dichtungen wertvoller als Quellen", brachte Heinrich Schnee das Phänomen auf dem Punkt, ausgehend von der eigenen Erfahrung, "daß wir alle historische Romane und Dramen über geschichtliche Persönlichkeiten und Ereignisse immer gern gelesen haben, jedenfalls lieber als Quellen."368

Dabei sollte sich der Geschichtsunterricht allerdings auf die Werke des "wesenhaften, echten nationalen Schrifttum[s]" beschränken, das geeignet war, den "Geist" und das "Lebensgefühl einer Zeit" zu transportieren. Auch hier stand also die "Anschaulichkeit" im Vordergrund.369

Was die Gattungen betraf, so sollten nach den Vorstellungen Schnees "Gedichte historischen Inhalts" den Vorzug erhalten, wirkten sie doch "besonders auf die Gefühlswelt des Schülers".370

Gestaffelt nach dem Alter der Schüler sollten drei Stufen der Erkenntnis bei der Behandlung von Dichtungen berücksichtigt werden. Mit der Zunahme der intellektuellen Fähigkeiten sank dabei die Bedeutung der Dichtungen für den Erkenntnisprozeß. Die Stufen nannte Schnee die "des naiven Erlebens", auf der Dichtungen "Arbeitsmaterial" liefern sollten, die des "anschaulichen Verständnisses", auf der Dichtungen illustrativen Charakter annehmen sollten, und die "der gedanklichen Durchdringung", auf der "Dichtung die Randstellung" zugunsten von Quellentexten annahm. Trotzdem sollten diese noch eingesetzt werden, um "in den Geist einer neuen Zeit einzuführen" und "zu begeistern."371 Die Schüler wurden so langsam von der fiktiven Welt der Dichtung in die nicht minder fiktive Welt "rassengeschichtlicher" Darstellungen und "bearbeiteter" Quellen geführt.

Dieser sukzessive Prozeß kann in den Schulbüchern zum Teil nachvollzogen werden. Die Bücher der 1. Klasse, in denen die Lebensgeschichten großer Deutscher erzählt wurden, ähneln biographisch verfaßten Dichtungen. Wie in den obigen Zitaten erkennbar, behandelten sie lediglich kurze Ausschnitte des Lebens, mit der Ausnahme Adolf Hitlers, dessen Biographie nahezu vollständig erzählt wurde. Es dominiert ein Erzähler, in dessen Schilderung direkte Reden eingefügt wurden. Diese Darstellung findet sich auch in den Unter- und Mittelstufenbänden des im Oldenbourg-Verlag erschienenen Geschichtlichen Unterrichtswerks für höhere Schulen (Warneck), das in den Mädchenschulen Anwendung finden sollte. Hier war man ganz eindeutig bestrebt, ein naives Bild der Geschichte zu vermitteln, das man für die künftige Hausfrau und Mutter für ausreichend hielt. Sprachlich ganz anders waren die Mittel- und Oberstufenbände des Geschichtsbuches für die deutsche Jugend gestaltet. In diesem für Jungenschulen konzipierten Werk überwog der sachliche Stil historischer Darstellungen, auch wenn ab und an pathetische Passagen feststellbar sind. Fußnoten gaben Erläuterungen, direkte Rede fehlt weitgehend. Ebenso fällt die Einbindung meist unmarkierter Zitate aus den ideologischen Standardschriften des Nationalsozialismus, vor allem aus Mein Kampf auf.

Allerdings ging man wohl in den wenigsten Fällen so weit, Hitlers Mein Kampf selbst als Schullektüre zu verwenden.372 Es war zwar gelegentlich angedacht worden, doch überwog die Kritik am Einsatz des "Buches der Bewegung". Rudolf Völkel, ein Lehrer, sprach zum Beispiel 1936 in der Zeitschrift Die Deutsche Höhere Schule "starke Bedenken" gegen die Verwendung des Buches im Unterricht aus. Der Artikel hatte wohl einen realen Hintergrund; mit seinem Beitrag wollte Völkel verhindern, daß "aus einigen Versuchen eine allgemeine Übung werde." Was zunächst blasphemisch klingt, ist bei näherem Betrachten das genaue Gegenteil. Das Buch sei zwar "schwer", viel gewichtiger war für Völkel aber, daß es sich um ein "heiliges Vermächtnis des Führers" handelte: "Es steckt ein Stück Seele, ein Stück Religion in diesem Grundbuch der Bewegung." Die Sakralisierung von Mein Kampf zur 'Bibel' der "Bewegung" liegt da nicht mehr fern: Der junge Mensch wird "früher oder später aus eigenem Antrieb zum Kampfbuch seines Führers greifen, und es wird ihm zum Evangelium, zur guten, neuen Botschaft werden!" Ebenso könne der Lehrer Hitlers Buch für die Vorbereitung verwenden, um dann im Unterricht "oft von ihm [zu] sprechen". Der Lehrer sollte also die Schüler mit der "guten, neuen Botschaft" in der Hand missionieren, "von ihm Zeugnis ablegen".

"Jedenfalls muß 'eine irgendwie schulmäßige Behandlung dieses Gegenstandes so gut wie ausgeschlossen sein'; das Buch darf nie zum Schulbuch entwürdigt werden."373

3. 3. 5 "Politische Feiern" in Jugendbund und Schule als methodische Vorbilder für den Geschichtsunterricht

Der Geschichtsunterricht blieb in der Schule nicht der einzige, aber unbestritten der wichtigste Ort der "nationalpolitischen Erziehung"374, auch wenn andere, ihrer Art nach unideologische Fächer wie der Mathematik-, oder der Sportunterricht für die Implantierung nationalsozialistischen Denkens instrumentalisiert wurden.375

Jedoch bekam der Geschichtsunterricht zunehmend Konkurrenz durch außerunterrichtliche Schulveranstaltungen. Die wichtigsten waren der Schulfilm, der Besuch ideologisch aufbereiteter Ausstellungen und die häufig abgehaltenen Schulfeiern.

Der Film hatte während der Zeit des Nationalsozialismus im Rahmen der modernen Propaganda an Bedeutung gewonnen. Neben der Wochenschau in den Kinos wurden auch die Spielfilme total von Goebbels Propagandaapparat vereinnahmt und gefördert.376 Diese Entwicklung erfaßte auch die Schule. Als verhältnismäßig junges Medium war der Film für die Jugendlichen der damaligen Zeit ausgesprochen attraktiv, und gerade in ländlichen Regionen waren Filmvorführungen selten. Deshalb versprach man sich von ihnen eine um so größere Wirkung. Im Geschichtsunterricht selbst konnte dieses Medium wegen der komplizierten Technologie nicht verwendet werden, zweifellos ließen sich aber nach einer schulischen Filmvorführung die Inhalte und Eindrücke im Unterricht verwerten.

Neben schulischen Filmveranstaltungen wurde der Besuch bestimmter Ausstellungen während der Unterrichtszeit zum Pflichtprogramm für Lehrer und Schüler. Natürlich standen auch sie ganz im Zeichen der nationalsozialistischen Propaganda, aber auch der Kriegsvorbereitung. Gängige Themen waren unter anderem "Rassenpflege", pronatalistische Familienpolitik oder der Luftschutz.

Vor allem auch die Aktivitäten des Volksbundes für das Deutschtum im Ausland (VDA) sind hier zu nennen, der sich mit seiner Vereinspolitik schon vor der "Machtergreifung" sehr stark an den Schulen engagiert hatte. In einigen Schulen hatte der VDA 100 % Mitgliederanteil.377

Der VDA sah sich als Interessenvertretung der Auslandsdeutschen und trat für die Revision der territorialen Bestimmungen des Versailler Vertrages ein. Ausstellungen, Informationsveranstaltungen und Vortragsreihen über die Geschichte und Kultur der im Ausland lebenden Deutschen waren während der dreißiger Jahre an fast jeder Schule an der Tagesordnung.

Ein besonderes Gewicht erhielten jedoch die offiziellen Schulfeiern, die zu bestimmten mehr oder weniger historischen Anlässen abzuhalten waren. Zu Recht wird hier im Rückblick von "Gedenktagspädagogik"378 gesprochen, denn Feiern in der Schule dienten ebenso der Erziehung wie der Unterricht. Die nationalsozialistischen Pädagogen maßen Schulfeiern sogar eine größere Bedeutung bei als dem inhaltsbezogenen Unterricht, da sie eben helfen konnten, den — ein recht strapaziertes Diktum — "ganzen Menschen" anzusprechen.379

Es soll hier zunächst versucht werden, die Feier im nationalsozialistischen Sinn, ihre Struktur, ihre Inhalte und Wirkungsmechanismen zu beschreiben, um dann deutlich zu machen, warum sie sich in ihrem formalen Charakter besonders zur Vermittlung des nationalsozialistischen Geschichtsbildes eignete.

Die Aufgabe der Feier war es, durch die Einwirkung auf die Wahrnehmung, vor allem aber auf das Gefühl der Feiernden das ideologische Weltbild des Nationalsozialismus zu transportieren. Sie war also ein Mittel der propagandistischen Beeinflussung und damit eine Form der 'Erziehung' im nationalsozialistischen Sinne.380

Für Schulfeiern und "politische Feiern" allgemein bedurfte es der Anlässe. Man suchte also nach historischen Daten, die dieses Weltbild charakterisieren halfen, seine "Seele" symbolisierten, seine Inhalte quasi in nuce darstellten:

"So wie eine Bewegung, ein Volk, ein Reich alles daran setzt, Weltanschauung und Willen sichtbar und erlebnishaft, kraftvoll und überzeugend darzustellen, so entstehen die Feiern, die ihren Urgrund im weltanschaulich-volkstumsmäßigen und im politischen Erleben haben, wobei jene beiden Bestimmungen ineinander gehen und auch ineinander wurzeln. Die Feiern in diesem umfassenden Sinne haben stets einen vorwiegend politischen Charakter, d. h. sie sind von der Seele, dem Erleben und Glauben einer Gemeinschaft erfüllt."381

Diese Ausweitung des Politikbegriffes ist typisch nationalsozialistisch. Nicht nur das "Erleben" einer Gemeinschaft, sondern auch ihre "Seele" und ihr "Glauben" wurden kollektiviert und in gemeinschaftliche Akte, Feiern, umgeschmolzen. Diese sollten das kollektive Wesen und den gemeinsamen "Glauben" wiederum für die Gemeinschaft erfahrbar machen und zugleich auf der inhaltlichen Ebene stets auf ein reales "Erleben" rekurrieren.

So wurde die Feier also zu einer sinnlich wahrnehmbaren Externalisierung der nationalsozialistischen Weltanschauung, und zwar sowohl ihrer rational erfaßbaren Inhalte, wie auch ihres rational nicht erfaßbaren Charakters. Karl Friedrich Sturm drückte es so aus:

"In der Feier handelt es sich um 'Übergang in die Sichtbarkeit', in die Sinnensphäre. Feier wirkt durch etwas, was hörbar oder sichtbar wird. Sie bedient sich vor allem der Musik i. e. S. und der Symbolik."382 Im Symbol ließen sich "Wahrnehmbares und Nichtwahrnehmbares" verschmelzen:

"Symbol nennen wir ein sinnlich Wahrnehmbares, das, indem es zu unseren Sinnen spricht, gleichzeitig hinweist auf etwas anderes, das nicht mit den Sinnen erfaßbar ist. Es hat also Zeichencharakter."383

Das harmonierte natürlich mit der nationalsozialistischen Pädagogik, die ja, wollte sie "Charaktererziehung" sein, auf solche Vehikel für "Seelisches" und "Glauben" angewiesen war.

"Keine Feier der Bewegung, kein Volksfest, keine Schulfeier wird begangen werden, kein Tag noch Abend der Jugend- oder Männerbünde wird vorübergehen, ohne daß die Symbole der Bewegung hineinrufen in 'das mütterliche Reich des Fühlens'. Das tun Hakenkreuzfahnen, Standarten und Hoheitszeichen. Das tun aber auch die Symbolworte Blut, Boden, Reich usw. Der Badenweiler Marsch, der den Fahneneinzug begleitet, ist dadurch, daß seine anfeuernden Klänge die Seelen immer wieder emporgetragen haben, ebenfalls zum Symbol geworden. Gleicherweise lassen das Deutschland- und das Horst-Wessel-Lied die Stimmung vergangener hoher Augenblicke aufs neue in uns lebendig werden."384

Das Leben des Menschen sollte in allen seinen Bereichen symbolisch aufgeladen werden, unter anderem durch "politische Feiern". Dahinter stand das bereits beschriebene Erziehungskonzept, das den Menschen durch einheitliche ideologische Beeinflussung in allen seinen "Lebensformen", durch "Wiederholung" und "Gewöhnung" zur "Haltung" "züchten" wollte.385

Die von Sturm gewählten Symbole entstammen nahezu alle dem militärischen Bereich. Die Fahne oder Standarte war immer schon Symbol für die kämpfende Gemeinschaft gewesen, Zeichen des Zusammenhalts. "Für die Fahne sterben", hieß übersetzt, für die Gemeinschaft zu sterben. Die Genese des Nationalsozialismus aus dem Ersten Weltkrieg und die von ihm systematisch betriebene absolute Militarisierung der Gesellschaft bedingten solche Entlehnungen aus der Militärsymbolik.386

Konsequenterweise lautete ein Lied der Hitlerjugend "Die Fahne ist mehr als der Tod". Andererseits war die Fahne oder ein ihr ähnliches Zeichen traditionell auch Sinnbild für ein zu erreichendes Ziel.387 In diesem Sinne wurde auch die Sprache symbolisch besetzt. Die nationalsozialistische Sprachsymbolik gehört vielleicht zu den perfidesten Herrschaftsmitteln. "Diese Sprache hat sich von der Wirklichkeit entfremdet. Eine zweite Realität wird aufgerichtet, die nur in der Sprache selbst existiert. Sie beansprucht wahr zu sein, wird aber, gemessen an der Wirklichkeit, zur Lüge."388 Worte wurden zu Metaphern für Sachverhalte, die nur noch bedingt etwas mit ihrer eigentlichen Bedeutung zu tun hatten.389

Aber erst in der Verbindung dieser Grundelemente, dem Akt und der symbolischen Sprache mit der Musik, konnte der gewünschte Effekt, die Stimmung, erzielt werden. Musik fungierte selbst als "Symbolträgerin" und konnte im Verlauf einer Feier die anderen Elemente zur Einheit verschmelzen helfen.390

Neben der 'Botschaft', die durch Schulfeiern vermittels symbolischer Akte sensuell transportiert wurde, war aber für die nationalsozialistischen Pädagogen auch das "Erleben" an sich ein entscheidendes Kriterium. Die Erfahrung der Gemeinschaft, des Aufgehens in ihr, sollte als Gefühlskatalysator wirken, so wie es Hitler in seiner Apologie der Massensuggestion verkündet hatte.391 Sturm schrieb: "Feier ist in der Regel Gemeinschaftssache. In der Gemeinschaft finden leicht und rasch Gefühlsübertragungen statt, so daß günstigstenfalls ein einziger Gefühlsstrom alle Feiernden durchzieht und trägt."392

Es kann daher nicht wundernehmen, daß sich die Geschichtsdidaktiker bemühten, im Fachunterricht möglichst viele Strukturelemente der Feier zu integrieren. Bereits im Zitat von Ulrich Haackes Ausführungen zur "Lehrererzählung" klang dies an. Die verschiedenen methodischen Ansätze sollten für bestimmte Augenblicke verwendet werden, der Lehrervortrag einen Höhepunkt bilden. Geschichtsstunden hatten also gleichsam dramatisch inszeniert und choreographiert zu werden. Ergriffenheit und Begeisterung der Schüler hatten ja ihre Ursache nicht primär im Stoff, sondern in der Art seiner Präsentation. Für die nationalsozialistischen Didaktiker war die Inszenierung also mindestens ebenso wichtig wie der Stoff selbst.

3. 3. 6 Drittes Fazit: Geschichtsunterricht als Religionsunterrichtssurrogat

Bei den bisherigen Ausführungen zur Schulfeier und ihren Auswirkungen auf den Geschichtsunterricht blieb zweierlei bewußt ausgespart: der sakrale Charakter der Symbolhandlungen bei nationalsozialistischen Feiern allgemein und der konkrete Stundenaufbau einer "Feierstunde" im Geschichtsunterricht. Beides soll im folgenden verknüpft werden.

Nationalsozialistischen Massenveranstaltungen haftete der Charakter des Sakralen an. Sie waren die 'Gottesdienste' der "politischen Religion". Die Reichsparteitage erschienen mit ihren Massenaufmärschen wie eine pervertierte Prozession. Auch die Nutzung der Technik in Form des aus Flakscheinwerfern erstrahlenden "Lichtdoms" unterstützte ihren sakralen Charakter.393

Hermann Roth stellte in seinem Buch Die Feier die Parallelen der "politischen Feier" in den Verbänden und der Staatsjugend mit dem Gottesdienst ganz deutlich heraus:

"Die Versuche der Gegenwart, eine 'liturgische' Form in der politischen Feier zu entwickeln bzw. fortleben zu lassen, sind sehr beachtlicher Art. Diese liturgische Form erstrebt eine deutliche übersichtliche Feierordnung unter möglichst starker Einbeziehung und Beteiligung der Gemeinschaft. Im besonderen Vordergrund dieser Versuche und Entwicklung steht die Erklärung der Bereitschaft einer 'Gemeinde' und das gemeinsame Bekenntnis."394

Der nationalsozialistische Geschichtsunterricht hatte, wenn er als sakraler Akt gestaltet war aus Sicht seiner Didaktiker eindeutige Vorteile gegenüber anderen Massenveranstaltungen und schulischen Feiern. Die Zielgruppe ließ sich durch das Konzept der "Feierstunde" viel gezielter indoktrinieren. Die Niveauunterschiede bewegten sich innerhalb einer Klasse in einem viel geringeren Spektrum als bei Veranstaltungen der gesamten "Schulgemeinde".395

In einem Artikel der Zeitschrift Die Deutsche Höhere Schule aus dem Jahre 1936 berichtete ein Lehrer über seine Inszenierung einer Unterrichtsstunde zum Thema "Langemarck".396

Der Einsatz junger Kriegsfreiwilliger in der Schlacht um Flandern zu Beginn des Ersten Weltkrieges war bereits von der Kriegspropaganda der OHL zur Begeisterung der Bevölkerung instrumentalisiert worden. Die "Helden" hätten Todesmut und Opferbereitschaft für die Heeresgemeinschaft, das eigene Volk und dessen "Ideale" verinnerlicht.

"Langemarck" und der "Geist von 1914" sollten im ersten Chaos des Weltkrieges für viele Soldaten Orientierung und Sinn stiftende Fixpunkte sein. Nach 1918 symbolisierte der 10. November eben jenen "soldatischen Geist", den revisionistische Kräfte in Deutschland als Begründungshorizont ihren Forderungen zugrundelegten. Das heldenhafte deutsche Heer sei, im Krieg unbesiegt, von den "Novemberverbrechern" in der Heimat im Stich gelassen, sein Sieg durch den "Dolchstoß" des Waffenstillstandes verhindert worden.

Legendenhaft tradiertes Ereignis und mythisiertes Personal machten "Langemarck" zum politischen, in seinem Gehalt nationalistisch-militaristischen Mythos ersten Ranges.

Doch war dies ein Konstrukt — die Realität sah anders aus. Lediglich 18% der bei "Langemarck" eingesetzten Regimenter bestand aus Schülern und Studenten, der Rest waren größtenteils gut ausgebildete Berufssoldaten.397 Auch fand das Gefecht überhaupt nicht bei Langemarck, sondern im etwas entfernten Bixchote statt.398

Der Sturmangriff bei Bixchote war nicht das ganze Gefecht, sondern nur der Beginn mehrerer Angriffswellen, die insgesamt 145.000 deutschen Soldaten das Leben kosteten.

Wenn die offizielle Überlieferung derart inkonsistent ist wie im Fall "Langemarck", muß man auch die Schilderung des Heeresberichtes, die anrückenden Soldaten hätten das Deutschlandlied gesungen, äußerst skeptisch betrachten. Der Militärhistoriker George L. Mosse schreibt dazu:

"Dennoch ist es unwahrscheinlich, daß sie überhaupt viel sangen, wenn man sich ihre Lage vergegenwärtigt: unter starkem Beschuß, der aus einer unbekannten Richtung kam, steckengeblieben in einem gottverlassenen Acker, umgeben von Tod und Verwirrung". Zudem ist das Deutschlandlied aufgrund seiner Metrik nicht zum Marschieren geeignet. "Da jedoch viele deutsche Soldaten fälschlich für Feinde gehalten wurden und unter eigenes Feuer gerieten, mag das Absingen eines deutschen vaterländischen Liedes ein Mittel gewesen sein, das zu verhindern."399

Von den "Helden" von "Langemarck" bleibt also bei genauerer Betrachtung nicht viel mehr als ein eher klägliches Bild des Elends im Chaos des industriellen Krieges. Die geschickte Kriegspropaganda, die sich natürlich auch des Heeresberichtes bediente, durfte jedoch der Heimat keine Realitäten liefern. Sie brauchte Heroen.400

Der "Langemarck"-Mythos zeigte bei den Soldaten an der Front wohl wenig Wirkung, da sie sich ja mit der Brutalität des Krieges direkt konfrontiert sahen. An der "Heimatfront" hingegen hatte er mehr Effekt. Nach dem Kriegsende blieb die Legende während der ganzen Zeit der Weimarer Republik präsent.401 Hitler stilisierte, dieses Bewußtsein gezielt nutzend, seinen ersten Kriegseinsatz in Mein Kampf genau nach dem Muster des "Langemarck"-Mythos.402

Im nationalsozialistischen Deutschland erfuhr er dann im Zusammenhang des Opferkultes einen "Qualitätssprung"403. Für Hitler und seine Pädagogen war "Langemarck" ein Symbol für den neuen Menschen, den eine nationalsozialistische Erziehung schaffen sollte: Den "politischen Soldaten", der sich als qualifiziertes, aber überzeugtes und kritikloses Kanonenfutter der modernen Kriegführung gebrauchen ließ. Insofern repräsentiert "Langemarck" exemplarisch und integrativ die inhaltliche und pädagogische Zielsetzung der nationalsozialistischen Ideologie.

Die exzeptionelle Bedeutung des "Mythos von Langemarck"404 für Schule und Geschichtsunterricht erklärt sich aber natürlich auch aus dem suggerierten Alter der in Flandern "geopferten" Soldaten. Es machte diese "Helden" für die Jugendlichen leichter zu Vorbildern.

Daher mußte ein Geschichtsunterricht im nationalsozialistischen Sinne bei der Behandlung des Themas "Langemarck" besonders auf die Identifikation der Schüler mit den mythisierten Heroen bedacht sein und mithin eine solche Stunde entsprechend gestalten. Der Stundenentwurf des Lehrers Zimmermann tut dies, indem er die Geschichtsstunde zur "Feierstunde" modifiziert, einer Feierstunde, die nicht zufällig zahlreiche strukturelle Versatzstücke eines katholischen Gottesdienstes aufweist.

Um Mißverständnissen vorzubeugen: Der Vergleich wird hier lediglich strukturell und en détail gezogen. Nationalsozialistische Schulstunden folgten natürlich keiner dogmatisch festgelegten Liturgie, und die vermittelten Glaubensinhalte solcher Feierstunden sakralen Charakters sind zu denen eines katholischen Hochamtes diametral. Dennoch, die strukturellen Parallelen sind zu zahlreich und offenkundig, als daß man nicht von einer bewußten Kopie mythologischer Vermittlungsstrategien aus dem sakralen Bereich sprechen müßte.

Zimmermann beklagt zunächst den durch Tageszeit ("der helle klare Vormittag") und Veranstaltungsort ("Schulstube") bedingten Mangel an nötiger "Stimmung", den er durch das musikalisch begleitete, "gemeinsam — im Halbkreis stehend — gesungene Lied" zu beheben sucht.405 Mit Erfolg, wie ihm die Schüler versicherten. Das Lied hat also in der "Feierstunde" dieselbe Funktion wie im Gottesdienst, der sich ebenfalls der Musik als stimmungserzeugendem Einstiegsmittel bedient.406 Innerhalb der Liturgie hat das Kirchenlied amalgamierende Funktion. Es verknüpft die verschiedenen Bestandteile des Gottesdienstablaufes strukturell und gegebenenfalls auch inhaltlich. Ebenso in Zimmermanns "Feierstunde": Die gesungenen Lieder lockern den Verlauf der Stunde nicht nur auf, sie führten auch inhaltlich zum nächsten Punkt, wie etwa das Lied "Kameraden, die Trompete ruft"407 vor der Schilderung der Schlacht.

Oder sie faßt das 'Erlebte' zusammen: "Flandern in Not, in Flandern da reitet der Tod."

Der Gottesdienst dient der Vermittlung von Glaubenssätzen und dem Aufruf zu glaubenskonformem Handeln und zur Mission. Alle diese Elemente finden sich in der "Feierstunde".

Ihre 'Glaubenssätze' hießen "Deutschland über alles" und "Geist" von 1914. Damit eng verbunden war die Aufforderung zum ideologiekonformen Handeln: "Ein Abschnitt aus dem Aufsatz 'Langemarck-Dixmuiden' [...] sollte in den Schülern die Bereitschaft wecken, durch ein Leben im Geist der Kämpfer von Langemarck ihr [meint: deren, R.A.] Opfer zu ehren." Orientierung an denen, die für ihren Glauben gestorben sind — hier fällt es schwer, nicht an den katholischen Märtyrerkult bzw. die Christusverehrung zu denken.

Jede Religion hat ihre Verkünder, die den 'rechten Glauben' leben, Schulen gründen oder Jünger um sich scharen und die Glaubensbotschaft in die Welt tragen. Diese apostolische Funktion kam in der geschilderten Unterrichtsstunde Hitler und "denen um" ihm zu. Ein weiteres religiöses Denkmuster, das der Mission, ist der Beschreibung der hier untersuchten "Feierstunde" ebenfalls immanent. Die Aufforderung des Lehrers zu ideologiegemäßer Lebensführung wurde bereits erwähnt, darüber hinaus sollte die Feierstunde aber auch die Schüler, die noch nicht in den Jugendbünden der "Bewegung" integriert waren, zum Beitritt motivieren.

Solche Gestaltung des Geschichtsunterrichts zur völkisch-militaristischen "Weihestunde" ist kein Zufall. Die pädagogische Literatur nach 1933 wies eindeutig eine Tendenz zur Sakralisierung des Schulunterrichts auf. Ernst Krieck etwa bot den direkten Vergleich von "Bildung" und "Kommunion":

"Bildung als Vorgang ist nun die stufenmäßige Darbietung und Aneignung des geistigen Gutes — ein Teilvorgang des Erziehungsprozesses. Indem die Gemeinschaft den Gliedern und dem Nachwuchs den geistigen Besitz einpflanzt, wachsen sie aus der Vereinzelung zur typischen Gemeinschaft des Bewußtseins, des Weltbildes, der Haltung. Es ist ein geistiger Ernährungsprozeß durch das gemeinsame geistige Gut, wodurch das seelische Wachstum gelenkt und typisiert wird. Das Sakrament der Kommunion besagt in seiner Symbolsprache: wenn mehrere Menschen denselben Gegenstand essen, so werden sie untereinander gleich und eins, und wenn die Speise göttlichen Wesens ist, werden sie zugleich auch mit Gott eins und erhalten Anteil an seinem göttlichen Wesen. Diese Kommunion vollzieht sich nun auch in der Bildung: die Ernährung aller mit derselben geistigen Nahrung macht sie untereinander und in der Gemeinschaft gleich und eins: sie werden Glieder. Die Gleichartigkeit des geistigen Gehaltes und des Weltbildes in den Gliedern ist ein wesentliches Band der Gemeinschaft, des geistigen Organismus."408

Und auch Karl Friedrich Sturm beschrieb das sinnstiftende Gemeinschaftserlebnis der Feier als eine Art des sonntäglichen Hochamtes:

"In solchen Augenblicken entsteht die 'Gemeinde', die sich aufschwingt zu dem 'was höchster Besitz der Gemeinschaft, Ausdruck ihres eigentümlichen Wesens ist, worum es sich lohnt, den Werktag zu leben'"409.

Auch auf realer schulpolitischer Ebene läßt sich sukzessive eine Akzentverschiebung feststellen. Institutionell löste die politische Schulfeier den Schulgottesdienst schon 1938 ab.410 Die nationalsozialistische Schulpolitik strebte eindeutig eine Marginalisierung des Religionsunterrichts zugunsten des Geschichtsunterrichts an.411

Die Frage, ob in der Zimmermannschen Feierstunde ein Einzelfall vorliegt oder ob es sich um ein verallgemeinerbares Phänomen handeln könnte, läßt sich hier aufgrund des Mangels an empirischem Material nicht eindeutig beantworten.412 Entscheidender scheint aber zu sein, daß die nationalsozialistische Geschichtsdidaktik als Lehre der Vermittlung eines antirationalen, mythologisierten Inhalts nach Maßgabe und Ziel einer völkischen Pädagogik mit innerer Notwendigkeit auf bewährte mythologische Vermittlungsstrategien zurückgreifen mußte. Zimmermann bringt dies in seinen Schlußsätzen auf den Punkt:

"Die Feierstunde muß zu einer besonderen schulischen Form werden [...]. Für die Schule ist der Hauptgrund für die Durchführung von Feierstunden im Unterricht aber die Möglichkeit, durch sie eindringlicher das Gefühl der Schüler packen zu können, als es durch den gewöhnlichen Geschichts- oder Deutschunterricht geschehen kann. Und das ist besonders bei Gestalten und Ereignissen der deutschen Geschichte wichtig, die wie Langemarck oder Horst Wessel zum Mythos geworden sind, der wohl erahnt und gefühlsmäßig erfaßt, niemals aber rein verstandesmäßig begriffen werden kann."

4 Ideal und Realität — War die Schule nationalsozialistisch?

Der Anspruch der Nationalsozialisten auf die ideologische Vereinnahmung der Gesellschaft war total. Aber es gab während der zwölfjährigen Herrschaft Hitlers wohl keinen Bereich in ihr, in dem die Instrumentalisierung für den Nationalsozialismus hundertprozentig funktioniert hätte.

Da der konsequente Terror im Inneren einen breiteren Widerstand praktisch unmöglich machte, verlegten sich viele der kritischen Staatsbürger auf das Konzept der minimalen Anpassung bei maximaler Verweigerung. Das fiel in alteingesessenen Institutionen leichter als in neugeschaffenen Behörden.

Die Schule änderte sich trotz der aktivistischen Rhetorik führender Politiker vergleichsweise wenig, vor allem änderte sie sich verhältnismäßig langsam. Die Schulreform, von den nationalsozialistischen Politikern gleich 1933 angekündigt, verlor sich unter dem Erziehungsminister Rust in einem "bürokratischen Tohuwabohu"413. Der überwiegende Großteil des Lehrpersonals blieb auch nach 1933 im Amt, neues, ideologisch konformes, bis zum Schluß in der Minderheit. Das hatte natürlich mit dem Kriegsausbruch zu tun. Junge Lehrer konnten in den seltensten Fällen ihren Beruf antreten und bis 1945 normal ausüben.

Kontrollmöglichkeiten blieben, ein überzeitliches Phänomen der modernen Schule, schwierig. Zwar berichten autobiographische Zeugnisse von Spitzeln im Lehrerkollegium414 aber die Wirkungsmacht dieser Denunzianten blieb in vielen Fällen begrenzt. Im Unterricht selbst konnte der Lehrer sich nach der ideologischen Prägung seiner Schüler richten. Erstaunlich viele Erlebnisberichte von Schülern der damaligen Zeit erzählen von ganz normalem Unterricht, von Lehrern ohne nationalsozialistischer Überzeugung.415 Im Gegenteil, oft wird die offene Verweigerung der Lehrer erinnert, etwa im Rassenkundeunterricht:

"Was haben Nazis oder Opportunisten aus diesem 'Fach' gemacht! In unserem Fall übernahm es der Biologe und Geograph Dr. Ferdinand Stöckert. Aber er ging keinen Schritt weiter in der 'Anpassung' als unbedingt nötig, ja manchmal äußerte er unverblümt eine abweichende Meinung — manchmal genügte es schon, nichts zu sagen, wo andere Phrasen droschen. Als er z. B. die Rassenlehre des damals hochgelobten Rasse-Theoretikers Hans F. K. Günther behandeln mußte, gab er den gedruckten Text einem Schüler zum Vorlesen mit den Worten 'Lesen S'ma' das Zeug da vor!' Das Vorlesen dauerte zwei oder drei Schulstunden. Darauf von Seiten Stöckerts kein einziges Wort des Kommentars. Nichts. Der 'normale' Stoff wurde fortgesetzt."416

Es gab natürlich auch andere Fälle, in denen Lehrer von ihren Schülern denunziert wurden.417

In jedem Fall mußte ein Geschichtslehrer darauf achten, nicht politisch negativ aufzufallen, was vor allem nach 1939 leichter fiel, als die neuen Schulbücher die genaue ideologische Linie vorgaben.

In diesem Sinne schrieb auch der Reichsminister für Erziehung, Wissenschaft und Volksbildung 1941 bezugnehmend auf den Reichslehrplan von 1938:

"Es ist die Pflicht jeden Lehrers, [...] seinen Unterricht so zu gestalten bezw. seine Unterrichtszeit so auszunutzen, daß die gründliche Bearbeitung des Lehrstoffes gesichert ist. [...]

Wenn zum Beispiel der Geschichtsunterricht der Klasse 8 normalerweise die Zeit vor dem Weltkrieg ausführlich behandelt, so muß dieser Lehrstoff bei erschwerten Umständen zu Gunsten der Darlegung des Werdens und Wachsens des nationalsozialistischen Volksreiches eingeschränkt werden. [...] Das Lehrbuch ist ein wichtiges Hilfsmittel des Unterrichts. Der Lehrer darf sich nicht von ihm loslösen, indem er etwa im Lehrbuch nicht behandelte, ihm aber persönlich naheliegende Sondergebiete zum Lehrgegenstand macht. Andererseits ist es selbstverständlich abwegig, wenn der Lehrer glaubt, er müsse alle im Lehrbuch dargestellten Stoffgebiete 'durchnehmen'. Maßgebend ist vielmehr für den Unterricht die [...] Stoffauswahl."418

Solche Schreiben fallen schon in die Zeit, da durch akuten Lehrermangel, Kinderlandverschickungslager und erste Bombenangriffe auf die deutschen Großstädte vielerorts ein geregelter Unterricht nicht mehr möglich war. Die ideologische Schwerpunktverlagerung ist bezeichnend, die Zeit "des Werdens und Wachsens" des "Dritten Reiches" durfte unter keinen Umständen zu kurz kommen.

Die Frage, ob eine Schule ideologisch den nationalsozialistischen Vorstellungen entsprach, kann selbst bei Kenntnis des spärlichen zeitgenössischem Archivmaterials kaum beantwortet werden.419 An Beispielen läßt sich die Schwierigkeit genauer zeigen.

Das Gymnasium Carolinum in Ansbach etwa, eine altehrwürdige höhere Lehranstalt, bekam 1933 keinen neuen Oberstudiendirektor, der alte konnte bleiben. Aber das heißt wohl nur, daß er politisch nicht negativ aufgefallen war. Oberstudiendirektor Schreibmüller als überzeugten Nationalsozialisten zu bezeichnen, ist wohl kaum gerechtfertigt. Ein von ihm geschriebenes Schulbuch und dessen Geschichte zeigen das. Die letzte Überarbeitung des Lehrbuchs für die oberen Klassen der Gymnasien von Stich-Schreibmüller, seit 1896 in 6 Auflagen erschienen, datiert aus dem Jahr 1930. Der Autor ist deutlich deutschnational, referiert Völkisches, aber gewissenhaft und faktensicher. Zur Indogermanenzeit schreibt er: "wie viele Forscher in neuester Zeit annehmen, war die Urheimat dieser Indogermanen nicht Asien, sondern Mittel- und Nordeuropa, von wo aus sich die einzelnen Glieder abtrennten."420

Seine Bewertung Arminius des Cheruskers wurde bereits erwähnt, sei hier aber nochmals zitiert:

"Der Sieg der Germanen war weltgeschichtlich entscheidend, da er Germanien vor der Romanisierung bewahrte. Der Sieger Armin (wohl=Irmino; sicher nicht=Hermann), der nicht für alle Germanen kämpfte, wurde in Liedern gefeiert."421 Das war sicher germanozentrisch, aber im Sinne des damaligen historischen mainstream und weit entfernt vom ideologisch-pathetisch aufgeladenen Stil des nationalsozialistischen Schulbuchs für die deutsche Jugend: "Da hat der fanatische Wille und der Glaube eines Mannes Germanien zum völkischen Erwachen gebracht."422

Aber ist es nicht unmöglich, diese beiden elf Jahre auseinanderliegenden Schulbücher direkt zu vergleichen? Das Lehrbuch von Stich-Schreibmüller erfuhr 1936 eine unveränderte Neuauflage. Am 4. Januar 1938 beschloß der Lehrerrat des Gymnasiums Carolinum dessen Anschaffung. Das war eineinhalb Jahre vor dem Erscheinen der neuen Lehrbücher, die aber zum damaligen Zeitpunkt jederzeit erwartet wurden.423 In Bayern verzögerte sich deren offizielle Einführung noch bis Ende 1940.424 Leider ist aus den Schulakten des Gymnasiums Carolinum nicht zu ersehen, wann die neuen Lehrbücher, deren Verlage mit zum Teil erheblichen Lieferschwierigkeiten zu kämpfen hatten, dann wirklich dort anlangten. Jedenfalls steht zu vermuten, daß das Lehrbuch von Stich-Schreibmüller noch über 1940 hinaus im Unterricht verwendet wurde, und mithin die Geschichtslehrer dieser Schule den Unterricht sehr flexibel gestalten konnten. Es war sogar möglich, sich mit Hilfe der differenzierten Darstellung dieses Lehrbuchs der Historisierung antisemitischen Gedankengutes zu entziehen. So ist im Zusammenhang mit den Kreuzzügen im Stich-Schreibmüller zu lesen: "In den rheinischen Städten, insbesondere in Speyer und Worms, wurden die Juden schwer verfolgt aus religiösem Fanatismus, nicht etwa aus wirtschaftlichen Gründen oder gar aus Rassenfeindschaft."425

Und im Kontext der Pestepidemie von 1349 heißt es:

"Aus den wirtschaftlichen Verhältnissen wuchs eine schwere Judenverfolgung hervor. Da den Christen das Nehmen von Zins verboten war, bildeten Darlehenszinsen die Haupterwerbsquelle der Juden; Handwerker, Kaufleute, Bauern, sogar der arg zurückgehende Großgrundbesitz waren ihnen stark verschuldet. Um sich seiner Pflichten zu entledigen, stellte man jetzt die Pest als die Folge der Brunnenvergiftung durch die Juden hin. Besonders heftig wurden diese in Nürnberg und Eger verfolgt."426

Während die Gymnasiasten an Schreibmüllers Schule also noch mit historischen Fakten belehrt wurden, lernten die Schülerinnen in der Nürnberger höheren Schule des Oberstudiendirektors L., von dem bereits die Rede war, folgendes:

"Da wohnten in den Städten abseits in eigenen Vierteln nach eigenen Gebräuchen und Gesetzen, unter eigener Obrigkeit und mit fremdem Glauben ein rassefremdes Volk: die Juden. Sie bebauten nicht den Acker und trieben kein Handwerk. Und doch wurden sie reich und reicher. Sie lebten von Geldleihe und Zinsnahme. Die waren Christen verboten. Und hohe Zinsen nahmen sie! In ihren Truhen häuften sich Pfänder und Schuldbriefe. So manchen vertrieb der Wucher von Haus und Hof.

'Die Juden haben die Brunnen vergiftet! Sie haben uns die Pest auf den Hals geladen!' raunte es durch die Gassen. Und die schon lange aufs äußerste gereizte Volksmenge stürmte das Judenviertel, das Ghetto. Die Synagogen wurden angezündet. In die Flammen flogen Schuldbriefe und Schuldverschreibungen. [...] So wehrte sich damals das Volk gegen die Überfremdung und 'Auspowerung' durch Rassenfremde. Freilich machte man noch keinen Unterschied zwischen Deutschen und Juden vom Standpunkt der Rasse aus [...]. Aber sie wurden immer als Art- und Volksfremde empfunden."427

War das Gymnasium Carolinum in Ansbach eine nationalsozialistische Schule? Es gibt auch Indizien, die dafür sprechen.

Schon im Schuljahr 1931/ 32 standen im Deutschunterricht Vortragsthemen mit nationalsozialistischem Inhalt auf dem Stundenplan der Unterprima: "Nationalsozialistischer Staatsgedanke (Hitler, Mein Kampf)" und, etwas allgemeiner formuliert, "'Gemeinnutz vor Eigennutz', die Grundbedingungen sozialer Ordnung im heutigen Staat".428

Auch im Folgejahr finden sich nationalsozialistisch geprägte freie Vorträge, ab 1933/ 34 dann mit den ideologisch sofort forcierten Themen "Luftschutz", "Luftflotte" und "14 Jahre Abrüstung". Das spricht dafür, daß es am Gymnasium Carolinum Lehrer gab, die schon sehr früh den nationalsozialistischen Ideologemen Platz im Unterricht einräumten, unter ihnen auch der Oberstudiendirektor.429 Man kann nun aber nicht eindeutig sagen, von wem bei diesen Themen die Initiative ausging, vom Lehrer oder von eventuell nationalsozialistisch erzogenen oder eingestellten Schülern. Zudem sind die Vorträge nicht in schriftlicher Form erhalten, es ist also nicht auszuschließen, daß sich die Schüler vor 1933, vielleicht auch danach, differenziert und kritisch mit den Themen auseinandergesetzt haben.

Es gab am Carolinum aber auch überzeugte und engagierte Nationalsozialisten im Kollegium, etwa den Studienprofessor F., der im Rahmen einer Schulveranstaltung am 11. November 1933 eine Ansprache zur "Wertung der Wahlen am 12. Nov." hielt, worauf die "Hissung der Hakenkreuzfahne" folgte.430 F.s Engagement für den Nationalsozialismus zahlte sich aus, er wurde am 1. Januar 1935 zum Oberstudiendirektor in Bayreuth befördert.431

Offene Wahlbeeinflussung durch die Schule war nicht ungewöhnlich. Am Humanistischen Gymnasium Erlangen hörten zum Beispiel alle Lehrer und Schüler am 10. November "die Führerrede", zudem stand die "Teilnahme des Lehrkörpers und der Klassen 4-9 an einer öffentlichen Kundgebung mit Ansprache des Frankenführers Streicher" auf dem Programm. Am Tag darauf organisierte man einen "Propaganda-Sprechchor der 7.-9. Klasse (mit Lastkraftwagen durch die Stadt)" 432.

So weit gingen die Ansbacher nicht, und auch der Feierkalender des Gymnasiums Carolinum kann sich nicht mit dem des Erlanger Gymnasiums messen.433

Bleiben noch die Aufsatzthemen des Deutschunterrichts als Resultate der ideologischen Beeinflussung der Schüler.

Hier fällt auf, daß es neben den politischen und historisiert-ideologischen Fragestellungen wie zum Beispiel: "Wie stellt sich der Nationalsozialismus zur Geschichte unseres Volkes?" als Erörterungen auch Themen angeboten wurden, die nicht zwangsläufig ideologisch beantwortet werden mußten: "Was läßt sich für und gegen den Film sagen?" Es spricht für das pädagogische Einfühlungsvermögen der betreffenden Lehrer, daß diese Ausweichthemen während der Zeit des Krieges an Zahl zunahmen.434

Das Gymnasium Carolinum also eine nationalsozialistischen Schule?

Die Frage muß offen bleiben. Es wurde aber deutlich, daß das Schulleben sich von Fall zu Fall beträchtlich unterscheiden konnte. Der Oberstudiendirektor Schreibmüller jedenfalls blieb auch nach 1945 im Schuldienst und widmete sich in verschiedenen Regionalzeitungen sprachhistorischen und landeskundlichen Themen.435

Der allfällig endlich verbleibende Restbestand wird,
da es sich bei diesem zweifellos um den widerstandsfähigsten Teil
handelt, entsprechend behandelt werden müssen, da dieser,
eine natürliche Auslese darstellend, bei Freilassung als Keimzelle
eines neuen jüdischen Aufbaues anzusprechen ist.
(Siehe die Erfahrung der Geschichte.)
Aus dem Protokoll der Wannsee-Konferenz vom 20. Jan. 1942

5 Schlußbetrachtung

Das Ziel dieser Arbeit war es, einen Bereich nationalsozialistischer Herrschaft zu untersuchen. Der Geschichtsunterricht war ein instrumentum regni des totalitären Staates, der entscheidende Ort ideologischer Infiltration an der Schule. Die Grundlage dieses Geschichtsunterrichts war das nationalsozialistische Geschichtsbild, das nicht nur der Selbstverortung im universalen historischen Prozeß diente, sondern als Hauptbestandteil politomotivatorische Ideologie verstanden werden muß.

Ihre Vertreter bedienten sich einer Vielzahl zeitgenössischer ideeller Muster, vor allem des "Rassengedankens", der völkischen Ideologie und des Antisemitismus, kombiniert mit kulturkritischen Gedanken und einem radikalen Antikommunismus. Zur Weltanschauung amalgamiert wurden diese ideellen Versatzstücke durch das Strukturprinzip des Mythos. Mythologische Denkmuster konstituieren sich nicht primär aus historischen Fakten, sondern schaffen durch einen komplizierten Projektionsprozeß von selbstgesetzten Zukunftsträumen und korrelierenden Interpretationen der Vergangenheit neue mythohistorische Weltbilder.

Man kann daher beim Nationalsozialismus von einer "politischen Religion" sprechen. Politisch deshalb, weil sein Heilsversprechen entgegen der religiösen Rhetorik konsequent im Diesseits verhaftet blieb.

Im Nationalsozialismus finden sich mythologische Erklärungs- und Rechtfertigungsmechanismen nicht nur in der Geschichtsbetrachtung, sondern in allen gesellschaftlichen und politischen Bereichen. An der nationalsozialistischen Erziehungswissenschaft wurde dies demonstriert. Auch die offizielle Erziehungswissenschaft basierte auf pseudohistorischen Erkenntnissen, fand ihre Legitimation in einem rückprojizierten germanischen Protoideal, das zugleich die Grundlage für eine zukünftige Pädagogik im nationalsozialistischen Sinne darstellen sollte.

Die nationalsozialistischen Ideologeme fanden ihre Verbreitung durch adäquate Vermittlungsstrategien, die von den nationalsozialistischen Ideologen primär vom Christentum entlehnt wurden.

Der Geschichtsunterricht des anbrechenden "Dritten Reiches" stellt sich nach genauerer Betrachtung seiner inhaltlichen und pädagogischen Grundlagen als eine konsequente Form der Vermittlung von Ideologemen dieser "politischen Religion" dar. Denn es ist nachweisbar, daß mit den mythologisierten Inhalten auch religiöse Vermittlungsstrategien in die Didaktik diffundierten. Im Einzelfall ging dies soweit, daß der Geschichtsunterricht, handelte er von mythologischen Themen, tendenziell Versatzstücke und Strukturen von gottesdienstähnlichen Feiern übernahm. Dabei muß seine Zielsetzung, die Mitarbeit an der "Züchtung" des nationalsozialistischen "neuen Menschen", des "politischen Soldaten", stets mitberücksichtigt werden.

Der Geschichtsunterricht mutierte so zum motivatorischen 'Durchlauferhitzer' einer historisch legitimierten ideologischen Zielsetzung — zum Religionsunterricht der "politischen Religion" des Nationalsozialismus.

Die Entwicklung des Geschichtsunterrichts zum Religionsunterrichtssurrogat ist nie vollständig und allgemein vollzogen worden. Einerseits sprachen gegen seine Sakralisierung traditionelle Auffassungen von Unterricht, andererseits setzte sich ein nationalsozialistisch überzeugter und entsprechend geschulter Lehrernachwuchs an den Schulen auf Grund des Krieges nicht durch.

Kann das heißen, daß der nationalsozialistische Geschichtsunterricht per se ein Erfolgsmodell war, das am Größenwahn der politischen Führung scheiterte? Hätte er ohne die Erschwernisse des Krieges langfristig sein Ziel der totalen Infiltration der nachwachsenden Jugend erreicht?

Historiker stehen Fragen wie "Was wäre gewesen, wenn ...?" im allgemeinen und zu Recht skeptisch gegenüber. Doch nach den Bemühungen um objektive Darstellung ist eine Bewertung erlaubt.

Untersucht man Ideologien, stellt sich die Frage nach deren Adäquanz bezüglich der Realität zudem automatisch. Beim Nationalsozialismus fällt die Antwort darauf nicht schwer, sein völliges politisches und menschliches Scheitern spricht für sich.

Damit ist jedoch noch nicht die Frage nach dem Warum beantwortet.

Im folgenden soll deshalb hier noch einmal auf die ideologiekritischen und methodologischen Überlegungen des ersten Teils zurückgegriffen und auf dieser Metaebene nach Gründen für das Scheitern der in Realisierung begriffen gewesenen Utopie gesucht werden. Daneben muß das Phänomen interessieren, warum der Nationalsozialismus bis zu seinem für ganz Europa desaströsen Ende in weiten Teilen der deutschen Bevölkerung Anhänger haben konnte, obwohl spätestens nach der Schlacht bei Stalingrad oder im Zuge der immensen Zerstörung der deutschen Städte ein Umdenken hätte erwartet werden können.

Die nationalsozialistische Geschichtsauffassung ist nicht nur Weltbild, sondern Bestandteil einer "politischen Religion".

Religionen basieren nicht auf dem Faktischen, sie weisen, wie gesehen, über es hinaus. Ihr Ziel ist nicht nur die Erklärung der Welt an sich, sondern zudem ein Heilsversprechen, das über die Defizite menschlicher Existenz und über die Beschaffenheit der Welt hinwegtröstet. Dabei gehen sie von Voraussetzungen aus, die ihren Ort nicht in der diesseitigen Realität haben, sondern in einer transzendenten Sphäre liegen.

Politische Religionen verorten Voraussetzung und Heilsversprechen in der Immanenz, modifizieren diese aber mit irrationalen Mitteln zu einer bloßen Vorstellung der Realität, zur "Weltanschauung" durch die ideologisch gefärbte Brille.

Die Grundlage des Nationalsozialismus war also ein proton pseudos, eine bezüglich der faktischen Realität inadäquate Definition eben dieser Realität. Aufgrund der irrealen Grundannahmen, also der völkischen und "rassischen" Weltsicht, mußten die daraus resultierenden logischen Folgerungen in einer rational strukturierten Welt der internationalen Politik von vornherein ebenfalls inadäquat sein.

Anders gewendet: Weil es eben keine jüdische Weltverschwörung gab, weil das deutsche Volk eben nicht einen "rassisch" begründeten aprematsanspruch über die anderen europäischen Völker hatte, mußte seine Eroberungspolitik in einer Katastrophe enden.

So weit, so gut.

Aber hätten das nicht auch die Deutschen selbst erkennen können? Zunächst durch eine rationale Analyse der Ideologie vor 1933, oder durch eine realistische Betrachtung der Kriegssituation. Spätestens ab dem Winter 1941/ 42 hätte ein Nachdenken darüber auch in Deutschland zu diesem so logischen Ergebnis führen müssen.

Die Tatsache, daß eben dies nicht funktionierte, kann nicht allein mit Propaganda und Terrorherrschaft erklärt werden. Die mußten ja zunächst einmal etabliert werden.

Der nicht vorhandene Widerstand gegen die totale Gleichschaltung zeugt bereits davon, daß in weiten Kreisen der deutschen Bevölkerung eine mentale Disposition zur Ideologie des Nationalsozialismus, zu seiner "politischen Religion" bestanden haben muß. Ihr Erfolg erklärt sich daraus, daß sie zwei Faktoren berücksichtigte und in der richtigen Kombination miteinander verschmolz: die wissenschaftsgläubige und pseudorationale Erwartungshaltung der deutschen Bevölkerung und ihre "metaphysische Obdachlosigkeit". Der Nationalsozialismus war ein logisierter Mythos und bot eine Überwindung der "entzauberten Welt"-Sicht der Aufklärung. Einerseits grenzte er sich von den rationalen Errungenschaften der Aufklärung ab, andererseits verstand er es, selektiv neueste 'wissenschaftliche' Erkenntnisse quasi als elementare Versatzstücke zu integrieren.

Zu den geistesgeschichtlichen Gründen für die nationalsozialistische Erfolgsgeschichte gesellten sich mentalitätsgeschichtliche Voraussetzungen, wie beispielsweise die obrigkeitsstaatliche Tradition, aber auch und vor allem handfest politische.

Wie so oft in der Geschichte entwickelte auch zu Anfang der dreißiger Jahre (polito-)religiöses Denken seine größte Wirkungskraft im Kontext wirtschaftlicher und weltanschaulicher Degression. Und das vor allem deshalb, weil das nationalsozialistische Heilsversprechen der egalitären "nordischen" Gesellschaft durch politische "Taten" machbar schien. Eine Alternative sah man 1933 in der Weimarer Republik, die als solche schon längst nicht mehr funktionierte, jedenfalls nicht.

Natürlich haben die politischen Anfangserfolge der Nationalsozialisten auch etwas mit dem Phänomen der ideologifizierten Begeisterung der Deutschen zu tun. Mit geschickter Propaganda wurden die Folgen der sich erholenden Weltwirtschaft dem eigenen politischen Konto gutgeschrieben. Der Zugewinn politisch-militärischer Macht war Ziel des Nationalsozialismus, wirkte aber gleichzeitig als Katalysator. Hitlers diplomatisch geschickt iniziierte Anfangserfolge ließen den Großteil der Bevölkerung die zunehmende Unfreiheit vergessen. Sie dienten darüber hinaus auch als 'Beweis' für die Richtigkeit des eingeschlagenen Weges. Realiter waren sie schon Teil des nationalsozialistischen Eroberungsprogramms, eine Folge des wirtschaftlichen Kriegskurses und der Entrechtung und Beraubung von Menschen, zunächst im Lande, später europaweit. Im Krieg findet sich dasselbe Phänomen: die Erfolge des "Blitzkrieges" verführten zu blindem "Glauben an den Endsieg.

Hatte man im Zuge der politischen und militärischen Erfolge Hitlers die kontrafaktische und zudem irrationale Ideologie auch nur partiell verinnerlicht, konnte man als Politiker oder Bürger nicht mehr adäquat auf die realen Entwicklungen reagieren. Man nahm sie nicht mehr wahr. Irrationale Denksysteme entziehen oder verweigern sich dem rationalen Zugriff. Das macht beispielsweise den langfristigen Erfolg der christlichen Religion gegen die Versuche der wissenschaftlich-rationalen Aufklärung aus. Statt dessen etablieren sie einen an die Religion oder Ideologie angepaßte Wahrheitsbegriff, nach dem nicht sein kann, was dem präskriptiven Weltbild nach nicht sein darf: "Objektiv ist, was deutsch ist."

Im Nationalsozialismus wurde 'Ungläubigen' oder Gleichgültigen durch konsequente Propaganda und totalitäre Unterdrückung die Möglichkeit genommen, sich über die Realität außerhalb der Ideologie zu informieren.

Die gläubigen Nazis handelten aus rationaler Perspektive unverständlich, irrational. Sie waren für objektive Realititäten nicht empfänglich, konnten nicht auf sie reagieren. Denn innerhalb ihrer sensuellen und ideellen Wahrnehmung war das Geschehen entweder schlüssig, oder sie konstruierten eine "feindliche", "böse" Macht, die die Realisierung ihres legitimen Zukunftstraums sabotiert. Das ließ sich an der Reaktion Adolf Wagners auf die Demonstrationen infolge seines "Kruzifix-Erlasses" beobachten oder an Hitlers politischem Testament, das letztlich den Sieg des "internationalen Judentums" konstatierte.

Aus der Kombination des Bisherigen erscheint die Beantwortung der Frage nach dem ideologischen "Durchhalten" weiter Teile der deutschen Bevölkerung beantwortbar.

Dabei muß auch noch einmal auf die innere Schlüssigkeit des nationalsozialistischen Denkmodells hingewiesen werden, das im methodologischen Teil dieser Arbeit entwickelt wurde: Ging man von der, im übrigen wissenschaftlich vermeintlich nachweisbaren, Richtigkeit der "rassischen" Voraussetzungen aus, war die eingeleitete "Aufnordung" bei gleichzeitiger "Ausrottung der Minderwertigen und Ungläubigen" ein 'todsicherer' Weg zum Ziel des allmächtigen Idealstaates. Die anfänglichen Erfolge etablierten den "Glauben" an die Realisierbarkeit dieser Utopie, und die Stilisierung des "deutschen Kampfes" zur politischen 'Apokalypse' rechtfertigte die unvorstellbaren Opfer an Menschenleben, da der Sieg gewiß schien. Die Ausführung der Massenmorde an unschuldigen Opfern inszenierten in erster Linie Angehörige des politischen "Ordens" der SS oder Mitglieder des SD — zumeist besonders 'gläubige' Vollstrecker. Die Diskussion um "Hitlers willing prosecutioners" darf nicht über diese Tatsachen hinwegtäuschen. Damit soll natürlich nicht behauptet werden, daß nicht auch ganz "gewöhnliche Deutsche" an den Exekutionen unschuldiger Menschen beteiligt waren. Sie alle aber mußten die apokalyptischen Rechtfertigungsmuster, wenn auch unbewußt, verinnerlichen, wollten sie ihr Handeln vor sich selbst rechtfertigen.

Aber der Nationalsozialismus war nur scheinbar ein Erfolgsmodell. Ideengeschichtlich war er ein Rückschritt in unzeitgemäßes Denken. Gewichtiger für sein Scheitern war jedoch die politische Zielsetzung: Die größenwahnsinnige 'Apokalypse' des Weltkrieges war dieser Ideologie von vornherein inhärent — Sie war eine Hybris.

6 Anhang 1

6. 1 Brief des BSUK an die Direktorate der höheren Lehranstalten vom 5. Juli 1935

"Betreff: Geschichtsunterricht.

Es scheint angezeigt, auf die für den Geschichtsunterricht grundlegenden Richtlinien nachdrücklich hinzuweisen:

Der Geschichtsunterricht dient in erster Linie der politischen Erziehung. Er hat 'jenes Maß geschichtlichen Einblicks zu vermitteln, das nötig ist für eine eigene Stellungnahme in den politischen Angelegenheiten des Volkstums'; 'denn man lernt nicht Geschichte, nur um zu wissen, was gewesen ist, sondern man lernt Geschichte, um in ihr eine Lehrmeisterin für die Zukunft und für den Fortbestand des eigenen Volkstums zu erhalten' (Adolf Hitler).

Daraus ergibt sich ohne weiteres, daß, so wichtig auch die Darstellung des Kulturgeschichtlichen zur Kennzeichnung großer Entwicklungsabschnitte ist, doch die politische Geschichte den Vorrang haben muß.

Dabei gilt es aus der verwirrenden Fülle der Geschehnisse alles Unwesentliche unbedingt beiseite zu lassen und nur die großen Entwicklungslinien herauszuarbeiten und die tiefen Zusammenhänge zur Erkenntnis zu bringen.

Die Geschichte fremder Völker kann dabei naturgemäß nur in großen Umrissen und nur insoweit herangezogen werden, als dies zur Förderung und Vertiefung der Erkenntnisse über das eigene Volk notwendig erscheint. Römische Geschichte z. B. 'in ganz großen Linien richtig aufgefaßt ist und bleibt — nach den Worten des Führers — die beste Lehrmeisterin nicht nur für heute, sondern wohl für alle Zeiten.'

Grundsätzlich aber hat sich der Geschichtsunterricht in erster Linie mit der deutschen Geschichte zu befassen, wobei selbstverständlich die Geschichtsbetrachtung sich nicht auf das innerhalb der jetzigen reichsdeutschen Grenzen liegende Gebiet beschränken darf, sondern das gesamte deutsche Hundertmillionenvolk also auch das Schicksal unserer außerhalb der Reichsgrenzen wohnenden Stammesbrüder im Auge zu behalten hat.

Bei der deutschen Geschichte ist von den ältesten Bestandkräften des deutschen Volkes und Volkstums auszugehen, damit das Werden der deutschen Nation unserer Jugend völlig klar wird. Sie wird dabei erkennen, wie aus der Geschichte der nordischen Rasse sich die des deutschen Volkes entwickelt.

Von der Vorzeit an durch alle späteren Jahrtausende hindurch bis zur Gegenwart muß die Bedeutung der Rasse gewürdigt werden, da sie den Urboden darstellt, aus dem alle wurzelhafte Eigenart sowohl der Einzelpersönlichkeit wie der Völker erwächst.

Nach dem Erlaß des Herrn Reichsministers (siehe KMBL 1935 Nr. 1, S. 12) ist die Weltgeschichte als Geschichte rassisch bestimmter Volkstümer darzustellen. Unsere Jugend muß die deutsche Geschichte als einen steten, auf und ab wogenden Kampf um die Erhaltung und Gestaltung germanisch-deutschen Wesens erleben, das sich gegen die Überdeckung durch fremde Einflüsse wehrt und um Lebensraum ringt.

Dieser gewaltige Kampf ist nicht von den Massen, sondern vor allem von den großen Führern getragen worden; daher hat deren Leben und Streben das feste Gerüst jedes Geschichtsunterrichts zu bilden.

Rasse und Führerpersönlichkeit sind also die beiden Begriffe, die als richtungsgebende Wegweiser für den Geschichtsunterricht zu gelten haben.

Der heldische Gedanke in seiner germanischen Ausprägung, verbunden mit dem Führergedanken unserer Zeit, der an älteste Vorbilder deutscher Vergangenheit anknüpft, muß den ganzen Geschichtsunterricht durchziehen. Beide zusammen erwecken mit der ihnen innewohnenden, die Herzen mit sich reißenden Gewalt in unserer Jugend die Begeisterung und den Willen, voll Stolz auf die Leistungen des deutschen Volkes von selbst im Rahmen des Ganzen alles zu tun, was sie dieser Leistung wert macht.

Damit aber der Geschichtsunterricht wirklich den gewünschten Erfolg bringt, ist es nötig, daß er von durchaus geeigneten und befähigten Lehrern erteilt wird. Die Lehrer- und Einzelpersönlichkeit gibt vor allem hier den Ausschlag.

An Schulen, an denen der NSDAP. angehörende, für den Geschichtsunterricht geprüfte und für die Erteilung gerade dieses Unterrichts zweifellos besonders befähigte Lehrkräfte vorhanden sind, sollen in erster Linie diese in weitgehendem Maße als Geschichtslehrer herangezogen werden.

I.V. [Unterschrift]".

[StAN Rep. 245-5, Nr. 258]

6. 2 Vortrags- und Aufsatzthemen und Schulveranstaltungen am Gymnasium Carolinum, Ansbach

Jahresbericht 1931/ 32 des Gymnasiums Carolinum, Ansbach436

"Themen der freien Vorträge 8. Klasse:

1. Aus dem Bienenstaat[...]

4. Nationalsozialistischer Staatsgedanke (Hitler, Mein Kampf)[...]

20. "Gemeinnutz vor Eigennutz", die Grundbedingung sozialer Ordnung im heutigen Staat"

[StAN Rep. 245-6, Nr. 1533]

Jahresbericht 32/ 33 des Gymnasiums Carolinum, Ansbach

"Vortragthemen 8. Klasse:[...]

5. [Frä.], Leibesübungen und Wehrhaftigkeit. [...]

19. [...], Was heißt Autarkie für die deutsche Wirtschaft?

[StAN Rep 245-6, Nr. 1534]

Jahresbericht 1933/ 34 des Gymnasiums Carolinum, Ansbach

"Vortragsthemen 9. Klasse: [...]

2. [Frä.], der ns. Gedanke im Sport.[...]

10. [...], Luftschutz ist Selbstschutz.[...]

13. [...], Luftflotte als dritte Waffe.

14. [...], Der ns. Gedanke in der Welt.

8. Klasse: [...]

2. [...] Luftschutz

3. [...] Luftangriff.

4. [...] 14 Jahre Abrüstung.[...]"

[StAN Rep. 245-6 Nr. 1535]

Jahresbericht 1934/ 35 des Gymnasiums Carolinum, Ansbach

"Themen für die deutschen Aufsätze:[...]

9. Klasse

A, Schulaufgaben

I. [Trimester]

1. Können Feste als Mittel der Erziehung zur Volksgemeinschaft dienen?

2. Die Gegenwart als Quelle des Verständnisses der Vergangenheit.

3. Die technischen Hilfsmittel der heutigen Politik.[...]

III. [Trimester]

1. Was läßt sich für und gegen den Film sagen?

2. Wie stellt sich der Nationalsozialismus zur Geschichte unseres Volkes?

3. Wie greift unser heutiger Totalstaat in das Leben des einzelnen ein?

B, Hausaufgaben

I. [Trimester]

1. Die Geschichte als Quelle politischer Gegenwartszwecke

2. Turpe est in patria vivere et patriam ignorare (Plinius)

3. "Willst du, daß wir mit hinein in das Haus dich bauen, laß es dir gefallen, Stein, daß wir dich behauen" (Friedrich Rückert). [...]"

[StAN Rep. 245-6, Nr. 1523, 9]

Jahresbericht 1940/ 41 des Gymnasiums Carolinum, Ansbach

"[...]8. Klasse

A. Schulaufgaben

I. [Trimester]

a, Der Anteil der Germanen am Aufbau des europäischen Volkskörpers.

b, Die Stärke der Nationen auf den großen Männern, welche die Natur ihnen zur rechten Zeit geboren werden läßt.

c, Man ist nur groß mit seines Volkes Größe.

d, Die Romantik der Landschaft.

e, Fränkische Landschaftsbilder. [...]

B. Hausaufgaben

I. [Trimester]

a, Das Bild des germanischen Menschen in der frühgermanischen Sprache und Literatur.

b, Et facere et pati fortia Romanum est (Römischer Geist und römische Geschichte).

c, Dichtung und Politik (Das Zusammenspiel des politischen Tatmenschen Augustus mit dem dichterischen Genius Vergil)

d, Des Menschen Titanentum [...]"

[StAN Rep. 245-6, Nr. 1542]

Gedruckter Jahresbericht 1933/ 34 des Gymnasiums Carolinum Ansbach

"Unser Gymnasium begleitet die großen Ereignisse im Dritten Reiche mit innigster Teilnahme und würdigte ihre Bedeutung durch Veranstaltungen in der Aula.

16. Juni: Zusammenfassendes Schlußwort des Oberstudiendirektors zum Unterricht in der jüngsten Geschichte vor den Klassen III-IX. [...]

12. Sept. Feier zur Erinnerung an die Befreiung Wiens 1683 mit Ansprache des Oberstudiendirektors [...]

2. Oktober: Ansprache zu Ehren des Reichspräsidenten in den einzelnen Klassen [...]

9. November: Feier zur Erinnerung an den 9. Nov. 1923 mit Ansprache des Oberstudiendirektors

11. November: Kundgebung zur Wertung der Wahlen am 12. November mit Ansprache von Stprof. F. Hissung der Hakenkreuzfahne. [...]

30. Januar: Feier zur Erinnerung an den 30. Januar 1933 mit Ansprache des Oberstudiendirektors

30. Januar: Bericht StR R.s über den biologisch-rassekundlichen Kurs in München (vor den Kollegen und dem Anstaltsarzt) [...]."

[StAN Rep. 245-6 Nr. 1523/ 8]

6. 3 W. Zimmermann, Die Feierstunde im Geschichtsunterricht

"In seinem Aufsatz über die Ausbildung der jungen Geschichtslehrer in "Vergangenheit und Gegenwart" 1936, Heft 6, S. 338, weist Dr. Ulrich Haacke auf die Feierstunde im laufenden Unterricht als eine besondere Möglichkeit hin, den Geschichtsunterricht auszugestalten und recht wirksam zu machen. Da ich selbst bei der Behandlung der Zeit vom Ausbruch des Weltkrieges bis zur Gegenwart im Deutsch- und Geschichtsunterricht einer Untersekunda zwei solcher Feierstunden — über Langemarck und Horst Wessel — durchgeführt habe, möchte ich einige grundsätzliche Gedanken über die Möglichkeit solcher Stunden in der Schule äußern und als Beispiel einen Bericht über die Langemarckstunde geben.

Die Feierstunden erwachsen im Jugendbund aus den Heimatabenden oder dem Erleben am Lagerfeuer. Die Stimmung, die über ihnen von vornherein liegt, das gemeinsame Lied, die feierliche Ansprache des Führers und ausgewählte Dichtungen, die vorgetragen oder vorgelesen werden, ergreifen die Jungen unmittelbar, selbst wenn sie nicht alles verstandesgemäß verstehen, was sie hören. Die Schule mit ihrem nüchternen Klassenraum und der helle klare Vormittag, an dem die Feierstunde in der Schule stattfinden muß, lassen nicht ohne weiteres eine ähnliche Stimmung aufkommen. Außerdem muß die Schule auch dafür sorgen, daß das Verständnis des Kunstwerkes wirklich gefördert wird, das heißt zu dem rein gefühlsmäßigen Verstehen muß bis zu einem gewissen Grade eine Denkleistung treten. Man könnte deshalb sagen, daß Feierstunden, die in erster Linie das Gefühl anrufen, besser den Jugendbünden überlassen bleiben sollten. Dieser Einwand verkennt, daß die Schule nicht nur die Aufgabe hat, notwendigen Wissensstoff zu vermitteln, sondern vor allem die seelischen Kräfte der Jugend zu fördern.

Schwerer wiegt der Einwand, daß diese Feierstunden überflüssig seien, da ja die Schule sowieso an Gedenktagen besondere Feiern veranstalte. Die Schulfeiern können aber die Jungen niemals so unmittelbar packen wie die Feierstunde in der Klassengemeinschaft, die sich ganz bewußt auf eine Altersstufe einstellen kann und deshalb wirksamer ist als die Schulfeier, die auf die verschiedensten Altersstufen Rücksicht nehmen muß. Die Schulfeier kann und muß wie die Feier im Jugendbund auf jede Besprechung der vorgetragenen Dichtung verzichten. In der Feierstunde dagegen, als einer besonderen Form des Unterrichts, wird man feststellen müssen, wieweit zum Beispiel ein Gedicht, dessen Verständnis nicht ohne weiteres sicher ist, von den Jungen erfaßt worden ist. Diese Notwendigkeit stellt die Feierstunde vor eine außerordentlich schwierige Aufgabe. Denn jede Besprechung wendet sich an den Verstand, zerstört also unter Umständen gerade die Stimmung, die in der Feierstunde entstanden ist.

Da die Feierstunde, die aus dem Unterricht erwächst, nicht immer gerade zu der Zeit durchgeführt werden kann, da man sich mit seiner Klasse im Landheim befindet, wo von vornherein durch die Umgebung und die Möglichkeit, am Abend solche Stunden zu veranstalten, die Stimmung entstehen kann, die erforderlich ist, wird man in der Schule den Klassenraum für die Feierstunde ausschmücken. Das beste Mittel, über die Atmosphäre der Schulstube hinwegzukommen, bietet aber das gemeinsam — im Halbkreis stehend — gesungene Lied. Durch das Lied, das von Klampfen oder Geigen begleitet wird, sind meine Untersekundaner, wie sie später einmal äußerten, erst "richtig in Stimmung geraten".

Die Feierstunde, in der geschichtliche Darstellung, Dichtung und Musik zu einer organischen Einheit verschmelzen, kann und darf nicht vorher durchgeprobt werden, wenn sie wirksam sein soll. Man wird sie deshalb nur mit solchen Klassen durchführen können, die eine gewisse Sprecherziehung genossen haben und in der Lage sind, den Vortrag der ausgewählten Dichtungen zu Hause allein vorzubereiten. Die Aufstellung des Planes für die Feierstunde muß in der Untersekunda — auf einer früheren Stufe kann man nach meiner Ansicht kaum Feierstunden durchführen — und im allgemeinen in der Oberstufe in der Hand des Lehrers liegen, weil er den geeigneten Stoff besser übersieht. Vorschläge und Wünsche der Schüler müssen natürlich weitgehend berücksichtigt werden.

Die Feierstunde [sic!] dürfen auch nur Ausnahmestunden sein, weil sie sonst an Wirkungskraft verlieren. Auf Grund meiner Versuche möchte ich annehmen, daß zwei bis drei Feierstunden bei der Behandlung der Zeit vom Ausbruch des Weltkrieges bis zur Gegenwart ausreichen.

Das folgende Beispiel einer Langemarckstunde soll kein Musterbeispiel sein, sondern zeigen, wie man eine solche Stunde gestalten kann.

In der Langemarckstunde erzählte ich der Klasse im Anschluß an die Geschichtsstunde über die Marneschlacht zur Einleitung in etwa vier Minuten, wie es zu der ersten Flandernschlacht kam. Ohne mich auf die Frage einzulassen, ob das Einsetzen der Freiwilligenregimenter vom militärischen Standpunkt aus zu rechtfertigen ist oder nicht, sprach ich davon, daß uns die Kämpfe um Langemarck mehr sind als ein Teil jener großen Schlacht, weil in ihnen der Geist der Opferbereitschaft und Hingabe, der das ganze Heer beseelte, seinen schönsten Ausdruck fand. Nach dem Verlesen des deutschen Heeresberichtes vom 10. November 1914 sangen wir gemeinsam das Lied: "Kameraden, die Trompete ruft." Drei Jungen, die wie die anderen ihre Aufgaben zu Haus vorbereitet hatten, trugen dann einen Abschnitt aus dem Hörspiel "Die Freiwilligen" von Alverdes (Die kleine Bücherei, S. 25-32) vor, der die Stimmungen und Gefühle der jungen Soldaten vor der Schlacht zum Ausdruck bringt. Eine Besprechung erschien nicht nötig, so daß gleich anschließend von einem anderen Schüler das Kapitel "Das heilige Lied" aus dem Buch "Flandern" von Hermann Thimmermann vorgelesen werden konnte. Es schildert den Angriff. Nach ein paar Worten über die Gegner der Kämpfer von Langemarck las ich den englischen Tagesbericht vom 11. November 1914 vor, der voller Bewunderung davon spricht, daß das Vorgehen der Deutschen beweise, daß für sie "Deutschland über alles" kein leerer Schall ist. (Im Buch vom Kriege, herausgegeben von B. Schneider und U. Haacke, Langewiesche-Brandt, 1933.) Wir sangen dann die erste und die dritte Strophe des Liedes "Flandern in Not, in Flandern da reitet der Tod".

Aus einem Kriegsbrief, den ein Junge vortrug (Die Stimme der Toten, S. 19, Heft 1 der Reihe Deutsches Schrifttum, Diesterweg), wurde durch eine Frage festgestellt, daß die jungen Freiwilligen hofften, durch ihr Opfer "ein blutender Ziegel am Fundament des neuen Reiches" zu werden. Ich erzählte dann den Schülern in wenigen Worten, wie dieser Geist nach 1918 lächerlich und verächtlich gemacht worden ist, aber in einigen Kreisen der Jugend, der Freikorps und denen um Adolf Hitler als heiliges Vermächtnis empfunden und bewahrt wurde. Das Gedicht "An die Toten" von Stefan George, nach dessen Grundgedanken gefragt werden mußte, weil es beim ersten Hören zu schwer zu verstehen ist, ließ die Klasse erkennen, daß die Forderung des Dichters an das Volk, sich auf sich selbst zu besinnen, die für ihn die Vorbedingung für die Zurückkunft der Toten ist, sich in unseren Tagen erfüllt. Ein Abschnitt aus dem Aufsatz "Langemarck-Dixmuiden" von Nitschke in dem Sammelwerk "Kampf, Lebensdokumente deutscher Jugend von 1914-1934", Reclam 1934, sollte in den Jungen die Bereitschaft wecken, durch ein Leben im Geist der Kämpfer von Langemarck ihr Opfer zu ehren. Mit der ersten Strophe des Deutschlandliedes schloß die Stunde.

Durch das Singen der Lieder und das Beschränken der Besprechung der vorgetragenen Dichtung auf das Allernotwendigste kann so eine Feierstunde durchgeführt werden, die zwar Anregungen aus den Feiern und Heimatabenden des Jugendbundes übernimmt, aber durchaus nicht die besonderen Aufgaben der Schule außer acht zu lassen braucht. Die Jungen, die im Jugendbund sind, haben wohl den Unterschied zwischen Feierstunde im Unterricht und Feier im Jugendbund gespürt. Das schadet nichts. Denn die Schule will ja nicht die Lebensform des Jugendbundes einfach nachahmen, auch wenn sie Anregungen von ihm übernimmt. Die Feierstunde muß zu einer besonderen schulischen Form werden, besonders auch deshalb, wie mir einige Hitlerjungen später privat erklärten, um den [sic!] Jungen, die nicht im Jugendbund sind, miterleben zu lassen, wie schön und eindrucksvoll eine Veranstaltung sein kann, die von einer kleinen Gemeinschaft vorbereitet wird. Für die Schule ist der Hauptgrund für die Durchführung von besonderen Feierstunden im Unterricht aber die Möglichkeit, durch sie eindringlicher das Gefühl der Schüler packen zu können, als es durch den gewöhnlichen Geschichts- oder Deutschunterricht geschehen kann. Und das ist besonders bei Gestalten und Ereignissen der deutschen Geschichte wichtig, die wie Langemarck oder Horst Wessel zum Mythos geworden sind, der wohl erahnt und gefühlsmäßig erfaßt, niemals aber rein verstandesmäßig begriffen werden kann."

[Aus: Die Deutsche Höhere Schule 3 (1936), S. 226-228.]

7 Anhang 2

7. 1 Erläuterungen zu den Graphiken des Geschichtsbildes und des Geschichtsbewußtseins nach Karl-Ernst Jeismann

Die Visualisierung der von Jeismann definierten Begriffe Geschichtsbild und Geschichtsbewußtsein soll der Vorbereitung eines Modells des nationalsozialistischen Geschichtsbildes dienen.

In beiden Graphiken sind die Bestandteile des Geschichtsbildes bzw. des Geschichtsbewußtseins blau dargestellt. Die Genese wird durch Pfeile ausgedrückt. Das Geschichtsbild hat die Gestalt eines im Prozeß des Geschichtsverlangens entstandenen, die Erkenntnis einengenden Bilderrahmens in der Seitenansicht. Dieser umfaßt das fixe Geschichtsbild in seiner Eigenschaft als identifikationsstiftendes Abbild der Geschichte. Der Rahmen, als in der Gegenwart lokalisierter Bestandteil des Geschichtsbildes, symbolisiert das erkenntnisprozessuale Verhaftetsein in der Gegenwart.

Das Geschichtsbewußtsein leistet den integrativen Konnex von Gegenwart und Vergangenheit. Daher umrahmt es in der bildlichen Darstellung Geschichte und Mensch bzw. Gruppe und ersetzt den 'Bilderrahmen' des Geschichtsbildes. Seine konstitutiven Bestandteile sind einerseits das historische Verstehen in seiner dreifachen Zielrichtung und das sich in ständiger Modifikation befindliche, eingebundene Geschichtsbild, das nun, als durchlässige Linie visualisiert, den reflektierten Einblick in die Geschichte ermöglicht.

7. 2 Erläuterung der Graphik des nationalsozialistischen Geschichtsbildes

Gute kybernetische Modelle sollten sich selbst erklären. Im Falle dieses Schemas, das sich an ein bereits veröffentlichtes anlehnt und dieses um einige Komponenten zu erweitern sucht, halte ich ergänzende Erläuterungen allerdings für notwendig.

Das Schema stellt wichtige Bausteine des nationalsozialistischen Geschichtsbildes dar. Zugleich werden die Bedingungen seiner Entstehung sichtbar. Es beruht im wesentlichen auf der schematischen Darstellung des NS-Geschichtsbildes von Franz Selmeier. Inhaltliche Ergänzungen nach seiner Skizze sind empfehlenswert.437 Hier blieben sie mit Rücksicht auf die Übersichtlichkeit weitgehend ausgespart. Selmeier stellt den Verlauf der Ereignisse so dar, daß die Amplitude der Kurven stetig zunimmt. Eine Begründung gibt er nicht. Hier wird die Amplitude nicht variiert, die Kurve soll lediglich das prinzipielle historische Auf und Ab zwischen den dialektischen Polen "Aufnordung" und "Rassenmischung" verdeutlichen.438 Die Selmeiersche Unterscheidung der Ranghöhe von Urreich und Drittem Reich wurde übernommen. Die Größenverhältnisse von Ideal und Realität bedeuten keine Gewichtung oder Wertung, sondern tragen dem Bemühen um Übersichtlichkeit Rechnung. Auf die konkrete Visualisierung des Mythos als Leitbild wurde verzichtet. Die Projektion vom Ideal zum konstruierten, (prä-) historischen Protoideal scheint für mythologisches Denken an sich konstitutiv zu sein. Das zweite bei Selmeier graphisch dargestellte Leitbild der "nordischen Rasse" und ihrer Strahlungs- und Wanderbewegungen wurde in diesem Schema unter die Schlagworte "arische Kulturträgerschaft" und ihrem Gegensatz, der "Überfremdung" als geschichtsmotivierende Kategorien zusammengefaßt.

Die Einbeziehung der zur damaligen Zeit lebenden Generation (schwarzes Sechseck) erschien wichtig, um die historische Verortung der Gegenwart im nationalsozialistischen Geschichtsbild zu verdeutlichen. Der Erste Weltkrieg ist wegen seiner mentalitätsprägenden Funktion miteinbezogen. Die Trennlinie zwischen Vergangenheit und Gegenwart wurde nicht exakt terminiert. Den Zeitpunkt für das Erscheinen des messianischen Führers könnte man auf den 9. November 1923 datieren, der ersten politischen Aktion Hitlers. Ebenso läßt er sich, dem NS-Mythos der "Machtergreifung" folgend, mit dem Datum der Machtübernahme synchronisieren, da von dort an die politische Motivation (bei Selmeier: "Sendung") wirksam umgesetzt werden konnte. Ihre Folge ist ein sich am zukünftigen Idealstaat fixierender Glaube, der — politisch wirksam in Wille umgesetzt — die politische Motivation katalysiert. Andererseits erzeugt die identifikatorische Motivation eine Orientierung an mythologisierter Vergangenheit und mithin historische Identität.

Die Charakterisierung der betreffenden Gruppe als Deutsches Volk ist nicht unproblematisch, suggeriert sie doch, die gesamte Bevölkerung habe sich in einen derartigen Geschichtsprozeß integriert gefühlt. Das Schema gibt hier aber die nationalsozialistische Denkweise wieder, die das ganze deutsche Volk vereinnahmt.

Das Sechseck integriert auch die noch vorhandenen Gegensätze aus Rassenmischung und Rassereinheit. Der Prozeß hin zum Ideal beginnt allerdings bereits zu Lebzeiten der Gegenwartsgeneration. Der Anteil der "Minderwertigen" nimmt im Zuge ihrer realen Ausrottung ab, der der "Reinrassigen" durch die nationalsozialistischen "Züchtungsprogramme" im Sinne der "Aufnordung" zu. Weitergeführt erzeugt dieser Vorgang der "Auslese" und "Ausmerze" in der Zukunft den neuen Idealstaat (gestrichelte Linie). Die Abgrenzung zum Zeitraum der Zukunft ist problematisch. Hier wurde ein Zeitpunkt gewählt, der den Erwartungshorizont vieler Zeitgenossen verdeutlicht: Die 'positive Entwicklung' hat eingesetzt und wird in der Zukunft weiter in Richtung Ideal verlaufen. Andererseits ist der Idealzustand nicht zu Lebzeiten der Gegenwartsgeneration zu erwarten.

Die Farbe Blau markiert in der Graphik die Hauptbestandteile des Geschichtsbildes und seiner Entstehung. Die inhaltlichen Aspekte sind, auch wenn sie als historisiertes proton pseudos diesen Bestandteilen zugrunde liegen, der Übersichtlichkeit halber schwarz dargestellt. Die Reziprozität aus Zukunftstraum und idealisierter Vergangenheit ist als historisierende reziproke Projektions-Linie mit doppelter Verweisrichtung dargestellt. Die Rückprojektion dominiert jedoch (großer Pfeil) die Re-Retroprojektion (kleinerer Pfeil).

Der Pfeil im unteren Bereich des Schemas bezeichnet den Geschichtsverlauf. Die eigentliche Geschichte als "Rassengeschichte" beginnt erst mit dem 'Sündenfall' der "Rassenmischung". Die Skizze versucht jedoch der historischen Fachrichtung der Ur- und Frühgeschichte und mithin der wissenschaftlichen Erforschung des protoidealen Urzustandes Rechnung zu tragen, indem der Verlaufspfeil in den Abschnitt des Protoideals verlängert wurde. Da es sich bei dieser Erforschung jedoch in einem ungleich höheren Maße als bei der übrigen nationalsozialistischen 'Historiographie' um idealische Projektion handelt, ist die Verlängerung gestrichelt gezeichnet. Gleiches gilt für das andere Ende der Linie. Hier ist mit Erreichen des Idealzustandes das Ende der Geschichte als "Rassengeschichte" zu verorten.

7. 3 Schema des nationalsozialistischen Geschichtsbildes von Hans Selmeier

Nicht online verfügbar

8 Quellen- und Literaturliste

In den Fußnoten finden sich verkürzte Titel.

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70

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258

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192

1523/ 8-13

1533-42

1900

Rep. 270/ V, Abgabe 1978 Reg. v. Mittelfranken, Nr.

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STDAN:

C 18/ II Nr. 4082

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Anmerkungen

1 Folgende Beiträge können als Einführungen zur nationalsozialistischen Schulpolitik allgemein dienen: Dithmar, Schule, Eilers, Schulpolitik, Heinemann, Schule, Nyssen, Schule, Ortmeyer, Schulzeit, Scholtz, Erziehung und WILLENBORG, Schule.

2 Vgl. Werner, Geschichtsbild, S. 9.

3 Alle Zitate vgl. Jeismann, Geschichtsbewußtsein, S. 12.

4 Eine nähere Erläuterung der Graphiken findet sich in Anhang 2 dieser Arbeit.

5 In vielen Fällen wurden die zitierten Textstellen gekürzt. Die Auslassungen ([...]) betreffen jedoch meist nur Syntagmen, die im Zitatzusammenhang unverständlich bleiben oder zu unnötiger Verlängerung ohnehin schon umfangreicher Zitate führen würden. Es wurde darauf geachtet, die Textaussage keinesfalls durch Auslassungen zu verändern. Dasselbe gilt für Ergänzungen, die, wie hier, in eckigen Klammern stehen. Sie betreffen zumeist grammatische Anpassungen an den Fließtext. Bei inhaltlich relevanten Ergänzungen wurden, soweit möglich, die Formulierungen des Originals eingesetzt. Auf Abweichungen von der Normalorthographie und unkonventionelle Formulierungen im Original ist mit [sic!] hingewiesen. Hervorhebungen im Original (Unterstreichung und Sperr- oder Kursivdruck) sind einheitlich in Kursivdruck wiedergegeben.

6 Vgl. JEISMANN, Geschichtsbewußtsein, S. 13.

7 Den hermeneutischen Zirkel verstehe ich als allgemeingültiges Modell für menschliche Erkenntnisprozesse. Zur historischen Hermeneutik vgl. z. B. Angehrn, Geschichte, S. 221-230.

8 Vgl. StAN Rep. 245-5, Nr. 258. Den vollständigen Text des Briefes s. Anhang 1 dieser Arbeit.

9 Zu Darwins Theorie und ihrer Anwendung auf soziokulturelle Phänomene allgemein vgl. Conrad- Martius, Menschenzüchtung.

10 Gesellschaftlich motivierte Symptome wurden jedoch meist allzu schnell biologisch- medizinisch erklärt. So etwa LENZ, Eugenik, S. 11, wenn er soziale ("häusliche") Gründe für schlechte Schulleistungen in der Unterschicht bagatellisiert.

11 Alle Zitate nach Reyer, "Rassenhygiene", S. 115-119. Vgl. die Tabellen und Kreisdiagramme der beängstigenden Hochrechnung bei Lenz, Eugenik, S. 10f.

12 Der Begriff "Rassenhygiene" wurde bereits 1895 von dem Biologen Alfred Ploetz geprägt, der in seiner Schrift Die Tüchtigkeit unserer Rasse und der Schutz der Schwachen die damalige wissenschaftliche und gesellschaftliche Diskussion auf den Punkt zu bringen suchte. Sein "rassenhygienischer" Idealstaat war allerdings noch im Utopischen verortet, er sollte das richtige Verhältnis aus staatlicher Reglementierung der Fortpflanzung und natürlichem "Kampf ums Dasein" gewährleisten. Ploetz stand mit seiner Meinung nicht allein. Seine Ideen wurden von ihm und seinen Kollegen, etwa Wilhelm Schallmayer, später Erwin Baur und Fritz Lenz, bis in die Zeit der Weimarer Republik weiterentwickelt. Seit 1923 existierte an der Universität München ein eigener Lehrstuhl für "Rassenhygiene", vgl. REYER, "Rassenhygiene", S. 113, vgl. ausführlich BECKER, Rassenhygiene, S. 57-136 (zu Ploetz), S. 137-218 (zu Lenz) und S. 1-56 (zu Schallmayer). Die Entwicklung der Wissenschaftsdisziplin untersuchen BAYERTZ/ KROLL/ WEINGART, Rasse.

13 Vgl. Lenz, Rassenhygiene, S. 3f.

14 So in dem Handbuch von Baur-Fischer-Lenz aus dem Jahre 1927, zitiert nach Reyer, "Rassenhygiene", S. 121.

15 Dies waren nach Reyer, "Rassenhygiene", S. 123 die gängigen Forderungen um 1932. Es erscheint mir wichtig, hier darauf hinzuweisen, daß vom wissenschaftlichen mainstream der Weimarer Zeit, etwa von Fritz Lenz, lediglich die Eugenik empfohlen wurde, also die Verhinderung der Fortpflanzung erbkranker Keime, und das auf freiwilliger Basis aufgrund von Aufklärung.

16 Darunter waren v. a. populärwissenschaftliche Autoren wie etwa Hans Friedrich Karl Günther, Rassenkunde, S. 140 indirekt durch Hinweis auf die Praxis in den Vereinigten Staaten, wo Zwangssterilisierung praktiziert wurde. Vgl. KÜHL, Rassisten, S. 125f. und S. 133f., vgl. auch GEYER, "Rassenhygiene", S. 122 und S. 136, Anm. 16. Gerade diese Forderung wurde vom Nationalsozialismus aufgegriffen, vgl. HITLER, Kampf, S. 279 und fand im Gesetz zur Verhinderung erbkranken Nachwuchses vom 14. Juli 1933 ihre praktische Umsetzung. Noch viel seltener waren die Forderungen nach Euthanasie, also "Personenausmerzung", gewesen, die dementsprechend von den Nazis erst in der "Aktion T4" seit 1939 durchgeführt wurde, vgl. dazu ALY, Massenmord, S. 11-21 und NOWAK, Krankenmord, S. 74-84.

17 Vgl. Lenz, Eugenik, S. 31.

18 Vgl. Baur, Untergang, S. 6f. Auch ein umfassenderes Zitat des Textzusammenhangs könnte den Kausalnexus dieser Textstelle nicht erhellen.

19 Vgl. Baur, Untergang, S. 7. Baurs Schrift steht hier nur exemplarisch für eine Vielzahl biologisch-historischer Darstellungen der Zeit.

20 Vgl. Lenz, Eugenik, S. 41. Dafür fand Lenz auch aktuelle Indizien. An anderer Stelle heißt es: "Besonders häufig sind Brechungsfehler [bei Kurzsichtigkeit R.A.] in der jüdischen Bevölkerung. Die Juden sind eben der modernen städtischen Kultur am längsten und am intensivsten von allen Völkern ausgesetzt und damit der natürlichen Auslese in bezug auf körperliche Tüchtigkeit und Tüchtigkeit der Sinnesorgane am längsten entzogen", vgl. EBD., S. 12. "Praktische Rassenhygiene" im Lenzschen Sinne mußte aber als erste Aufgabe gerade "die Förderung der Fortpflanzung Tüchtiger" zum Ziel haben, vgl. EBD., S. 20. Hier wird bereits deutlich, wie tief die Ausgrenzung der deutschen Juden in Wissenschaft und Bevölkerung vor der "Machtergreifung" verankert war. Lenz ist aber wohl kein radikaler Antisemit gewesen, vgl. BECKER, Rassenhygiene, S. 198ff.

21 Die ursprüngliche Definition hatte "Rasse" noch als eine in einer Generationenfolge stehende Population bezeichnet. Nun ging der Begriff mehr und mehr auf das vererbte Bündel von Eigenschaften dieser Population über.

22 Vgl. u. a. Broszat, Völkische Ideologie, S. 53ff., vgl. Becker, Sozialdarwinismus.

23 Vgl. zu Gobineau BECKER, Sozialdarwinismus, S. 2-65. Die völkischen Ideen verbreiteten sich schnell auch in England, wie in den meisten Staaten, in denen man Erfahrungen mit dem Kolonialismus hatte, und in denen "die Vorstellung von weißen Herrenvölkern und Bevölkerungen minderer Rasse durch höchst konkretes Anschauungsmaterial gestützt schien", vgl. WERNER, Geschichtsbild, S. 12. Nicht zufällig greift dieses Denken auch in Deutschland im Zusammenhang mit dem kolonialen Streben um sich, vgl. EBD., S. 10.

24 Diese waren Befürworter der Überzeugung, die Qualität der Kultur eines Volkes hänge untrennbar mit der Güte bzw. der Reinheit seines Rassengemisches zusammen, zu Chamberlain vgl. BECKER, Sozialdarwinismus, S. 176-229. Weitere wichtige Vertreter waren etwa Julius Langbehn, Hans Friedrich Karl Günther, Gustaf Kossinna und Alfred Rosenberg, vgl. STEINHAUS, Blut, S. 88-95 und AUERBACH, Nationalsozialismus, S. 16f., vgl. außerdem BECKER, Sozialdarwinismus, S. 126-175 (zu Langbehn), S. 230-309 (zu Günther). Zu Gustaf Kossinna liegt nur eine nationalsozialistisch geprägte Lobbiographie vor, vgl. STAMPFUß, Kossinna. Zu ihrer Wirkung auf den jungen Hitler vgl. FEST, Hitler, S. 81ff.

25 Die völkische Bewegung organisierte sich in einer Vielzahl zum Teil sektenähnlicher Gruppierungen. Eine der Organisationen, die sich dem "völkisch-antisemitischen Spektrum" zuordnen läßt, ist die 1917/18 gegründete Thule-Gesellschaft in München, in deren Dunstkreis sich der junge Hitler bewegte, vgl. Fest, Hitler, S. 168ff.

26 Vgl. Werner, Geschichtsbild, S. 20.

27 Vgl. z. B. Schemann, Hauptvölker, S. 256f. Zu Schemann vgl. Becker, Sozialdarwinismus, S. 102-125.

28 Vgl. Günther, Rassenkunde, S. 58f., vgl. zudem Schemann, Hauptvölker, S. 286-291.

29 Vgl. Günther, Rassenkunde, S. 108, als frühestes Beispiel dafür fand Günther die Ausbreitung der "nordischen Mundarten der indogermanischen Sprache".

30 Über diese Auffassung der "Rasse" als dem "Motor der Geschichte" vgl. Poliakov, Mythos, S. 254-269. Vgl. auch das "rassische" "Sendungsbewußtsein als Motor und Gestalter der Geschichte" bei KRIECK, Mensch, S. 55.

31 Vgl. Rosenberg, Mythus, S. 28. Rosenberg belegt seine kruden Behauptungen nicht zufällig bevorzugt mit Überlieferungen aus der Mythologie. Die mythische Herkunft der "nordischen Rasse" sieht er in Atlantis [!], vgl. Ebd., S. 24f. Rosenberg war seit 1921 Hauptschriftleiter der Parteizeitung Völkischer Beobachter gewesen, nach 1933 war er zudem Reichsleiter (Beauftragter des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP), zu seinen Aufgaben vgl. BENZE, Erziehung, S. 87f. 1941 avancierte er zum Reichsminister für die besetzten Ostgebiete. Zu seiner politischen Biographie vgl. MOLAU, Rosenberg.

32 Vgl. Frick, Kampfziel, S. 5, vgl. Hitler, Kampf, S. 434. Die Wurzeln des völkisch-organologischen Denkens liegen im frühen 19. Jahrhundert. Als seine Begründer gelten Adam Müller und die Gebrüder Grimm, freilich ohne den nationalistisch-autokratischen Impetus, vgl. von See, Ideen, S. 22-29.

33 Vgl. Hitler, Kampf, S. 318-328. In Hitlers begeisterte Rhetorik von der "arischen Kulturträgerschaft" mischt sich oft unfreiwillige Komik, etwa wenn er die kulturelle Substanz dieser Oktroyierung, den "deutschen Geist", als "Kulturdünger" bezeichnet, vgl. EBD., S. 735. Die Begriffe germanisch, nordisch und arisch wurden im allgemeinen synonym verwendet.

34 Vgl. Baur, Untergang, S. 5.

35 Vgl. z. B. Hitler, Reden, S. 704 (Würzburg, 27. Juni 1937).

36 Das Konzept der "Aufartung" ließ sich natürlich auch auf die "Züchtung nordischen Blutes" übertragen. "Aufnordung" beinhaltete die strikte gesellschaftliche Trennung der "nordischen" von anderen, z. B. der slawischen "Rasse", etwa durch Ehebeschränkungen oder durch deren Versklavung unter die Herrenschicht. vgl. GÜNTHER, Rassenkunde, v.a. S. 140f.

37 Hitlers Minderwertigkeitskomplex bei gleichzeitiger Selbstüberschätzung und seine daraus resultierende Eigenart, sich selbst zu mythologisieren, beschreibt Fest, Hitler, etwa S. 29f., S. 287f., S. 713f. Hierzu und zur Desillusionierung der Hitlerschen Zukunftspläne vgl. MASER, Kampf, S. 177f.

38 Vgl. Hitler, Kampf, S. 338-344, S. 702-704, u. ö. "Der Begriff 'Antisemitismus' wurde [...] erst in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts durch Wilhelm Marr geprägt", vgl. Auerbach, Nationalsozialismus, S. 19.

39 Dessen diffuses und eher politisch-soziologisch geprägtes Vorbild sich etwa in Julius Langbehns unsäglicher Schrift Rembrandt als Erzieher (1890) findet, vgl. z. B. Altgeld, Vorläufer, S. 125f. Vgl. Hitler, Kampf, S. 296. Vgl. aber auch die oben zitierten Ausführungen des angesehenen Rassenhygienikers Lenz.

40 Vgl. z. B. Hitler, Kampf, S. 751.

41 Vgl. ausführlich Hitler, Kampf, S. 329f.

42 Ein uraltes antisemitisches Klischee, dessen Wurzeln auf die Beschränkung der Berufsmöglichkeiten für Juden im Mittelalter zurückgeht. Besonders absurd ist in diesem Kontext Hitlers insipide Folgerung, die Juden hätten Christus deshalb gekreuzigt, weil er die jüdischen Händler vorbildhaft aus dem Tempel vertrieben hätte, vgl. Hitler, Kampf, S. 336.

43 Vgl. HITLER, Kampf, S. 334. Den Vorgang dieser "Rasseschändung" beschreibt Hitler in einer pornographisch anmutenden Szene, die an spätere Hetzartikel des Stürmer erinnert, und Zweifel an Hitlers biologischer Kenntnis des Sachverhaltes aufkommen läßt, vgl. EBD., S. 357: "Der schwarzhaarige Judenjunge lauert stundenlang, satanische Freude in seinem Gesicht, auf das ahnungslose Mädchen, das er mit seinem Blute schändet und damit seinem, des Mädchens Volke raubt." Und weiter: "So wie er selbst planmäßig Frauen und Mädchen verdirbt, so schreckt er auch nicht davor zurück, selbst im größeren Umfange die Blutschranken für andere einzureißen. Juden waren es und sind es, die den Neger an den Rhein bringen [...]".

44 Vgl. Hitler, Kampf, S. 350.

45 Vgl. Hitler, Kampf, S. 351-358 und S. 702. Die These von der "jüdischen Weltverschwörung" wurde seit 1905 in einer bis 1923 europaweit verbreiteten russischen antisemitischen Kampfschrift, den sogenannten Protokollen der Weisen von Zion verbreitet, auf die sich Ebd., S. 337 direkt bezieht. Ausführlich und kenntnisreich geht STUDIEN ZUM MYTHUS, S. 11-13 (Anm. 6) auf diese angeblichen Geheimprotokolle des Zionistenkongresses in Basel (1897) ein. Schon im russischen Bürgerkrieg wurden die Protokolle zur Aufhetzung zu Pogromen durch zaristische Truppen verwendet, denen in der Ukraine 170.000 Juden zum Opfer fielen. In Deutschland dienten die Protokolle den Mördern Walter Rathenaus als Rechtfertigung. Zudem wurden schon in den Zwanziger Jahren, inspiriert durch zaristische Immigranten in Berlin, diese Protokolle für die antibolschewistische Propaganda instrumentalisiert und so von Hitler aufgegriffen. Zur "Wirkungsgeschichte" der Protokolle vgl. SIMMEL, Antisemitismus, S. 37f. (Anm. 1)

46 Vgl. Hitler, Kampf, S. 724.

47 Vgl. Hitler, Kampf, S. 751.

48 Vgl. Hitler, Kampf, S. 70.

49 Die Zahl der Publikationen zur Shoa ist nahezu unüberschaubar geworden. Eines der umfangreichsten und fundiertesten Werke ist wohl immer noch Hilberg, Juden. Den Prozeß von der "Arisierung" und den ersten organisierten Pogromen bis hin zur "Endlösung der Judenfrage" aus Sicht der Organisatoren der historisch einmaligen industriellen Vernichtung von Menschen dokumentieren ALY/ HEIM, Vordenker. Zum von Adolf Eichmann geleiteten organisatorischen Einsatzstab vgl. SAFRIAN, Eichmann.

50 Ein Diktum Treitschkesaus seiner Schrift Unsere Aussichten, die den sogenannten Berliner Antisemitismusstreit auslöste. Der Text ist abgedruckt in Boehlich, Antisemitismusstreit, S. 7-14, Zitat S. 13. Vgl. auch Auerbach, Nationalsozialismus, S. 20f.

51 So beispielsweise die lachenden Gesichter auf den Photographien des Nürnberger Faschingsumzuges, bei dem ein mit "Ab nach Dachau!" beschrifteter Wagen mitfuhr, auf den u. a. als stereotypisierte "Rassenschänder" maskierte Statisten getrieben wurden (1936), vgl. Fritzsch, Nürnberg, S. 55, oder noch krasser der als Stadtturm dekorierte Wagen, an dem gelynchte Puppen der "Volksschädlinge" hingen, darunter auch ein "Jud" (1938), vgl. Ebd., S. 96f.

52 Vgl. z. B. folgende Bilddokumente im Sammelband Ogan/ WEIß, Faszination: privater PKW mit beschrifteter Ersatzradverkleidung: "Juden sind unser Unglück" (EBD., S. 155), Schild in öffentlichem Freibad: "Baden für Juden und Hunde verboten!" (EBD., S. 54), Klassenzimmer einer Volksschule mit Wandbeschriftung: "Die Judenfrage ist der Schlüssel zur Weltgeschichte.", Ortsschild im mittelfränkischen Eschenbach: "Der Vater der Juden ist der Teufel." (EBD., S. 46).

53 Mit dieser Frage, die hier bewußt offengelassen wird, beschäftigt sich z. B. der Sammelband WollenberG, Niemand.

54 Vgl. z. B. Hitler, Kampf, S. 371f., S. 437-439, S. 444-448, S. 475f., S. 485, S. 728f., S. 735f. u. ö.

55 "In einem solchen 'Staatsorganismus'", einem "unmittelbar zu Gott stehenden und im göttlichen Auftrag gegenüber den Untertanen omnipotenten Staat[es]", ist der Souverän nicht "Herrscher über Untertanen", sondern "Persönlichkeitsträger der Gemeinschaft", vgl. Voegelin, Religionen, S. 43f. Über die Beschaffenheit des idealen Führers wird noch zu sprechen sein. Die Vorstellung vom Staat als Organismus wurde im 19. Jahrhundert in Deutschland durch die Brüder Grimm populär.

56 Vgl. ausführlich Selmeier, S. 174.

57 Hitler sprach hier gerne von "fanatisch" vgl. Hitler, Kampf, S. 370f.

58 Das biblische Schema Paradies; Sündenfall, gute und böse Taten, Messias und Jüngstes Gericht; himmlisches Jenseits.

59 Die junge Wissenschaft der Ur- und Frühgeschichte wurde von den Nationalsozialisten stark gefördert, vgl. Stampfuß, Kossinna.

60 Vgl. Jaster, Geschichtsunterricht, S. 12f. Vor allem die euphorischen Reden führender Nationalsozialisten des Jahres 1933 handeln immer wieder davon. Z. B. Hitler am 30. 01. 1933: "Ein vierzehnjähriges, in der deutschen Geschichte wohl beispielloses Ringen hat nunmehr zu einem großen politischen Erfolg geführt." vgl. HITLER, Reden, S. 188. Vgl. auch FRICK, Kampfziel und GOEBBELS, Reden Band 1, S. 63.

61 Die nationalsozialistische Heilserwartung als Chiliasmus zu bezeichnen, ist nicht unproblematisch, da natürlich bei Hitler keiner an den in Offb. 19, 11-21 beschriebenen Jesus der Apokalypse dachte. Allerdings ist das Motiv des kommenden, zugleich richtenden und exekutierenden 'Retters' in beiden Heilslehren äquivalent.

62 Eine sehr brauchbare schematische Darstellung findet sich bei Selmeier, Geschichtsbild, S. 289, sie ist in Anhang 2 dieser Arbeit beigefügt. Die deutschen Klassiker strebten qua Kunst eine Entwicklung hin zur Einheit von Sinnlichkeit und Sittlichkeit an. Ihr Ideal lag in einem antiken goldenen Zeitalter, vgl. von Borries, Klassik, S. 16f. Die Parallelen zum HistoMat des Marxismus sind m. E. offenkundig. Auch hier findet sich der defizitäre Zwischenzustand in Form der historischen Dialektik (Klassenkampf, hervorgerufen durch den 'Sündenfall' des Privatbesitzes), der durch ein axiomatisch festgelegtes Ereignis (Revolution) durchbrochen wird, welches den alten Idealzustand (Kommunismus) wieder herstellt.

63 Etwa im Schillerschen Geschichtskonzept einer Universalgeschichte, vgl. Schiller, Universalgeschichte, S: 374f. und Mann, Schiller, S. 62. Die Prinzipien sind, wenn auch unter ganz anderen Vorzeichen, denen des Nationalsozialismus erstaunlich ähnlich, z. B. die Überwindung der Stoffvielfalt (Schiller, Universalgeschichte, S. 371f.; Hitler, Kampf, 467f.), die Geschichte als Lehrmeisterin (SCHILLER, Universalgeschichte, S. 376; HITLER Kampf, S. 14 und S. 468), die geschichtliche Verantwortung vor den kommenden Generationen (SCHILLER, Universalgeschichte, S. 376; HITLER, Reden, S. 257 und S. 601: "wir arbeiten nicht für den Augenblick, sondern für das Urteil der Jahrtausende."), das Interesse am handelnden Menschen (MANN, Schiller, S. 108; HITLER, Kampf, S. 495) und die "Weltgeschichte als Weltgericht" (SCHILLER, Werke, S. 133.; KRIECK, Mensch, S. 328). Zum Phänomen der heilsgeschichtlichen Ausrichtung der nationalsozialistischen Geschichtsbetrachtung vgl. HARTEN, Erlösungswunsch, S. 241f.

64 Diese kulminierten nach Ansicht der Kulturkritiker im Großstadtleben, vgl. z. B. Baeumler, Sinn, S. 8f.

65 Ein Anspruch, den zu erheben vermessen wäre und der selbstverständlich auch nicht für die folgenden Überlegungen gelten soll.

66 Geschichtsüberlieferung als anthropologische Konstante weist der Ethnologe und Ägyptologe Jan Assmann, Gedächtnis, S. 66f. nach. Assmanns Überlegungen decken sich teilweise mit den hier angestellten, ohne daß sie als Vorlage gedient haben. Ich kann in diesem Kontext keinen Vergleich, geschweige denn eine Diskussion der elaborierten Assmannschen Begrifflichkeiten vornehmen, da das den Rahmen der Arbeit sprengen und zudem vermutlich zu unnötiger Verwirrung führen würde. Ich verweise aber trotzdem auf seine Ausführungen zu den "Optionen kultureller Erinnerung", besonders auf den Abschnitt zur "Mythomotorik", vgl. EBD., S. 66-86.

67 Vgl. Assmann, Gedächtnis, S. 32. Laut Assmann ist diese Orientierung an der Jetztzeit und an künftigen Aufgaben für den Prozeß der Erinnerung konstitutiv, und umgekehrt.

68 Vgl. Assmann, Gedächtnis, S. 42: "auch das Neue kann immer nur in Form rekonstruierter Vergangenheit auftreten. [...] Das kollektive Gedächtnis operiert daher in beiden Richtungen: zurück und nach vorne."

69 Das Problem, zu erklären, welcher dieser beiden Vorgänge "zuerst" auftritt, ist vermutlich ebenso schwer zu lösen wie die berühmte Frage nach der Henne und dem Ei. Doch vielleicht ist auch hier die Frage falsch gestellt und eine verhältnismäßig langwierige, kulturell-evolutive Entwicklung zu unterstellen.

70 Vgl. Krieck, Mensch, S. 137. Auf Krieck wird im erziehungswissenschaftlichen Teil dieser Arbeit näher eingegangen werden.

71 Vgl. Behrenbeck, Kult, S. 44-50. Man könnte m. E. sogar noch einen Schritt weiter gehen und die generelle mythische Eigenschaft von Geschichtsbildern als Welterklärungsinstrumenten konstatieren.

72 Hans Tümmler schrieb 1943 in einem Rückblick auf zehn Jahre nationalsozialistischen Geschichtsunterricht: "Der uns aufgezwungene Krieg [...] hat auch durch eine abermalige, an seinem Beginn noch nicht zu erahnende Ausweitung unseres gesamten Geschichtsbildes beide, geschichtliche Lehrpläne und Lehrbücher, auf weite Strecken bereits wieder zu Erscheinungen des Überganges gestempelt." Vgl. TÜMMLER, Geschichtsunterricht, S. 4.

73 Vgl. Selmeier, Geschichtsbild, S. 295-298.

74 Dem Schema liegt die Verknüpfung der modifizierten Jeismannschen Kategorien mit der Darstellung des nationalsozialistischen Geschichtsbildes von Franz Selmeier zugrunde. Fehlte es den Kategorien Jeismanns in diesem Kontext am motivationalen Bezugspunkt in der Zukunft, so berücksichtigt Selmeier nicht die Erkenntniswege, die zum Geschichtsbild hinführen, vgl. Selmeier, Geschichtsbild, S. 289. Vgl. ANHANG 2, dort auch eine nähere Erläuterung und Problematisierung dieser graphischen Darstellung.

75 Vgl. das oben angeführte Zitat Rosenbergs. Vgl. auch z. B. Flessau, Schule, S. 136.

76 Vgl. z. B. Klagges, Geschichtsunterricht, S. 158f., der die mittelalterliche und neuzeitliche Überlieferung als "ultramontan" diffamiert. Vgl. zudem Krieck, Mensch, S. 54.

77 Vgl. Klagges, Geschichtsunterricht, S. 92-94.

78 Der Begriff ist zeitgenössisch, vgl. das Buch von Eric Voegelin, Religionen. Aktuell zu Voegelin vgl. HERZ, Religionen. Der Versuch einer Beschreibung des Phänomens der "politischen Religionen" ist Gegenstand der aktuellen Forschung und noch nicht abgeschlossen, vgl. die Beiträge in LEY, Religion und MAIER, Diktaturvergleich (2 Bände). Die bisher ausführlichste und fundierteste Arbeit ist sicherlich die voluminöse Dissertation von Sabine BEHRENBECK, Kult.

79 Die im folgenden gemachten Aussagen sind bewußt allgemein gehalten und gelten vor allem für das Christentum als den mitteleuropäischen Kulturkreis prägende Religion. Sie ließen sich aber zumindest für das Judentum und den Islam verallgemeinern.

80 Über die Frage nach der Vergleichbarkeit, die hier nicht entschieden werden soll und kann, entspannt sich eine inzwischen Jahrzehnte währende Forschungsdebatte, v. a. im Zusammenhang mit dem Totalitarismusbegriff, vgl. z. B. Maier, Diktaturvergleich.

81 Den Faktor der Motivation betont auch der Ethnologe Clifford Geertz in seiner Definition von Religion, vernachlässigt aber den identifikationsstiftenden Charakter von Religionen und deren Entstehungsprozeß: "Religion ist ein Symbolsystem, das darauf zielt, starke, umfassende und dauerhafte Stimmungen und Motivationen in den Menschen zu schaffen, indem es Vorstellungen einer allgemeinen Seinsordnung formuliert und diese Vorstellungen mit einer solchen Aura von Faktizität umgibt, daß die Stimmungen und Motivationen völlig der Wirklichkeit zu entsprechen scheinen.", vgl. GEERTZ, Beschreibung, S. 48 und die interessante Erläuterung der Definition EBD., S. 49-95 anhand ethnologischer Erkenntnisse der Kultur Javas.

82 Hitler, Reden, S. 208. Ähnlich geschickt gestaltete Hitler seine Weimarer Rede vom 3. Juli 1936, in der er eine 'Fürbitte' "für die Bewegung" an den "Allmächtigen" inszenierte, vgl. Ebd., S. 628.

83 Vgl. Voegelin, Religionen, S. 49. Voegelin beschreibt den Vorgang, wie der christliche Gott im Verlaufe der Aufklärung und mit der Entwicklung der modernen Wissenschaften hinter den "innerweltlichen" Dingen zurücktritt und schließlich im Sinne einer "Dekapitierung" der Weltordnung entmachtet wird, vgl. EBD., S. 13 und S. 31.

84 Auf den führenden nationalsozialistischen Erziehungswissenschaftler und Wissenschaftstheoretiker wird im pädagogischen Teil dieser Arbeit noch eingegangen.

85 Vgl. Krieck, Mensch, S. 60f. Solche sich in Hypo- und Parataxe verlierenden Sätze beherrschen das ganze Buch Kriecks.

86 Rede vom 14. 3. 1936, vgl. Hitler, Reden, S 606. Manchmal drehten sich die Kausalitäten allerdings um: "Wenn Wille und Glaube sich so inbrünstig vereinen, dann kann auch der Himmel seine Zustimmung nicht versagen." (Berlin, 6. 10. 1936), vgl. EBD., S. 651.

87 Zu Hitlers eigenen, teiweise unbewußten Vergleichen seiner eigenen Person mit Christus vgl. auch Hammer, Hitler, S. 70f.

88 Vgl. Hitler, Kampf, S. 371.

89 Allerdings ließe sich dieses Phänomen verallgemeinern. Starker Glaube erzeugt Gemeinschaft, da er auf jeden einzelnen gruppenidentifikatorisch wirkt. Großes Wissen isoliert hingegen, überspitzt formuliert, den einzelnen von einer Gruppe.

90 Vgl. z. B. Hitler, Kampf, S. 293 und S. 377. Sowohl Hitler als auch Goebbels entstammten katholischen Elternhäusern, "beide waren sie fasziniert von der Organisation der katholischen Kirche wie von der Bedeutung und Prachtentfaltung ihres Kults.", vgl. VONDUNG, Magie, S. 201.

91 Vgl. Hitler, Kampf, S. 293. Hitler ist hier also scheinbar noch auf der Suche nach einem "Ersatzmittel". Sein verhältnismäßig kirchenfreundlicher Kurs in diesen Textpassagen erklärt sich aus dem Charakter des Buches Mein Kampf als politischer Werbeschrift. Der Hitler der Jahre 1924 bzw. 1927 war natürlich in einer ganz anderen Situation als der von 1933. Der hier etwas zusammenhanglos stehende "Lebensstil" bezieht sich wohl auf die vorher getroffene Feststellung: "gerade aber für die Masse ist der Glaube häufig die einzige Grundlage einer sittlichen Weltanschauung überhaupt.", vgl. EBD.

92 Vgl. Hitler, Kampf, S. 385. Ein anderes "Lehrbeispiel" der katholischen Kirche war der Zölibat: "In der Ehelosigkeit der Priester liegt der Zwang begründet, den Nachwuchs für die Geistlichkeit statt aus den eigenen Reihen immer wieder aus der Masse des Volkes holen zu müssen." Für den kommenden Staat hatte Hitler allerdings andere Rezepte zur Hand: "Es wird die Aufgabe eines völkischen Staates sein, in seinem Unterrichtswesen dafür Sorge zu tragen, daß eine dauernde Erneuerung der bestehenden geistigen Schichten durch frische Blutzufuhr von unten stattfindet." vgl. EBD., S. 481.

93 Vgl. Voegelin, Religionen, S. 50.

94 Vgl. Voegelin, Religionen, S. 53.

95 Alle Zitate vgl. Hitler, Kampf, S. 371.

96 Vgl. Hitler, Kampf, S. 437f.

97 Vgl. Hitler, Reden, S. 976.

98 Vgl. Hitler, Reden, S. 503 und S. 613.

99 Vgl. Hitler, Kampf, S. 437.

100 Vgl. Hitler, Kampf, S. 417.

101 Vgl. Voegelin, Religionen, S. 53. Daß die nationalsozialistischen Ideologen diese Vergewaltigung des Wahrheitsbegriffs rhetorisch vornahmen, steht außer Zweifel, vgl. Hitlers noch näher zu erläuternde Äußerungen zur Stoffauswahl im Geschichtsunterricht in Hitler, Kampf, S. 466f. Vgl. selbstentlarvend Ebd., S. 200: "die allererste Voraussetzung jeder propagandistischen Tätigkeit überhaupt: nämlich die grundsätzlich subjektiv einseitige Stellungnahme derselben zu jeder von ihr bearbeiteten Frage." Der Geschichtsdidaktiker Dietrich Klagges trieb die Täuschung der desinformierten Bevölkerung noch weiter, indem er skandierte: "Objektiv ist, wer deutsch ist!", vgl. KLAGGES, Geschichtsunterricht, S. 115ff.

102 Etwa Goebbels 1922, vgl. Behrenbeck, Kult, S. 119f.

103 Vgl. Voegelin, Religionen, S. 52.

104 Vgl. Hitler, Kampf, S. 724, andere Bezeichnungen Hitlers für die Juden waren z. B. "ewiger Blutegel" (EBD., S. 339), "Völkerparasit" (EBD., S. 358), "Völkertyrannen", "Polypen", "größte Völkergefahr" (EBD., S. 703), "großer Völkerfraß" (EBD., S. 723), "Weltgefahr" (EBD., S. 724).

105 Zur religiösen Symbolik der nationalsozialistischen Massenveranstaltung vgl. z. B. Zelnhefer, Reichsparteitage, S. 84 -89 und Thamer, Ästhetisierung, S. 95f. und v. a. S. 98-103.

106 Der Komplex des nationalsozialistischen Ritus und Kultus kann hier nicht näher erläutert werden. Ich verweise v. a. auf BEHRENBECK, Kult, S. 210-446, REICHEL, Schein, S. 114-138 und z. B. HEINZELMANN, Messe (mit Bezug auf den Propagandafilm Triumph des Willens von Leni Riefenstahl). Das Thema des nationalsozialistischen Kultus wird in dieser Arbeit noch einmal aufgegriffen, wenn es um die Schulfeier und ihre Auswirkungen auf den Geschichtsunterricht gehen wird.

107 Nicht nur Hitler betonte immer wieder den idealen, unerreichbaren Charakter seiner Staatsvorstellung, vgl. Textstellen Fußnote 54 dieser Arbeit, vgl. Hitler, Kampf, S. 487.

108 Vgl. Frick, Kampfziel, S. 5. Neben der zynischen Interpretation des Staatsterrorismus bis zum Mai 1933 fällt hier wiederum besonders der "organische Staatsgedanke" auf.

109 Vgl. Benze, Rasse, S. 29-31.

110 Vgl. Hitler, Kampf, S. 466f., vgl. Ebd., S. 12f.

111 Vgl. Hitler, Kampf, S. 467.

112 Vgl. Hitler, Kampf, S. 735.

113 Vgl. Benze, Rasse, S. 27. Auf Benze wird im folgenden Abschnitt dieser Arbeit noch eingegangen.

114 Vgl. Richtlinien, S. 527.

115 Vgl. Brief des BSUK an die Direktorate vom 5. Juli 1935, vgl. STAN Rep. 245-5, Nr. 258: "Es erscheint angezeigt, auf die für den Geschichtsunterricht grundlegenden Richtlinien nachdrücklich hinzuweisen". Es folgt eine Zusammenfassung der Richtlinien in wörtlichen Zitaten, den vollständigen Text des Briefes s. Anhang 1 dieser Arbeit.

116 Vgl. Richtlinien, S. 528. Die Literatur, aus der diese Anschauungen stammten, gab Frick an: Kossinna und Günther.

117 Hier ist allerdings wohl die relativ späte klassische griechische Kunst gemeint, die sich realiter erst während der Zeit der aponierten kulturellen Degression entwickelt, und nicht die tatsächlich 'zeitgenössische' archaische Kunst mit ihren noch eher ungelenken Menschendarstellungen.

118 Vgl. die Kartenskizzen in Klagges, Geschichtsunterricht, S. 214, die beide Geschichtsinterpretationen nebeneinanderstellen. Benze, Rasse, S. 26 prägte sogar den Ausdruck "ex oriente mors".

119 Vgl. Klagges, Geschichtsunterricht, S. 216. Den gleichen Gedanken übernahmen (zusammen mit einigen Formulierungen) KUMSTELLER/ HAACKE/ SCHNEIDER, Geschichtsbuch, Klasse 6, S. 13f.

120 Vgl. Boockmann, Stauferzeit, S. 136-142.

121 Vgl. Richtlinien, S. 527, die Kausalstruktur dieses Satzes und die bisher zitierten Textpassagen zeigen aber auch die konzeptionelle Unsicherheit des neuen Reichsministers Frick. Die komplette Umgestaltung des Geschichtsunterrichts sollte vor allem schnell gehen. Selmeier, Geschichtsbild, S. 269 charakterisiert die Phase von 1933-35 hinsichtlich des nationalsozialistischen Geschichtsbildes treffend als eine "der Tendenz zur kompletten Verurteilung alles Überkommenen".

122 Den politischen Kampfbegriff "Novemberverbrecher" benutzte Hitler noch als Reichskanzler, vgl. Hitler, Reden, S. 257 (22. 04. 1933, Erklärung an die Presse).

123 Vgl. Selmeier, Geschichtsbild, S. 198, der in Bezug auf Erbt, Weltgeschichte von einer "auffälligen Abstinenz von einer Darstellung der Neuzeit" in der rassischen Geschichtsschreibung der Weimarer Zeit und bei "den auch nach 1933 in größerer Zahl verfaßten Geschichtsbüchern dieser Richtung" spricht.

124 Vgl. Selmeier, Geschichtsbild, S. 268.

125 Vgl. Selmeier, Geschichtsbild, S. 131-136 und 146-150. Vgl. zudem Edelmann, Geschichtsbuch und Edelmann, Lernbuch.

126 Zur Rassengesetzgebung und ihrer Umsetzung vgl. Gruchmann, Justiz, S. 864-909 und S. 1097-1106.

127 Vgl. DWEV 1935, S. 45. Auffallend ist hier auch die sprachliche 'Germanisierung' von Begriffen, wie kulturell.

128 Vgl. Benze, Rasse, S. 29-31 und kurz vor dem Erscheinen der neuen Lehrbücher den voluminösen Band BeNZE/ PUDELKO, Unterrichtsgrundsatz, (S. 81-143 zur Geschichte), mit Beiträgen von Lehrern und Schulbuchautoren. In Bezug auf die Rassenthematik mahlten die Mühlen der Ministerialbürokratie in Bayern langsamer als in Berlin, sie unterstützte die Durchsetzung des "Rassengedankens" in den Schulen durch Buchempfehlungen erst im November 1933 (BMINAB 1933, S. 275, Empfehlung von Martin STÄMMLERS Volk und Rasse als erstes Buch mit dem Thema "Rasse") Hitlers Mein Kampf war den Schulen erst im Oktober 1933 zur Anschaffung empfohlen worden, vgl. BMINAB 1933, S. 265. In den frühen Erlassen Schemms kommt der Terminus "Rasse" überhaupt nicht vor, vgl. BMINAB 1933, S. 31-36 und S. 36f.

129 Vgl. Benze/ Pudelko, Unterichtsgrundsatz, S. 90 (Beitrag von Gustav Hoffmann). Die Unterstellung der nationalsozialistischen Ziele des Lebensraums (im Osten) und die antisemitischen Anklänge ("artfremdes Händlerdenken") sind deutlich.

130 Vgl. Benze/ Pudelko, Unterrichtsgrundsatz, S. 95. Geflissentlich unterschlägt Hoffmann, daß das 'altrömische' Lebensmotto durch den Dichter Horaz geprägt wurde, den Sohn eines freigelassenen Sklaven, der 65 v.-8 n. Chr. lebte, bei Philippi (42 v. Chr.) auf Seiten des Caesar-Mörders Brutus kämpfte (Tyrannenmörder waren im Nationalsozialismus verständlicherweise wenig angesehen) und durch seine Oden u. a. die griechische Lyrikerin Sappho einführte, deren Gedichte kaum "nordischen" Kriterien der Kunstanschauung standhalten dürften, vgl. BROCKHAUS X., S. 240 s. v. Horaz.

131 Vgl. Benze/ Pudelko, Unterrichtsgrundsatz, S. 96.

132 Vgl. Benze/ Pudelko, Unterrichtsgrundsatz, S. 102. Erbt bot sich als Autor an, er hatte gerade seine um die Neuzeit erweiterte Weltgeschichte auf rassischer Grundlage wiederveröffentlicht.

133 Vgl. z. B. Kumsteller/ Haacke/ Schneider, Geschichtsbuch, Klasse 6, S. 212f.

134 Die Bezeichnung "Volk ohne Raum" wurde durch das gleichnamige Buch von Hans Grimm (1926) populär, vom Verfasser als "deutsche", "politische Erzählung" bezeichnet.

135 Die hier für die Analyse herangezogenen Geschichtsbücher waren in Bayern im Gebrauch, vgl. DWEV 1939, S. 326f und 384f., DWEV 1940, S. 333f., DWEV 1941, S. 140 und STAN Rep. 245-5, Nr. 266.

136 Vgl. Kumsteller/ Haacke/ Schneider, Geschichtsbuch, Klasse 1, S. 114.

137 Die man seit 1940 in Westpolen in die Praxis umzusetzen begann, vgl. Aly / Heim, Vordenker, S. 125-187.

138 Seit 1941 verwendeten die Schulbuchautoren dieser Reihe nicht mehr wie noch 1939 das Kürzel v. Chr.

139 Vgl. Kumsteller/ Haacke/ Schneider, Geschichtsbuch, Klasse 6, S. 23. Gemeint sind die Raubzüge der Wikinger.

140 Vgl. Kumsteller/ Haacke/ Schneider, Geschichtsbuch, Klasse 6, S. 26.

141 Vgl. Kumsteller/ Haacke/ Schneider, Geschichtsbuch, Klasse 6, S. 25: "Am Ende der urgermanischen Zeit (800) erreichten sie den Niederrhein und überschritten die untere Weichsel."

142 Unter der bäuerlichen Bevölkerung war der Widerstand gegen die Einberufungen zum Kriegsdienst traditionell am größten, so auch im Zweiten Weltkrieg, vgl. Broszat, Bayern, S. 327-368.

143 Die Begriffe "Art" und "Rasse" wurden, biologisch falsch, desöfteren synonym verwendet, vgl. KUMSTELLER/ HAACKE/ SCHNEIDER, Geschichtsbuch, Klasse 7, S. 72 u. ö.

144 Vgl. Kumsteller/ Haacke/ Schneider, Geschichtsbuch, Klasse 8, S. 211.

145 Vgl. Kumsteller/ Haacke/ Schneider, Geschichtsbuch, Klasse 8, S. 212.

146 Vgl. Kumsteller/ Haacke/ Schneider, Geschichtsbuch, Klasse 8, S. 246.

147 Vgl. StAN Rep. 245-6, Nr. 1900, Geheimer Brief des BSUK an die Direktorate vom 4. 08. 1937.

148 Vgl. StAN Rep. 245-6, Nr. 1900, Geheimer Brief des BSUK an die Direktorate vom 14. 07. 1938.

149 Vgl. KumsteLLER/ HAACKE/ SCHNEIDER, Geschichtsbuch, Klasse 6, S. 28f.

150 Alle Zitate vgl. Kumsteller/ Haacke/ Schneider, Geschichtsbuch, Klasse 6, S. 28.

151 Vgl. Kumsteller/ Haacke/ Schneider, Geschichtsbuch, Klasse 6, S. 33. Die Zitate stammen aus der Edda oder den Sagas.

152 Vgl. Kumsteller/ Haacke/ Schneider, Geschichtsbuch, Klasse 6, S. 36, Anm. 2.

153 Vgl. Klagges, Geschichtsunterricht, S. 33f.

154 Vgl. Buchholz, Persönlichkeit, S. 37.

155 Zur Verankerung eines solchen Denkens und seinen Entwicklungslinien vgl. Faulenbach, Ideologie, v. a. S. 289-292. Von den Geschichtswerken dieser Art wären unter anderen zu nennen Jacob BURCKHARDT, Betrachtungen, S. 207-249 oder Erich MARX/ Alexander VON MÜLLER, Meister.

156 Vgl. Hitler, Kampf, S. 661f.

157 "Gottlob, wir haben einen herrlichen Führer", vgl. Klagges, Geschichtsunterricht, S. 38.

158 Vgl. Stoll, Aufbruch, S. 34f.

159 Vgl. Stoll, Aufbruch, S. 45.

160 Vgl. Klagges, Geschichtsunterricht, S. 192.

161 Arminius der Cherusker wurde von den nationalsozialistischen Geschichtsbuchautoren germanisiert, vgl. STICH/ SCHREIBMÜLLER, Lehrbuch Teil 2, S. 9: "Der Sieg der Germanen war weltgeschichtlich entscheidend, da er Germanien vor der Romanisierung bewahrte Der Sieger Armin (wohl=Irmino; sicher nicht =Hermann), der nicht für alle Germanen kämpfte, wurde in Liedern gefeiert."

162 Vgl. Kumsteller/ Haacke/ Schneider, Geschichtsbuch, Klasse 1, S. 114.

163 Man denke an den Sybel-Ficker-Streit der Jahre nach 1859, vgl. Koch, Streit.

164 Vgl. Kumsteller/ Haacke/ Schneider, Geschichtsbuch, Klasse 1, S. 116.

165 Vgl. ERZIEHUNG UND UNTERRICHT, S. 14.

166 Mit der Verherrlichung des Heldentodes beschäftige ich mich in dieser Arbeit noch, wenn es um die nationalsozialistischen Feiern gehen wird.

167 Vgl. Sturm, Erziehung, S. 93, genauso Jaster, Geschichtsunterricht, S. 11. Vgl. zudem Krieck, Nationalpolitische Erziehung, S. 17.

168 Vgl. Sturm, Erziehung, S. 94, Herkunft des Zitats im Original nicht angegeben.

169 Vgl. hierzu Kersting, Militär. Zeitgenössische Beiträge sind Legion, vgl. u. a. Fecht, Stoffe, Folkers, Wehrerziehung, FRIEßNER, Forderungen, GANZER, Rüstung, GOß, Gedanken, MÜHLE, Erziehung, SPIELHAGEN, Wehrerziehung, STELLRECHT, Wehrerziehung und SZLISKA, Wehrwillen.

170 Vgl. Szliska, Wehrwillen, S. 409 (Beitrag von Dr. Weber).

171 Vgl. dazu Heinemann, Niederlage.

172 Vgl. Winkler, Weimar, S. 87-99.

173 Vgl. Richtlinien, S. 530, die Rede Fricks vor der Konferenz der Kultusminister vom 9. Mai 1933 zitierend, vgl. Frick, Kampfziel, S. 11.

174 Vgl. BMinAB 1933, S. 31ff., abgedruckt auch in Gies, Geschichtsunterricht, S. 144-148. Schemm leitete allerdings zu diesem Zeitpunkt das Kultusministerium noch kommissarisch und wurde erst am 12. April 1933 im Amt vereidigt. Angesichts des bevorstehenden Beginns des neuen Schuljahres tat aber Eile not.

175 Vgl. BMinAB 1933, S. 197ff. Schemm hatte den Druck der vom Bayerischen Staatsministerium herausgegebenen Schriftenreihe Der junge Staat einem Verlag zugeteilt, an dem er selbst wirtschaftlich beteiligt war.

176 Vgl. Stoll, Aufbruch, S. 43. Stoll hatte hier die knappe Angabe im Ministerialerlaß ("Ungeheure Korruptionsfälle. Leugnung aller sittlichen Begriffe. Vernichtung des Gottesbegriffes durch marxistische Lehre (Freidenkertum)") verarbeitet.

177 Vgl. Stoll, Aufbruch, S. 39.

178 Vgl. Stoll, Aufbruch, S. 39.

179 Vgl. Stoll, Aufbruch, S. 29.

180 Vgl. StAN Fr 49a/ 70, 1933/ 34.

181 Vgl. StAN, Fr 49a/ 69, S. 67f. Das Original ist handschriftlich, mikroverfilmt und schwer zu entziffern. Die Originale der Schulakten wurden in die Gedänkstätte Yad Vashem verbracht.

182 Vgl. BMinAB 1934, S. 204.

183 Vgl. BMinAB 1934, S. 205.

184 Erlaß des BSUK vom 26. 6. 33 (Nr. I 28041), der Erlaß wurde nicht im BMinAB abgedruckt, vgl. StAN Rep. 270 V, Nr. 4525. Verteilt wurde vermutlich die Schrift von H. Draeger, Das Diktat von Versailles. Der Titel ist in den Akten erst für 1934 nachweisbar.

185 Vgl. StAN Rep. 270 V, Nr. 4252. Die Bedarfszahlen wurden nach schriftlicher Rücksprache mit jeder einzelnen Schule im Regierungsbezirk erstellt. Die Aktion wurde per Erlaß des BSUK vom 13. 03. 1934 Nr. I 11157 über Versailler Diktat und Schule vorläufig beendet, um dann mit einer Bek. vom 27. 10. 1934 (Nr. I 53320) für das Schuljahr 1934/ 35 wieder aufgenommen zu werden. Diesmal wurden für die Nürnberger Schulen nur 5.906 Exemplare bestellt. Endgültig eingestellt wurde die Verteilung mit der Bek. vom 10. 01. 1935 (Nr. I 63745): "Im nächsten Schuljahr wird die Schrift nicht mehr verteilt werden, da der Versailler Vertrag [sic!] i. d. neuen Geschichtsbüchern genügend gewürdigt wird.", vgl. EBD.

186 Vgl. Buchholz, Persönlichkeit, S. 35.

187 Zu NS-Kirchenpolitik allgemein vgl. BAIER, Kirche, STEGEMANN, Kirche und MEIER, Kreuz.

188 Zur sogenannten "Deutschgläubigkeit" vgl. ausführlich Meier, Kreuz, S. 79-124.

189 Nur ca. 3 % der Bevölkerung bezeichneten sich als "gottgläubig". Vor allem auch Hitler selbst lehnte die neo-"nordische" Religion ab, vgl. hierzu den Kommentar von Domarus in Hitler, Reden, S. 223. Andererseits nutzte er die Differenzen zwischen den Ideologen (wie in anderen Zusammenhängen auch) zu deren Kontrolle.

190 Vgl. Giese, Erziehung, S. 37-41.

191 Vgl. SCHNEE, Geschichtsunterricht, S. 27.

192 Vgl. Schnee, Geschichtsunterricht, S. 25f.

193 So bezeichnet Hans-Jochen Gamm, Verführung, S. 7 Hitler, Rosenberg, Günther und Schemm. Letzteren zu Recht, wie zu zeigen sein wird, da sein Konzept der "christlichen Erziehung" lediglich als rhetorische Angleichung an bayerische Verhältnisse zu interpretieren ist.

194 Vgl. Rosenberg, Mythus, S. 625f.

195 Eine Vorstellung von der unwissenschaftlichen Arbeitsweise Rosenbergs, seinen Ungenauigkeiten, fadenscheinigen Verdrehungen und bewußten Lügen erhält man bei der Lektüre einer wissenschaftlichen Gegenschrift des Erzbischöflichen Ordinariats von 1935, die geduldig und im Detail die Ungereimtheiten untersucht, um in jedem Punkt zu dem Fazit zu gelangen: "Stellen wir jetzt zum Schlusse [des ersten Abschnitts R.A.] die Frage, ob [...] auch nur an einer einzigen Stelle das Bild von R. richtig ist, so kann die Antwort nur lauten: Auch nicht an einer einzigen Stelle!!", vgl. STUDIEN ZUM MYTHUS, S. 27, vgl. EBD., z. B. S. 63, S. 85f. und S. 163 mit der berechtigten Frage: "Wie kann R. es wagen, seinen Lesern so etwas vorzusetzen?"

196 Alle Zitate vgl. Kumsteller/ Haacke/ Schneider, Geschichtsbuch, Klasse 7, S. 72.

197 Vgl. BMinAB 1933, S. 37: "Kein Kind in Bayern ohne nationale und christliche Erziehung!"

198 Bei Hitler, Kampf, S. 629 stand zu lesen, der konfessionelle Gegensatz in Deutschland sei Judenwerk: "Der Jude hat jedenfalls das gewollte Ziel erreicht: Katholiken und Protestanten führen miteinander einen fröhlichen Krieg, und der Todfeind der arischen Menschheit und des gesamten Christentums lacht sich ins Fäustchen."

199 Vgl. Kühnel, Schemm, S. 289. In seinen Reden stand das "Religiöse" bei Aufzählungen allerdings immer an letzter Stelle. Zudem mußten aufmerksame Zuhörer und Leser bemerken, daß die "christliche Erziehung", die Schemm forderte, lediglich rhetorische Verzierung der eigentlichen Ziele darstellte, vgl. die Rede Der Nationalsozialismus als Vaterlandsliebe und Todesbereitschaft. In: Gamm, Verführung, S. 79-83 und den Aufsatz Der Sinn der Erziehung im nationalsozialistischen Staat, in KANZ, Nationalsozialismus, S. 102-115.

200 Zit. n. Kanz, Nationalsozialismus, S. 111.

201 Vgl. Rossmeissl, Deutschland, S. 28.

202 Vgl. Kühnel, Schemm, S. 291. Diese Popularität zeigte sich besonders an der breiten Anteilnahme der Bevölkerung bei seinem Begräbnis, nachdem Schemm bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen war. Zur politischen Biographie Schemms, der auch Gauleiter von Oberfranken war, vgl. Ebd., S. 8-23.

203 Vgl. Kühnel, Schemm, S. 301. Vgl. zudem EBD., S. 314 über seine Bemühungen, eine aus der deutschen Schreibschrift abgeleitete "Schemm-Schrift" in den Volksschulen dauerhaft zu etablieren (die Sütterlinschrift war Schemm zu "undeutsch"). Das Projekt scheiterte am Widerstand des Reichserziehungsministers Rust. Die Schemm-Schrift wurde für das Schuljahr 1934/ 35 verbindlich eingeführt, allerdings bald darauf wieder verworfen.

204 Schon am 30. 01. 1934 wurde das Schulwesen Reichssache, allerdings lag die Verwaltung noch stärker in den Händen der Länder, vgl. KÜHNEL, Schemm, S. 302f.

205 Alle Zitate aus dem Personalakt L.s, vgl. StdAN, C 18/ II., Nr. 4082. Beschwerden über L. (unter anderem benutzte er die Notengebung zur "Bestrafung" und setzte den Religionslehrer der Schule derart unter Druck, daß dieser sich versetzen ließ) und öffentliche Ausfälle führten ab 1937 zu dem Versuch seitens der vorgesetzten Behörde, ihn vom Schuldienst zu suspendieren, was jedoch bis 1945 nicht gelang. L. wurde von der Spruch- und der Berufungskammer als Aktivist eingestuft (unter anderem mit der Begründung, er habe mehrere Beurteilungen geschrieben, die nach Auffassung der Spruchkammer "übelster Art" waren).

206 Vgl. StAN Rep. 270 V, Nr. 4633.

207 Vgl. Bericht des SD-Abschnitts Würzburg (Gau Mainfranken) 31. 03. 1941 in: Broszat, Bayern, S. 621.

208 Vgl. Bericht der SD-Außenstelle Würzburg (Gau Mainfranken) 22. 04. 1941 in: Broszat, Bayern, S. 624. Eine Überreaktion der Bevölkerung aufgrund des Kriegszustandes ist nicht wahrscheinlich, vgl. ebd. Bericht der SD-Außenstelle Bad Neustadt.

209 Wagner hatte den Erlaß nicht mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Siebert abgesprochen, vgl. Broszat, Bayern, S. 148, Anm. 160.

210 Monatsbericht des Landrates vom 31. 05. 1941, vgl. Broszat, Bayern, S. 148. Der eher systemkritische Landrat schilderte die Folgen der Hybris des Ministers deswegen so ausführlich, "damit nicht eines Tages [sic!] die Verantwortung für etwaige Folgen aus der hierdurch hervorgerufenen Mißstimmung mir aufgebürdet werden kann."

211 Vgl. StAN Rep 245-6, Nr. 1900.

212 Zu den Deutschen Christen als nationalsozialistischer Kirchenorganisation vgl. MEIER, Kreuz, S. 22-30 und S. 37-48.

213 Vgl. Meier, Kreuz, S. 59-78.

214 So Hitler am 4. 12. 1938 in Reichenberg, zit. n. Rossmeissl, Deutschland, S. 35. In Hitler, Reden ist diese nicht abgedruckt.

215 Vgl. BMinAB 1935, S. 202. Vgl. Kater, Elternschaft, S. 79.

216 Vgl. Krieck, Nationalsozialistische Erziehung, S. 43.

217 Vgl. Kater, Elternschaft, S. 87.

218 Vgl. Kater, Elternschaft, S. 87f.

219 Vgl. StAN Rep. 245-6, Nr. 192 (Lehrerratssitzung vom 4. Jan. 1938).

220 Der unterrichtsfreie Samstag galt in Bayern nur für Jungvolkführer der höheren Schulen. Die Bayerische Ausführungsbestimmung für die im Juni 1934 getroffene Vereinbarung zwischen Reichsjugendführer von Schirach und dem Reichsminister Stuckart wurde erst am 2. 07. 1935 bekanntgegeben, also mit einem Jahr Verzögerung, vgl. BMinAB 1935, S. 202-208.

221 Ausnahme war der "Montag-Nachmittag [...] Am Mittwoch, Freitag und Samstag sind die Nachmittage unter allen Umständen freizuhalten", vgl. BMinAB 1937, S. 1.

222 Vgl. BMinAB 1937, S. 2.

223 Vgl. Kumsteller/ Haacke/ Schneider, Geschichtsbuch, Klasse 6, S. 28.

224 Ich verweise auf die einschlägigen Darstellungen Kater, HJ und Hellfeld/ Klönne, Generation.

225 In den letzten Jahren hat sich die Erziehungswissenschaft intensiv mit ihrer Geschichte im Nationalsozialismus auseinandergesetzt, vgl. als Überblickswerke z. B. Flessau, Erziehung, Gamm, Verführung, Herrmann, Formung, Herrmann/ Oelkers, Pädagogik, Keim, Pädagogen, Keim, Erziehung (2 Bände) und Tenorth, Einfügung.

226 Vgl. Hitler, Kampf, S. 13.

227 Vgl. Scholtz, Erziehung, S. 44.

228 Vgl. Steinhaus, Blut, S. 88. Zu Chamberlain und Rosenberg vgl. z. B. Baeumler, Erziehung, S. 16-32. Die Kulturkritik Spenglers schwingt in Baeumlers kruden "Langemarck"-Vorträgen Der Sinn des Großen Krieges von 1929/ 30 mit, v.a in der Charakteristik der modernen Frau als "Weib" und "Verführerin", vgl. Baeumler, Sinn, S. 7, und der Großstadt, vgl. Ebd., S. 8. Baeumler stilisiert den von ihm suggerierten Gegensatz zwischen "urbanem" und "heroischem" Wesen zum welthistorischen Entscheidungskampf. Den Sieg der "heroischen Lebensform" sichert die Organisierung der Jugend in Männerbünden und ihre Erziehung im Sinne der Gefallenen von "Langemarck", vgl. EBD., S. 16. Auf den "Langemarck"-Mythos wird noch eingegangen werden. Zu Baeumlers kulturkritischer Prägung (Spengler) und seiner Auseinandersetzung mit der Literatur der Dekadenz und Thomas Manns vgl. auch BAEUMLER/ BRUNTRÄGER/ KURZKE, Mann und Baeumler, S. 11-72.

229 Vgl. Krieck, Erziehung, S. 13. Damit meinte Krieck natürlich den pädagogischen mainstream, nicht die völkischen Ansätze, die durchaus schon vor 1933 entwickelt worden waren.

230 Vgl. Buchholz, Persönlichkeit, S. 35.

231 Vgl. Jaster, Geschichtsunterricht, S. 3.

232 Zum Komplex der Reformpädagogik, auf den hier nicht ausführlich eingegangen werden kann, allgemein vgl. Oelkers, Reformpädagogik und Röhrs, Reformpädagogik, v. a. S. 20-45, S. 181-209 und S. 298-336.

233 Vgl. Herrmann, Zugänge, S. 9.

234 Hitlers Menschenverachtung war in gewisser Weise ein zeittypisches Phänomen, vgl. STEINHAUS, Nihilistische Utopie, S. 107f. und STEINHAUS, Pädagogische Maximen.

235 Vgl. Steinhaus, Nihilistische Utopie, S. 109.

236 Diese erhielt er für seinen pädagogischen Erstling, Krieck, Philosophie. Eine Ehrendoktorwürde für einen jungen Volksschullehrer, der noch kein akademisches Lebenswerk geschaffen hatte, war eine Sensation und wohl nur in einer so jungen akademischen Wissenschaft wie der Pädagogik möglich, vgl. Müller, Krieck, S. 49f.

237 Ausführlich zu Kriecks Entwicklung bis 1933 vgl. MÜLLER, Krieck, S. 5-95. In seiner Nachfolge standen u. a. Philipp HÖRDT, Volkheit und auch Karl Friedrich STURM, Erziehung.

238 Zu den für nationalsozialistische Gedanken instrumentalisierbaren Pädagogen gehörten nach Herrmann, Völkische Erziehung, S. 69f. u. a. Hermann Lietz (Landerziehungsheime), Berthold Otto (Selbsttätigkeit des Kindes), Georg Kerschensteiner (Arbeitsschule) und Eduard Spranger (Erlebensweisen), vgl. Steinhaus, Blut, S. 89 und Oelkers, Erziehung.

239 Dieselbe Diagnose stellten ja auch Vertreter der völkischen Geschichtswissenschaft, wenn sie von einer partikularen, detailverliebten Historiographie zur weltanschaulich fundierten und zielgerichteten Geschichtsschreibung kommen wollten. Krieck befleißigte sich auch als Wissenschaftstheoretiker mit besonderer Vorliebe für die Geschichtswissenschaft und ihr neu zu entwickelndes Geschichtsbild, vgl. KRIECK, Mensch und Fußnote 70 dieser Arbeit.

240 Die Adjektive völkisch und realistisch lesen sich in dieser Kombination wie ein Oxymoron. Völkisches Denken entbehrte von jeher des Realismus und griff, wie gesehen, auf mythologische Denkmuster zurück.

241 Die Idee der "Umschaffung des Menschen" durch Erziehung ist ein Konzept Pestalozzis und Fichtes, das Zitat stammt von Rousseau, vgl. Herrmann, Völkische Erziehung, S. 73, vgl. Krieck, Nationalpolitische Erziehung, S. 106-111.

242 "[...] denn sie führt notwendig dazu, den Nachwuchs der Gemeinschaft einzugliedern und ihm so zu seiner eigenen Reife zu verhelfen.", vgl. KRIECK Nationalsozialistische Erziehung, S. 8.

243 Vgl. Krieck, Erziehung, S. 10.

244 Vgl. Krieck, Nationalsozialistische Erziehung, S. 12f.

245 "Der Mensch ist Gemeinschaftswesen", beginnt das Kapitel "Erziehungswissenschaftliche Voraussetzungen" in Krieck, Erziehung, S. 10.

246 Vgl. Krieck, Nationalsozialistische Erziehung, S. 8.

247 Vgl. Krieck, Nationalsozialistische Erziehung, S. 18.

248 Vgl. Krieck, Menschenformung, S. 5. Hier gab sich Krieck, offensichtlich selbst noch auf der Suche nach einem Erziehungs- und Lebensideal, durchaus tolerant gegenüber fremden Völkern, ihren Sitten und Gebräuchen. Noch 1925 waren auch sie für ihn Ausdruck des allgemein-menschlichen "Urtyps", den es durch "Typenzucht" zum "Idealtypus" umzubilden galt, vgl. EBD., S. 3 und S. 7f. Der Begriff "Rasse" spielt aber schon in seinen früheren Schriften, etwa der Philosophie der Erziehung eine Rolle, vgl. HOJER, Pädagogik, S. 108-114.

249 So erstmals konsequent 1932, vgl. Krieck, Nationalpolitische Erziehung, z. B. S. 103f. und S. 111-125.

250 Vgl. Krieck, Nationalsozialistische Erziehung, S. 26f.

251 "Die konkret faßbare, darum entscheidende Gemeinschaft für jeden von uns ist unser Volkstum", vgl. Krieck, Nationalsozialistische Erziehung, S. 2.

252 Vgl. Krieck, Nationalsozialistische Erziehung, S. 19. Verwirklicht sah Krieck dieses Ideal in der "germanischen Art der Gefolgschaft", wie sie im "völkisch-politischen Gemeinwesen des Dritten Reiches" praktiziert wurde, vgl. Ebd. So wie er die Einschränkung der persönlichen Freiheitsrechte durch den totalitären Staat zur verantwortungsvollen "Gliedschaft" in demselben uminterpretiert hatte, gaukelte Krieck den unterdrückten Menschen, die in diesem Staat lebten, ihr "Heldentum" vor, vgl. HERRMANN, Völkische Erziehung, S. 70.

253 Vgl. Erziehung und Unterricht, S. 11.

254 Sturm, Erziehung, zit. n. Herrmann, Erziehung, S. 67, die Seitenangabe bei Herrmann entspricht nicht der mir vorliegenden Auflage.

255 Schon in seiner ersten Publikation Persönlichkeit und Kultur von 1910 schrieb Krieck: "Es ist an der Zeit die Lüge von der Gerechtigkeit und Menschlichkeit in den Staub zu treten.", vgl. HOJER, Pädagogik, Motto. In dieser neuesten und durch ihre analytischen Prägnanz beeindruckenden Arbeit über Ernst Krieck wird diese Virulenz herausgearbeitet, vgl. z. B. EBD., S. 144f.

256 Vgl. Krieck, Nationalsozialistische Erziehung, S. 9.

257 Vgl. Krieck, Nationalsozialistische Erziehung, S. 3.

258 Vgl. Krieck, Nationalsozialistische Erziehung, S. 1. Den protoidealen, mythischen Aspekt des nationalsozialistischen Menschenbildes stellte Alfred Baeumler, hierin Alfred Rosenberg folgend, ebenso stark heraus wie Ernst Krieck. Baeumler wurde direkt von Rosenberg, dem mythenversessenen Rassenanthropologen, protegiert, während Krieck eher Bernhard Rust, dem Reichsminister für Erziehung, verbunden war. Diese politischen Verbindungen waren jedoch weniger bezeichnend für ihre pädagogischen Ansätze als vielmehr für ihre Karrieren, vgl. LINGELBACH, Erziehungstheorien, S. 93ff. und S. 194. Zu Rust vgl. PEDERSEN, Rust.

259 "[...] der Staat richtet seine Staatsbürger gemäß seiner eigenen Idee aus oder er geht in kürzester Frist aus Lebensunfähigkeit zugrunde — wie am Staat von Weimar zu sehen.", vgl. KRIECK, Nationalsozialistische Erziehung, S. 22, vgl. KRIECK, Nationalpolitische Erziehung, S. 23f.

260 Vgl. Krieck, Nationalsozialistische Erziehung, S. 2. Kriecks Zynismus hatte aber schon zur Entstehungszeit dieser Schrift, im November 1933, einen konkreten Bezugsrahmen in der Realität. Das Kriecksche Postulat des "Schicksals" als Determinationsmacht menschlichen Lebens widerspricht m. E. seinem eigenen 'Glauben' an die Wirkungsmöglichkeit von Erziehung, vgl. STEINHAUS, Nihilistische Utopie, S. 111-113. Gerhard Müller sieht Krieck positiver: Er habe die NSDAP, die für ihn "Lebensform" einer Volksbewegung und Chancenträgerin einer pädagogischen Reform war, falsch eingeschätzt, vgl. MÜLLER, Krieck, S. 228-238, S. 293-295, S. 324-329 und S. 359f. Diese Sichtweise beschränkt sich aber m. E. zu sehr auf die Frage nach den Möglichkeiten einer Bildungsreform und blendet den totalitären Impetus der Krieckschen Erziehungslehre vor 1932 und den elitär-rassistischen nach 1932 zu sehr aus. D. h. er berücksichtigt kaum den Inhalt ihrer zweckhaften Zielgerichtetheit und die Folgen der völkischen "Selbstvollendung", vgl. auch die ähnliche Einschätzung bei NOLTENSMEIER/ WEIß, Krieck, S. 45f. und S. 49f.

261 Vgl. Krieck, Erziehung, S. 13 die stolze Feststellung, er habe die nationalsozialistische Pädagogik "vorwiegend [...] geschaffen". Seine Karriere im "Dritten Reich" sei noch kurz umrissen: in den Jahren 1933-38 war er u. a. Rektor der Universitäten Frankfurt und Heidelberg, vgl. MÜLLER, Krieck, S. 107-124. Spätestens ab 1935 verlor er aber im nationalsozialistischen Bildungsapparat an Einfluß, hauptsächlich aufgrund von Rivalitäten und Kompetenzstreitigkeiten. Deshalb wandte er sich eher philosophisch-esoterischen Themen zu, vgl. KRIECK, Volkscharakter und KRIECK, Heil. Er starb 1947 in einem amerikanischen Internierungslager. Erst nach seinem Tod wurde er von einer Spruchkammer als "Mitläufer" eingestuft, vgl. z. B. NOLTENSMEIER/ WEIß, Krieck, S. 41f.

262 Das war ja die von den nationalsozialistischen Ideologen in die Vergangenheit rückprojizierte geschichtliche Konstante. Sie galt zumindest dann, wenn man die Großmachtpläne miteinkalkuliert. Zu Hitlers konkreten Staatsbürgerrechtsvorstellungen vgl. Hitler, Kampf, S. 490f.

263 Hitler ging von einer Dreischichtung des "Volkskörpers" aus: Herrenmenschen und Untermenschen, die es auszurotten galt. "Zwischen diesen beiden Extremen liegt als dritte Klasse die große, breite mittlere Schicht, in der sich weder strahlendes Heldentum noch gemeine Verbrechergesinnung verkörpert", vgl. STEINHAUS, Nihilistische Utopie, S. 110. Zur Euthanasie als pädagogischer Option vgl. BRILL, Pädagogik.

264 Eine präzise Abgrenzung der pädagogischen Konzepte Kriecks zu denen seiner Kollegen, etwa Alfred Baeumlers, wäre Aufgabe einer erziehungswissenschaftlichen Arbeit. Aufschlußreich sind zu diesem Thema die Beiträge Lingelbach, Erziehungstheorien und TENORTH, Einfügung, vgl. auch NOLTENSMEIER/ WEIß, Krieck, S. 42-44.

265 Diese idealen Wesensmerkmale waren fiktiver Art, grundlegend für die völkische Geschichtsschreibung und Produkt deutschen Großmachtstrebens und eines Prozesses der Überwindung nationalen Schwächegefühls.

266 Einen Überblick über den Aufbau des Elite-Schulwesens gibt die graphische Darstellung in Gamm, Verführung, S. 384. Zu den Napolas vgl. das Standardwerk Ueberhorst, Elite, zu den Eliteschulen Scholtz, Ausleseschulen. In der neueren Forschung wird nun auch die Ausbildung von Mädchen und jungen Frauen in den Eliteanstalten behandelt, vgl. AUMÜLLER-ROSKE, Elite und DIES., Napolas.

267 Vgl. Krieck, Nationalsozialistische Erziehung, S. 23f. "Zucht" spielte schon in Krieck, Menschenformung, S. 359 eine entscheidende Rolle. Krieck wehrte sich anfangs gegen den sozialdarwinistischen Ansatz, nahm ihn dann aber völlig in seine Theorie auf, vgl. Lingelbach, Erziehungstheorien, S. 72-78.

268 Das geschah administrativ durch das Gesetz über die Schülerauslese und das Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen, vgl. BMINAB 1934, S. 24 und EILERS, Schulpolitik, S. 98- 104.

269 Das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums war bis 1935 die Grundlage bei der Definition von "Ariern", vgl. RGB 1933, S. 175- 177.

270 Zur Degenerierung der Sonder- und Sozialpädagogik zu einer "Minderwertigenfürsorge" und ihre weitere Entwicklung zur "Minderwertigenverwahrung" und schließlich "Minderwertigenvernichtung", vgl. Keim, Erziehung I, v.a. S. 152-58, MÖCKEL, Behinderte, S. 74-77 und ALY, Aktion T 4.

271 Vgl. Krieck, Erziehung, S. 12.

272 Vgl. Krieck, Erziehung, S. 12.

273 Vgl. Baeumler, Bildung, S. 113.

274 Vgl. Baeumler, Bildung, S. 134f.

275 Vgl. Baeumler, Bildung, S. 85. Für Krieck war das Aufgabe der "Zucht", vgl. Krieck, Nationalpolitische Erziehung, S. 57.

276 Vgl. Baeumler, Bildung, S. 84f.

277 Vgl. Baeumler, Soldat, S. 164f.

278 Vgl. Edelmann, Forderungen, S. 194f.

279 Vgl. Baeumler, Bildung, S. 129. Dabei hatte Baeumler durchaus den bereits erwähnten Gegensatz zwischen Lehrerschaft, Elternhaus und Reichsjugendführung im Auge, den eine Rehabilitation der Schule bei der "Charakterbildung" pragmatisch lösen helfen sollte, vgl. LINGELBACH, Erziehungstheorien, S. 195f. Vgl. auch die "mildernde Umstände" ausschließende Abrechnung mit dem Kollegen Fritz Blättner, der sich kritisch zur Schulreform äußerte, in EBD., S. 105-108. Vgl. auch STURM, Erziehung, S. 160.

280 Vgl. Erziehung und Unterricht, S. 17f.

281 Vgl. Erziehung und Unterricht, S. 251.

282 Dessen Ergebnis waren beispielsweise Reigentänze und Ballgymnastik. Generell ist in der Mädchenerziehung m. E. diese Tendenz zum vervolkstümlichten, mittelalterlich-romantisch anmutenden Frauenbild zu beobachten, was sich auch im Kleidungsideal niederschlägt, vgl. die Bilddokumente in PINI, Leibeskult, S. 75ff. und OGAN/ WEIß, Faszination, S. 141f. Zum NS- Frauenbild vgl. KOROTIN, Muttergeist und VON MAYENBURG, Frauenbild.

283 Vgl. Sturm, Erziehung, S. 175f. Krieck, Nationalsozialistische Erziehung und Baeumler, Bildung erwähnen sie z. B. mit keinem Wort.

284 Vgl. Sturm, Erziehung, S. 130.

285 Vgl. Sturm, Erziehung, S. 130. Die "Erleuchtung", nach der, wie er meinte, die Reformpädagogik suchte, erklärt Sturm Ebd., S. 90f.

286 Vgl. Sturm, Erziehung, S. 161. "Das ist die Aufgabe unseres Jahrhunderts, aus einem neuen Lebens-Mythus einen neuen Menschentypus schaffen", vgl. Rosenberg, Mythus, S. 481. Sturms Schreibweise des Wortes Mythos ist in seinem Buch uneinheitlich.

287 Vgl. Sturm, Erziehung, S. 161. Bei einem anderen, schon vor der Machtergreifung verstorbenen Schüler Kriecks, Philip Hoerdt, finden sich vier "Grundformen volkhafter Bildung", die diesen Ganzheitsanspruch repräsentieren: Spiel, Arbeit, Lehrgang, Feier, vgl. HÖRDT, Grundformen.

288 So hieß es in den Richtlinien des Reichserziehungsministers vom 15. 12. 1939, zit. n. Sturm, Erziehung, S. 140, vgl. Baeumler, Leibesübungen, Baeumler, Erziehung, S. 123-138 und Baeumler, Bildung, S. 154-172. Auf die Geschichte und Entwicklung der Leibeserziehung während der Zeit des Nationalsozialismus kann und soll hier nicht näher eingegangen werden. Ich verweise auf die Habilitation PFEIFFEN, Turnunterricht, die für die Provinz Westfalen exemplarisch die Beeinflussung des Turnunterrichts untersucht, und auf TRETZE, Leibeserziehung, v. a. S. 23-72.

289 Vgl. Hitler, Kampf, S. 454. Die Erhöhung der Stundenzahl für den Sportunterricht wurde dann schrittweise auf durchaus endliche 5 Wochenstunden in allen Schularten (ab 1937 für Jungen-, ab 1941 für Mädchenschulen) angehoben, vgl. Keim, Erziehung II, S. 42f.

290 Vgl. STURM, Erziehung, S. 142.

291 Vgl. Sturm, Erziehung, S. 144-146. Sturm sah allerdings ein, daß "Deutschland- und Horst-Wessel-Lied" nicht auf Dauer die Funktion liturgischer Gesänge übernehmen konnten: "Noch ist uns nicht der Sänger entstanden, dessen Lieder das Innerste der Bewegung sowie ihren Siegszug [sic!] gestalten.", vgl. Ebd., S. 143. Hitler wiederum sah das anders: "Noch nach Jahrhunderten, noch wenn kein Stein in dieser großen Stadt Berlin mehr auf dem andern steht, wird man der größten deutschen Freiheitsbewegung und ihres Sängers gedenken." (Rede vom 16. 01. 1933 in Berlin), vgl. HITLER, Reden, S. 181.

292 Vgl. Sturm, Erziehung, S. 142.

293 Der Reichslehrplan von 1938 legt in seiner Einleitung ihre Terminologie zugrunde, vgl. Erziehung und Unterricht, z. B. S. 12f.

294 Vgl. Sturm, Erziehung, S. 113.

295 Vgl. Herrmann, Zugänge, S. 9.

296 Baeumlers Charaktererziehung setzte auf die Vermittlung von Wertvorstellungen, die schon das Kaiserreich bestimmt hatten. Der "soldatische" Mensch als Idealbild war bei der Generation der aktiven Kriegsteilnehmer wenig umstritten.

297 Zur Geschichte des Geschichtsunterrichts im "Dritten Reich" vgl. als Überblicksbeiträge: Genschel, Geschichtsunterricht, Gies, Geschichtsunterricht, Mannzmann, Unterrichtsfächer, Leidinger, Geschichtsunterricht, Selmeier, Geschichtsbild.

298 Zur Biographie von Dietrich Klagges vgl. Kuessner, Klagges. Klagges geht in seinem Buch bei der Erläuterung der Lehrziele äußerst schablonenhaft vor. Zu Beginn eines jeden Abschnitts steht eine politische oder pädagogische Abrechnung mit dem seit der nationalsozialistischen "Machtergreifung" "vergangenen Epoche" von "Liberalismus" und "Subjektivismus", vgl. etwa KLAGGES, Geschichtsuntericht, S. 115. Dabei fällt auf, daß es Klagges zwar leicht gelingt, seitenweise vernichtende Kritik zu üben, daß er aber Mühe hat, in ähnlichem Umfang konstruktiv Neues zu bieten. Zu Schnee und Jaster vgl. Selmeier, Geschichtsbild, S. 203.

299 Der Begriff wurde von Ernst Krieck geprägt und u. a. von Dietrich Klagges übernommen.

300 "In diesem Sinne ist unsere Erziehungsarbeit nichts anderes als Beeinflussung nach den weltanschaulichen und politischen Richtlinien der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei.", vgl. JASTER, Geschichtsunterricht, S. 1.

301 Vgl. Klagges, Geschichtsunterricht, S. 110.

302 Vgl. Klagges, Geschichtsunterricht, S. 110. Er beruft sich hier explizit auf Rosenberg und die Willensphilosophie Schopenhauers und Wundts.

303 Vgl. Haacke, Geschichtslehrer, S. 333.

304 Vgl. Haacke, Geschichtslehrer, S. 334.

305 Vgl. Klagges, Geschichtsunterricht, S. 114, Klagges hatte auch Bedenken, die Langeweile in der Schule könnte nicht mit der erlebnisreichen außerschulischen Erziehung in den Jugendorganisationen mithalten, vgl. EBD., S. 153f.

306 Vgl. Klagges, Geschichtsunterricht, S. 152.

307 Die mageren Vorschläge, die Klagges nach dieser Forderung bietet, zeigen jedoch, wie wenig Vertrauen ein Didaktiker des totalitären Staates in die Fähigkeiten des Individuums hatte, vgl. Klagges, Geschichtsunterricht, S. 152-156.

308 Vgl. Klagges, Geschichtsunterricht, S. 112 und S. 116.

309 Vgl. Klagges, Geschichtsunterricht, S. 116f. oder noch primitiver Hans Schemm: "Deutsch sei die Erziehung, deutsch und immer wieder deutsch!", vgl. Gamm, Verführung, S. 180.

310 Vgl. Klagges, Geschichtsunterricht, S. 118.

311 Vgl. Klagges. Geschichtsunterricht, S. 120. Auch Schnee, Geschichtsunterricht, S. 14 forderte "Ehrfurcht vor dem Werk, vor den Leistungen, nicht Kritik und Besserwisserei."

312 Vgl. Hitler, Kampf, S. 467f. Vgl. Klagges, Geschichtsunterricht, S. 133.

313 So Dr. W. Hohmann 1939 in der Zeitschrift Nationalsozialistisches Bildungswesen, zit. nach SELMEIER, Geschichtsbild, S. 308, Anm. 35.

314 Vgl. Gruenberg, Neugliederung, S. 491.

315 Vgl. Klagges, Geschichtsunterricht, S. 128-133.

316 Zu Lehrern im Nationalsozialismus allgemein vgl. Breyvogel/ Thenorth, Lehrerschaft, Feiten, Lehrerbund, Klewitz, Lehrersein und Nath, Studienratskarriere. Zum Widerstand unter Lehrern vgl. Dick, Lehreropposition, und Schnorbach, Lehrer.

317 Vgl. Jaster, Geschichtsunterricht, S. 1.

318 Vgl. JaSTER, Geschichtsunterricht, S. 5.

319 Vgl. Jaster, Geschichtsunterricht, S. 7.

320 Vgl. auch etwa Baeumler, Bildung, S. 100f.

321 Vgl. StAN Rep 245-5, Nr. 10.

322 "Am Schlusse der Sitzung fand die Vereidigung der Lehrer auf den Führer und Kanzler des Deutschen Reiches, Adolf Hitler, statt.", vgl. StAN Rep. 245-6, Nr. 192, Protokoll der Lehrerratssitzung (des Gymnasiums Carolinum in Ansbach) vom 3. 09. 1934.

323 Vgl. StAN Rep. 245-5, Nr. 258, Brief des BSUK an die Direktorate vom 5. 07. 1935, vgl. Anhang 1.

324 Vgl. JasTER, Geschichtsunterricht, S. 8.

325 Vgl. Haacke, Geschichtslehrer, S. 331.

326 Vgl. Hitler, Reden, S. 18 und S. 487.

327 Vgl. Rosenbergs Rede über die Mission [sic!] des deutschen Erziehers von 1938, In: Gamm, Verführung, S. 186. Weitere religiöse Anklänge: die Beschreibung der eröffneten Lehrerbildungsanstalt als Kloster, vgl. Ebd., S. 187 und der Appell an die Lehrer, "die Bildung eines neuen Geschlechts durchzuführen und auf diese Weise mit Fundamente für den kommenden geistigen Dom der deutschen Nation zu errichten.", vgl. EBD., S. 188. Schemm spricht bei der Eröffnung des Hauses der deutschen Erziehung in Bayreuth stilistisch noch kruder: "Von diesem Hause soll für unser deutsches Erziehungsleben Kraft und Stärkung ausstrahlen, damit wir deutschen Lehrer in den Herzen unserer Kinder einen Dom [sic!] deutschen Wesens aufrichten können, der härter ist als Granit und Stahl.", vgl. EBD., S. 181.

328 Diese idealistisch hoffnungsvolle Auffassung teilen alle hier erwähnten Geschichtsdidaktiker, vgl. Jaster, Geschichtsunterricht, S. 14, KLAGGES, Geschichtsunterricht, S. 3f., SCHNEE, Geschichtsunterricht, S. 102, vgl. auch BLÄTTNER, Jugendführung, S. 238f., HUBER, Unterrichtslehre, S. 82f.

329 Vgl. Schnee, Geschichtsunterricht, S. 13.

330 Vgl. Rosenbergs Rede über die Mission des deutschen Erziehers von 1938. In: Gamm, Verführung, S. 186.

331 Vgl. Schnee, Geschichtsunterricht, S. 14. Da nicht alle Lehrer über eine solche verfügten, sollte der Lehrervortrag nicht die einzige "Arbeitsform" darstellen. Auf die einzelnen Methoden des Geschichtsunterrichts wird noch eingegangen.

332 Vgl. Jaster, Geschichtsunterricht, S. 3 mit seiner exaltiert-polemischen Darstellung eines solchen Unterrichts: "welcher Riesenunfug ist mit dem sogenannten "freien Lehrgespräch" getrieben worden! Die Jugend, welche überhaupt erst einmal zum geschichtlichen Denken erzogen werden sollte, tummelte sich im blühendsten Unsinn, während der kluge Pädagoge nicht einzugreifen wagte, um den Ablauf solcher 'Geistigkeit' nicht zu stören." Vgl. hingegen Klagges, Geschichtsunterricht, S. 155.

333 Vgl. Schnee, Geschichtsunterricht, S. 14.

334 Vgl. Erziehung und Unterricht, S. 18.

335 Vgl. Haacke, Geschichtslehrer, S. 331.

336 Vgl, Sturm, Erziehung, S. 136 mit Hinweis auf Schemm. Ähnlich der Leiter der Hansischen Hochschule für Lehrerbildung in Hamburg, Prof. Pein, der 1940 in einer Rede vor Studienbeginnern vom "pädagogischen Offizier" sprach, den er mit dem "militärischen" und dem "politischen Offizier" verglich, vgl. Gamm, Verführung, S. 216ff.

337 Vgl. z. B. Klagges, Geschichtsunterricht, S. 114f., JASTER, Geschichtsunterricht, S. 10f. und SCHNEE, Geschichtsunterricht, S. 8 und S. 14f.

338 Hitlers Mythologisierungstendenz beschränkte sich nicht nur auf ihn selbst, etwa wenn er bekundet, er sei durch diesen Unterricht "zum jungen Revolutionär" geworden, vgl. Hitler, Kampf, S. 13. Er zeichnete seinen Geschichtslehrer ganz bewußt nicht nach der Realität, sondern so, wie es für die Gestaltung seines Buches als nationalsozialistische Programmschrift zweckmäßig war. Zum realen Leopold Pötsch vgl. MASER, Kampf, S. 61f., S. 142, Anm. 2 und S. 264.

339 Vgl. Hitler, Kampf, S. 12.

340 "Ziel des Geschichtsunterrichts ist also immer, aus Vergangenem auf die Gegenwart und die Zukunft zu schließen.", Vgl. Edelmann, Forderungen, S. 196.

341 Vgl. Schnee, Geschichtsunterricht, S. 12. Als einzige Voraussetzung dafür nennt Schnee die Einstellung von nationalsozialistisch ausgebildeten Junglehrern.

342 Vgl. Schnee, Geschichtsunterricht, S. 12, Eine "Form des Arbeitsunterrichts", die "nicht auf das Objekt gerichtet ist, sondern den Arbeitsvorgang als solchen in den Mittelpunkt stellt" lehnte Schnee ab, vgl. EBD., S. 15. Zu Kriecks Kritik am "Methodenformalismus" um seiner selbst Willen, vgl. KRIECK, Nationalsozialistische Erziehung, S. 32f.

343 Vgl. Schnee, Geschichtsunterricht, S. 12. Hier kritisiert Schnee Ernst Krieck, der aus den Verhältnissen an "bestimmte[n] Großstadtschulen" "ungerechte Verallgemeinerungen" gezogen habe. Schnee war mit seinem Versuch der Redefinition relativ erfolgreich, der Artikel Honsberg, Voraussetzungen, hier S. 559 in der Zeitschrift V&G verbreitete diese Thesen noch 1935. Die wichtigste, als einzige vom Amt für Schrifttumspflege empfohlene 'Geschichtsdidaktik', das hier wiederholt zitierte Buch von Dietrich Klagges, führt allerdings den Begriff Arbeitsunterricht meines Wissens überhaupt nicht auf.

344 Vgl. Erziehung und Unterricht, S. 72f. Bei Klagges, Geschichtsunterricht implizit, Jaster, Geschichtsunterricht, S. 3 (implizit), Schnee, Geschichtsunterricht, S. 13f., Schnee thematisiert von diesen dreien die Methodik als einziger ausführlich. HÖRDT, Schule, S. 212, steht dem reinen Vortrag eher skeptisch gegenüber. Der Mensch als Mitglied eines Volkes bedürfe des Gespräches (Lehrgang). HUBER, Unterrichtslehre, S. 12 spricht vom darbietenden Unterricht. Hubers Didaktik ist zwar in vielerlei Hinsicht an Volksschullehrer gewendet, m. E. aber die modernste, fortschrittlichste, weil eher verdeckt ideologisch sicher auch die gefährlichste Didaktik. Sie erschien allerdings erst 1944 und dürfte nur wenig Wirkung entfaltet haben.

345 Vgl. den Aufsatz Klagges, Nationalpolitische Erziehung, S. 12.

346 Vgl. Klagges, Nationalpolitische Erziehung, S. 11.

347 Vgl. Haacke, Geschichtslehrer, S. 336f.

348 Vgl. Haacke, Geschichtslehrer, S. 337.

349 Vgl. Erziehung und Unterricht, S. 19f.

350 Vgl. z. B. Erziehung und Unterricht, S. 74.

351 Vgl. Schäfer, Diagramm und Köster, Pfeilskizze.

352 Vgl. Schäfer, Diagramm, S. 616.

353 Vgl. Köster, Pfeilskizze, S. 39.

354 Vgl. Selmeier, Geschichtsbild, S. 318. Vgl. Schulze, Photographie.

355 Vgl. ScHNEE, Geschichtsunterricht, S. 15.

356 Etwa "Treitschkes Monographie über den deutschen Ritterorden oder Schnabels Deutsche Geschichte", vgl. Schnee, Geschichtsunterricht, S. 16, vgl. ebenso Edelmann, Forderungen, S. 196ff.

357 Vgl. Schnee, Geschichtsunterricht, S. 16.

358 Vgl. die relativ harsche, aber indirekte Kritik an Klagges und Schnee in Kösters, Quellenbenutzung, S. 29.

359 Vgl. Klagges, Geschichtsunterricht, S. 157. Es ist jedoch, möchte man gerade hier gern hinzufügen, nicht alles Gold, was glänzt.

360 Vgl. KLAGGES, Geschichtsunterricht, S. 158. Klagges neigte generell dazu, die Schüler zu unterschätzen. Vgl. dagegen HAACKE, Geschichtslehrer, S. 335.

361 Vgl. Klagges, Geschichtsunterricht, S. 158. Besonders deutlich wird dies auch in dem Abschnitt Geschichtliche Wahrheit, nicht Tendenz, vgl. Ebd., S. 123-127, der eine Art Rechtfertigung der eigenen (zweifellos tendenziösen) Geschichtsbetrachtung darstellt.

362 Auch Ulrich Haacke hatte ja zur "nationalpolitischen Auswertung" des Stoffes im voraus geraten, vgl. HaaCKE, Geschichtslehrer, S. 337.

363 Vgl. Klagges, Geschichtsunterricht, S. 125. Auch den sonst recht positiv gewerteten Tacitus sieht er als Tendenzschreiber, vgl. Ebd., S. 123f. Ähnlich verfahren Kumsteller/ Haacke/ Schneider, Geschichtsbuch, Klasse 6, S. 27 mit Caesar, dessen Schilderungen der Germanen nur dann der 'Wahrheit' entsprechen, wenn sie positiv sind, ansonsten der "Propaganda" zuzurechnen seien.

364 Vgl. Klagges, Geschichtsunterricht, S. 127. Gemeint ist wohl die "rassische" Erziehung.

365 Vgl. ErziehUNG UND UNTERRICHT, S. 73. Vgl. KÖSTERS, Quellenbenutzung, S 29f. und 33f.

366 Vgl. Erziehung und Unterricht, S. 73f.

367 Zur "Kunstbetrachtung" vgl. auch Schnee, Geschichtsunterricht, S. 18.

368 Vgl. Schnee, Geschichtsunterricht, S. 76.

369 Vgl. Schnee, Geschichtsunterricht, S. 77.

370 Vgl. Schnee, Geschichtsunterricht, S. 79.

371 Vgl. Schnee, Geschichtsunterricht, S. 85.

372 Am Erlanger Gymnasium zog ein Deutschlehrer Mein Kampf vermutlich in Auszügen als Schullektüre für die 7. Klasse heran, vgl. Martius, Schulzeit, S. 10.

373 Alle Zitate vgl. Völkel, Kampf, S. 285ff.

374 Ein eigenes Fach "Nationalpolitische Erziehung" zu etablieren, wurde von vornherein abgelehnt, vgl. Klagges, Geschichtsunterricht, S. 108. Vgl. Selmeier, Geschichtsbild, 58f.

375 Vgl. zum Mathematikunterricht Keim, Erziehung II., S. 100 (dort Literatur) und die Rechenbeispiele in Plaatner, Schule, S. 265-269. Auf den Sportunterricht wurde ja bereits im Zusammenhang mit der körperlichen Erziehung als wichtigstem Anliegen der Schule eingegangen, vgl. Fußnote 288 dieser Arbeit.

376 Zur Bedeutung des Films im "Dritten Reich" vgl. den zwar journalistisch gehaltenenen aber fundierten Beitrag Donner, Propaganda, v.a. S. 9-25 und 29-55. Die Instrumentalisierung des historischen Spielfilms untersucht Happel, Spielfim, v.a. S. 31-47. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Förderung der Fernsehtechnologie. So war neben dem Volksempfänger auch ein Fernseh-Einheitsempfänger für alle Haushalte geplant. In der Übergangszeit sollte die Einrichtung von Fernsehstuben forciert werden, vgl. ZEUTSCHNER, Mattscheibe, v.a. S. 60-79 und S. 139-156.

377 Wie es z. B. der Direktor des Gymnasiums Carolinum in Ansbach stolz im Jahresbericht 1935/ 36 verkündet, mit dem Zusatz: "(auch die zwei jüdischen Schüler)", vgl. StAN Rep. 245-6, Nr. 157.

378 Vgl. Gies, Geschichtsunterricht, S. 89.

379 Vgl. Sturm, Erziehung, S. 142f. und 162.

380 Karl Friedrich Sturm ordnete die Schulfeier der "musischen Erziehung" zu, der dritten Erziehungsart neben der "körperlichen Erziehung" und der "geistigen Bildung und Schulung", vgl. STURM, Erziehung, S. 129f. und S. 142.

381 Vgl. Roth, Feier, S. 9. Der erste Satz soll vermutlich ein kausales Verhältnis von "Willen" und "Feiern" ausdrücken. Leser von Roths Buch sehen sich allenthalben mit solchen, durch Pathos bedingten sprachlichen Ungenauigkeiten konfrontiert.

382 Vgl. Sturm, Erziehung, S. 143. Herkunft des Zitats im Original nicht angegeben.

383 Vgl. Sturm, Erziehung, S. 144. Sturm berief sich hier auf Dilthey: "Der Drang, das Unaussprechliche mitzuteilen, läßt Symbole entstehen".

384 Vgl. Sturm, Erziehung, S. 145.

385 Entsprechend skeptisch war man in jüdischen Schulen gegenüber den verordneten nationalen Feiern. Im Jahresbericht 1933/ 34 der Israelischen Realschule Fürth hieß es: "Die angeordneten Feiern wurden durchweg von den Lehrkräften in einer der Altersstufe der Kinder angepaßten Weise durchgeführt (Würdigung der nationalen Arbeit bei Schulbeginn [2. Mai R.A.], Schlageter-Gedenktag am 26. Mai, Erinnerung an das Türkenjahr am 11. September, Reichsgründungsfeier am 19. Januar [...]." Vgl. STAN, Fr 49a/ 69, 70.

386 So erklärt sich die Allgegenwärtigkeit von Fahnen und Standarten im öffentlichen Leben der damaligen Zeit, vgl. die Bilddokumente in Fritzsch, Nürnberg, S. 78f und S. 99.

387 In der demokratischen Tradition etwa die schwarz-rot-goldene Fahne im 19. Jahrhundert als Symbol für den angestrebten demokratisch verfaßten Nationalstaat. Das nationalsozialistische Jugendlied "Die Fahne flattert uns voran" hat in der Geschichte sein Pendant in der symbolischen Handlung, 'das Kreuz zu nehmen'. Die Kreuzzugssymbolik wurde von der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg aufgegriffen, zum Beispiel beim Überfall auf die Sowjetunion, dem "Unternehmen Barbarossa".

388 Vgl. Vondung, Magie, S. 45. Vgl. auch Bauer, Sprache, S. 73-78.

389 Vgl. Bauer, Sprache, S. 57f. Diese Instrumentalisierung der Sprache machte es auch möglich, den rassenideologisch motivierten Vernichtungsfeldzug im Osten metaphorisch als "Lebensraumpolitik" und die Vernichtung des europäischen Judentums euphemistisch als "Endlösung" oder "Sonderbehandlung" zu bezeichnen. Vgl. auch SEIDEL, Sprachwandel.

390 Vgl. Roth, Feier, z. B. S. 54. Vgl. Fußnote 291 dieser Arbeit.

391 Vgl. Hitler, Kampf, S. 535f. Daß dieser Mechanismus aber auch bei kleineren Gruppen funktionieren konnte, war unumstritten, vgl. Roth, Feier, S. 55 und Zimmermann, Feier, S. 227.

392 Vgl. Sturm, Erziehung, S. 142f.

393 Zu den Reichsparteitagen als sakraler Machtdemonstration vgl. die Literaturangaben in Fußnote 105 dieser Arbeit.

394 Vgl. Roth, Feier, S. 28.

395 Hier verwende ich den Begriff nicht im nationalsozialistischen Sinn. Die Schulgemeinde wurde per Ministerialerlaß vom 7. 11. 1936 für das Schuljahr 1937/ 38 eingeführt, vgl. BMinAB 1936, S. 115f. In ihr waren Eltern und Lehrkräfte gemeinsam vertreten. Die Elternbeiräte wurden gleichzeitig abgeschafft, wodurch die Mitbestimmung der Eltern über Angelegenheiten der Schule stark eingeschränkt wurde.

396 Vgl. Zimmermann, Feierstunde. Der Text ist dem Anhang 1 dieser Arbeit beigefügt. Zimmermann verweist auch auf die Vorteile des Unterrichts gegenüber anderen Feiern. In der aktuellen Forschung hat man sich gerade auch mit diesem Charakter des Geschichtsunterrichts als "völkische Weihestunde" befaßt, vgl. v.a. GIES, Geschichtsunterricht, S. 92-95.

397 Vgl. Mosse, Gefallen, S. 89.

398 Vgl. Mosse, Gefallen, S. 90, "Wie es zu dieser nachträglichen Verwechslung kam, läßt sich bestenfalls damit erklären, daß Langemarck gut deutsch klingt."

399 Zitate und Hinweis auf Metrik vgl. MOSSE, Gefallen, S. 90. Eine detaillierte Dekonstruktion des Mythos von "Langemarck" bei UNRUH, Langemarck.

400 Zum Alltag der Soldaten, der sich vom jeweiligen Heeresbericht doch frappant unterschied, vgl. die kommentierte Quellensammlung Ulrich/ Ziemann, Frontalltag, v.a. S. 48-62, S. 125, S. 139-45 und S. 199ff.

401 Vgl. Mosse, Gefallen, S. 92.

402 Vgl. Hitler, Kampf, S. 180f. Diese Imitation gehört natürlich in den Kontext seiner Selbstmythologisierung.

403 Vgl. Behrenbeck, Kult, S. 29.

404 Vgl. hierzu auch Gies, Geschichtsuntericht, S. 93ff.

405 Schon das Gegenüberstehen von Lehrer und Schülern gemahnt an die Gottesdienstsituation. Einige Schüler erhalten assistierende Funktionen beim Vortrag, was an den Ministrantendienst erinnert.

406 Näher geht Wimmer, Lied auf Funktions- und Wirkungsweisen des politischen Liedes im Geschichtsunterricht ein.

407 Das HJ-Lied findet sich auch in der für den Schulgebrauch verwendeten Gedichtsammlung Echtermeyer, S. 85f. Bezeichnenderweise lautet die erste und letzte Strophe: "Kameraden, die Trompete ruft./ Heute heißt es wandern./ Morgen scheint die Sonne uns/ In Rußland oder Flandern."

408 Vgl. Krieck, Nationalsozialistische Erziehung, S. 31. Die doppelte Bedeutung des Begriffes der Kommunion einerseits als gemeinschaftliche Feier des Abendmahls, andererseits als kirchlicher Initiationsritus kommt in diesem Kontext besonders zum Tragen.

409 Vgl. Sturm, Erziehung, S. 143. Das Zitat knüpft unmittelbar an die in dieser Arbeit mit Fußnote 392 markierte Textstelle an.

410 Vgl. BMinAB 1938, S. 237.

411 Langfristig hätte der Geschichtsunterricht den Religionsunterricht ablösen können, da in ersterem das weltanschaulich Verbindliche gelehrt wurde.

412 In diesem Zusammenhang ist die Zitatungenauigkeit von Gies, Geschichtsunterricht, S. 93 ärgerlich, da sie den Eindruck erweckt, Zimmermanns Beitrag sei ein staatlich protegiertes und empfohlenes "Musterbeispiel", was nicht nur Zimmermann selbst bestreitet. Auch der später erschienene Reichslehrplan enthält keine expliziten Anweisungen zur Abhaltung von "Feierstunden".

413 Vgl. Selmeier, Geschichtsbild, S. 116ff. mit Beispielen, Zitat von Horst Heiber zit. n. Ebd., S. 116.

414 Vgl. Martius, Schulzeit, S. 15.

415 Vgl. die autobiographischen Notizen in Platner, Schule, S. 79-100. Genauso die Grundtendenz in Hestermann, Schulzeit, v. a. aber in Mentzel, Staatsraison, der (vielleicht etwas zu häufig) behauptet, sein Breslauer Humanistisches Gymnasium sei keine nationalsozialistische Schule gewesen, vgl. EBD., S. 45.

416 Vgl. Martius, Schulzeit, S. 29f.

417 Vgl. Platner, Schule, S. 70f.

418 Vgl. StAN Rep. 245-5, Nr. 256, Brief des RMinWEV an die Direktorate vom 28. Oktober 1941.

419 Viele der Schularchive sind durch den Krieg zerstört. Die bei der Regierung überlieferten Bestände sind zwar äußerst umfangreich, für die Fragestellung dieser Arbeit aber wenig ergiebig. Die von mir durchgearbeiteten Lehrerratsprotokolle sind zu knapp gehalten, als daß Rückschlüsse auf die Atmosphäre an den Schulen möglich wären. Ein weiteres Manko sind die Beschränkungen bei der Benutzung von Personalakten auch für wissenschaftliche Arbeiten.

420 Vgl. Stich/ Schreibmüller, Lehrbuch Teil 2, S. 1.

421 Vgl. Stich/ Schreibmüller, Lehrbuch Teil 2, S. 9. Zur Diktatur schrieb er in der 10. Auflage des 3. Bands: Neuzeit von 1932: "Die Zukunft wird lehren, ob die tatsächlichen Leistungen der Diktatur, die in manchem an den alten fürstlichen Absolutismus erinnert, den Mangel an innerpolitischer Freiheit der Bewohner auf die Dauer erträglich machen kann.", zit. n. MARTIUS, Schulzeit, S. 9.

422 Vgl. Kumsteller/ Haacke/ Schneider, Geschichtsbuch, Klasse 6, S. 197.

423 Vgl. StAN Rep. 245-6, 192 (Lehrerratssitzung vom 4. 01. 1938). Die Zulassungen der neuen Schulbücher vgl. DWEV 1939, S. 326f. und S. 384f., DWEV 1940, S. 333f. und DWEV 1941, S. 140. Für den Raum Nürnberg war ab 1939 das Schulbuch für die deutsche Jugend an Jungenschulen und das Geschichtliche Unterrichtswerk für Höhere Schulen von Warneck an Mädchenschulen vorgesehen. Der im Oldenbourg-Verlag München erschienenen Warneck-Reihe wurde die Genehmigung allerdings wieder entzogen, nachdem sich die Oberstufenbände als zu wenig ideologiekonform erwiesen, vgl. SELMEIER, Geschichtsbild, S. 136-139. Vom Juni 1940 an wurde auch an Mädchenschulen das Geschichtsbuch von Kumsteller-Haacke-Schneider verwendet.

424 Vgl. Selmeier, Geschichtsbild, S. 61 und S. 164.

425 Vgl. Stich/ Schreibmüller, Lehrbuch Teil 2, S. 96.

426 Vgl. Stich/ Schreibmüller, Lehrbuch Teil 2, S. 150. Aufgrund dieser moderaten Töne, konnte Schreibmüller nicht damit rechnen, einen lukrativeren Posten im nationalsozialistischen Staate zu bekommen.

427 Vgl. Warneck, Klasse 3, S. 63f.

428 Vgl. die in Anhang 1 dieser Arbeit abgedruckte Auswahl der Vortragsthemen.

429 Vgl. StAN Rep. 245-6, Nr. 1534.

430 Vgl. StAN Rep. 245-6, Nr. 1523/ 8.

431 Vgl. StAN Rep. 245-6, Nr. 1523/ 9.

432 Vgl. Martius, Schulzeit, S. 19.

433 Am Gymnasium Carolinum fanden während des Schuljahres 1933/ 34 lediglich 6 Veranstaltungen mit eindeutig nationalsozialistischem Inhalt statt, während es in Erlangen 13 waren, vgl. Auflistung der relevanten Veranstaltungen in Anhang 1 mit MARTIUS, Schulzeit, S. 19f. Zum maximalen Feierprogramm des gleichen Jahres in Berlin vgl. GIES, Geschichtsunterricht, S.87f.

434 Vgl. eine Liste der Aufsatzthemen der Jahre 1934/ 35 und 1940/ 41in Auswahl im Anhang 1 dieser Arbeit.

435 Vgl. Schreibmüller, Franken.

436 Neben den gedruckten Jahresberichten sind in den Schulakten z.T. auch die offiziellen Jahresberichte erhalten, die jedes Jahr an das BSUK, ab 1935 an das Reichsministerium geschickt wurden. Nach einer Bearbeitungsdauer von ca. 1-3 Jahren gingen diese an die Schulen zurück, weshalb die Überlieferung dieser Berichte in der Regel mit dem Jahrgang 1941/ 42 endet. Die Jahresberichte enthielten neben den kompletten Schülerlisten auch Hinweise auf Veranstaltungen und Personalia sowie in vielen Fällen den gedruckten Jahresbericht. Es geht aus dem Aktenmaterial nicht hervor, ob die jeweiligen Berichte komplett sind oder ob von Seiten der Ministerien Aktenstücke einbehalten wurden.

437 Hier sei auch ausdrücklich auf Selmeiers Erläuterung seines Schemas hingewiesen, vgl. Selmeier, Geschichtsbild, S. 285-288.

438 Die Anzahl der Kurven wurde von Selmeier übernommen. Der Zuordnung historischer Ereignisse kann sicherlich gefolgt werden.

Der Text wurde als Zulassungsarbeit zur Staatsprüfung nach LPO I für das Lehramt an Gymnasien an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (Philosophische Fakultät I., Lehrstuhl für Didaktik der Geschichte, Prof. Dr. Elisabeth Erdmann)für das Examen im Herbst 1998 angenommen.